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# taz.de -- Italien qualifiziert sich für Fußball-EM: Fest des Fußballs
> Italien qualifiziert sich an einem sehr besonderen, auch politischen
> Abend für die EM 2024. Das hat vor allem mit dem Gegner aus der Ukraine
> zu tun.
Bild: Intensive Partie: Georgiy Sudakov (l) aus der Ukraine und Italiens Alessa…
Tore haben den Ruf, die Essenz des Fußballs zu sein, das Fleisch am Knochen
dieses mitunter etwas zäh erscheinenden Spiels, aber manchmal entsteht der
Zauber der Sportart sogar ohne irgendwelche Treffer. Das 0:0 in der
EM-Qualifikation am Montag zwischen der Ukraine und Italien war exakt so
ein Fest des Fußballs auf ganz unterschiedlichen Ebenen: sportlich,
historisch und vor dem Hintergrund der Weltlage irgendwie auch politisch.
„Die Spieler haben den Charakter der Ukraine gezeigt“, sagte [1][der
Trainer Serhiy Rebrov], nachdem seine Mannschaft die direkte Qualifikation
für das Kontinentalturnier verpasst hat und auf eine erfolgreiche
Play-off-Runde im kommenden März hoffen muss. „Sie alle wissen, dass der
Krieg in der Ukraine weiterläuft. Es ist immer noch sehr hart für die
Spieler, sie schauen ständig auf ihre Handys und verfolgen die Nachrichten
aus der Heimat“, erklärte Rebrov. „Es ist nicht einfach, in dieser
Atmosphäre zu arbeiten.“
Das ist einerseits sehr traurig, trug aber nicht unwesentlich zur
Intensität dieses Fußballabends bei. Die Ukrainer trugen diese offiziell
als Heimspiel deklarierte Partie im Rheinland aus, weil hier besonders
viele ukrainische Flüchtlinge untergekommen sind, die tatsächlich ein
Heimspielambiente erzeugten.
Aber auch [2][die Italiener trugen viel zur hochintensiven Stimmung bei,]
die jederzeit friedlich und respektvoll war. Während die ukrainische Hymne
lief, applaudierten viele Italiener, alles blieb jederzeit fair und
respektvoll. Ein Hauch jenes Turnierzaubers war zu spüren, den sich die
deutschen Veranstalter für den kommenden EM-Sommer wünschen. Und hoch
spannend war es ebenfalls.
## Trauma des späten Gegentreffers
Als die Schlussphase anbrach, war alles angerichtet für ein neuerliches
italienisches Drama des Scheiterns. Ein Tor und der EM-Titelverteidiger
hätte nach verpassten Weltmeisterschaften 2018 und 2022 eine weitere
direkte Turnierqualifikation verpasst. Die Italiener waren schon die etwas
bessere Mannschaft über die 90 Minuten hinweg, aber [3][das Trauma des
Gegentreffers gegen Nordmazedonien] in der zweiten Minute der
Nachspielzeit, mit dem die Mannschaft 2022 die WM in Katar verpasste, war
als tiefe Angst allgegenwärtig in jenen Minuten.
Die hingebungsvollen Ukrainer drängten mit zunehmender Verzweiflung auf den
Treffer, mit dem sie Italien vom direkten Qualifikationsplatz verdrängt
hätten. Und dann gab es in der Nachspielzeit diesen Fußkontakt zwischen
Mykhailo Mudryk und Francesco Acerbi im Strafraum, den die Schiedsrichter
mit guten Argumenten als Foulspiel hätten betrachten können. Vielleicht war
die Szene nicht ganz glasklar, sodass ein Eingriff des VAR ausbleiben
konnte, aber wenn es den Strafstoß für die Ukraine gegeben hätte, hätte
auch kein klarer Fehler vorgelegen. „Aus meiner Sicht war das ein
Elfmeter“, sagte Rebrov.
So blieb dem Spiel seine Schlusspointe verwehrt, und die Italiener konnten
feiern, statt ein weiteres tragische Fußballdrama erleiden zu müssen. „Es
war keine Selbstverständlichkeit, sich für die Europameisterschaft zu
qualifizieren, so wie im Fußball überhaupt nichts einfach ist“, sagte
Luciano Spaletti, der Meistertrainer des SSC Neapel, der seit dem Sommer
für die Squadra Azzurra verantwortlich ist und ein Umbruchprojekt
eingeleitet hat.
Besonders in den zwanzig Minuten vor der Pause war Spallettis
flügellastiger Offensivstil gut erkennbar gewesen, insgesamt war Italien
schon die bessere Mannschaft mit den stärkeren Einzelspielern. „Wir hatten
die Möglichkeit, in Führung zu gehen, aber wenn das nicht gelingt, ist es
ganz normal zu leiden“, sagte Spalletti. Zumal den Italienern ihre Coolness
abhanden gekommen ist, diese Selbstgewissheit, mit der Gegner zermürbt und
zahllose Spiele der Vergangenheit zu zähen Aneinanderreihungen von
Unterbrechungen wurden. Die hohe Kunst der Destruktion gehört derzeit
wahrlich nicht zum Wesen dieser Mannschaft.
Dass dieser Erfolg in dieser schönen Atmosphäre in Deutschland geschafft
wurde, nährt dennoch die Zuversicht für den kommenden Sommer. Die rund
6.000 Italiener im überwiegend mit Ukrainern gefüllten Stadion haben „uns
ihre ganze Unterstützung spüren lassen“, sagte Spalletti, das sei „ein
gutes Omen“ für die EM. Und Torhüter Gianluigi Donnarumma dachte bereits
über eine Titelverteidigung nach. „Wir sind überglücklich, weil wir wieder
da sind, wo wir hingehören“, sagte er, „und das ist nur gerecht so, weil
wir der Titelverteidiger sind – und die EM im nächsten Jahr auch wieder
gewinnen wollen.“ Die Ukrainer hingegen treffen in den Play-off-Halbfinals
entweder auf Bosnien, Israel oder Polen.
21 Nov 2023
## LINKS
[1] /33-des-DFB-Teams-gegen-die-Ukraine/!5937584
[2] /Italienischer-Fussball/!5963539
[3] /Italien-nicht-beim-Turnier-in-Katar/!5841223
## AUTOREN
Daniel Theweleit
## TAGS
Fußball
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Ukraine
Italien
Kolumne Press-Schlag
Kolumne Press-Schlag
Fußball
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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