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# taz.de -- Fifa und Weltpolitik: Gianni der Friedensengel
> Die Weltfußballverband geriert sich gern als Friedensstifter. So richtig
> gut geklappt hat das in den vergangenen Jahren aber nicht.
Bild: Predigt gern über Fußball und Frieden: Gianni Infantino bei einer Fifa-…
Bali, 2022. Während des G20-Gipfels hat Fifa-Präsident Gianni Infantino
[1][die Gelegenheit, zu den Staatsoberhäuptern zu sprechen]. Neben vieler
warmer Worte über die Kraft des Fußballs, Menschen zu verbinden, macht er
einen konkreten Vorschlag: ein Waffenstillstand für die Dauer des Turniers
in Katar. „Der Fußball und die Weltmeisterschaft bieten Ihnen und der Welt
eine einzigartige Gelegenheit für Einheit und Frieden“, sagte er. Und:
„Vielleicht kann die aktuelle Weltmeisterschaft ein positiver Trigger
sein.“ Da pell mir doch einer ein Ei, wird so manche*r Anwesende*r
gedacht haben, dass wir da nicht selber drauf gekommen sind.
Dem selbstauferlegten Auftrag, Frieden in die Welt zu tragen, ist die Fifa
unter Infantino nicht gerade näher gekommen. 2018 richtete Russland die WM
aus, knapp vier Jahre später überfiel Putin die Ukraine. [2][2022 trug
Katar den Wettbewerb aus], ein Jahr darauf beging die von Katar
mitfinanzierte Hamas das Massaker an der israelischen Bevölkerung.
Gianni Infantino schrieb jüngst einen Brief an Israelis und
Palästinenser*innen, in dem er in salbungsvollen Worten die Kraft des
Fußballs beschwor. „Natürlich wissen wir, dass der Fußball nicht die
Probleme der Welt lösen kann, aber er kann eine kleine Rolle spielen, indem
er das Licht der Hoffnung bringt, auch wenn nur Dunkelheit zu warten
scheint.“ Wenn Gianni Infantino nachts von sich selbst träumt, dann
vermutlich als Kerze.
Die WM 2034 [3][wird in Saudi-Arabien stattfinden]. Es ist das Ergebnis
eines politischen Manövers, das durch die Vergaben vorheriger
Weltmeisterschaften alle Verbände bis auf Ozeanien und Asien von einer
Bewerbung ausschloss. Das ist der tatsächliche Hintergrund, die WM 2030 auf
drei Kontinenten stattfinden zu lassen.
## Ausbaubare Vorstellungskraft
Unschwer, sich auszumalen, welche Reden Gianni Infantino schwingen wird, um
diese Entscheidung zu begrüßen und zu begründen; vermutlich sitzt er schon
wieder an einem seiner vielen Briefe an die einzelnen Verbände, in denen er
– wie er es im Vorfeld der WM in Katar tat – gemahnt, sich auf den Sport zu
konzentrieren und die Politik außen vor zu lassen. Wie es die Fifa selbst
ja auch schon konsequenterweise auslebt: Angesichts der Proteste gegen die
Austragung in Russland und Katar hat sie die Einhaltung von Menschenrechten
zum Vergabekriterium erklärt.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf, der inzwischen Mitglied des Fifa-Councils
ist, erklärte daraufhin, das zeige, „dass die Vergabe an Katar und
vielleicht auch an Russland heute schwer vorstellbar wäre, so unkritisch
und ohne Auflagen. Das hat sich geändert, der Sport und die Politik.“ Das
ist jetzt ein Jahr her. Die Vorstellungskraft des Bernd Neuendorf hat sich
in der Zwischenzeit erheblich erweitert. Fragen dazu, wie ihm das gelungen
ist, hat er bisher nicht beantwortet.
Derweil wird über die Situation der Wanderarbeiter, die die Stadien in
Katar gebaut haben, kaum noch gesprochen. Vor einem halben Jahr berichtete
Human Rights Watch, dass Kompensationen ausstünden, Löhne noch nicht
ausgezahlt seien. Die Fifa schweigt, obwohl Infantino einst klargemacht
hat, er könne die Situation der Arbeitsmigranten besser verstehen als viele
andere. Schließlich sei seine Familie damals von Italien in die Schweiz
ausgewandert.
All das ist nichts Neues. Aber trotz dieses unglaublichen Haufens
Pferdescheiße, der bei jedem neuen Statement aufgetürmt wird, ändert sich
nichts. Es gibt wohl nur noch eine Hoffnung für den Fußball: Wenn Elon Musk
auf die Idee käme, eine WM auf dem Mond auszutragen.
19 Nov 2023
## LINKS
[1] /Fifa-Chef-auf-Friedensmission/!5892199
[2] /Bilanz-der-WM-2022-in-Katar/!5900324
[3] /Fifa-WM-2030-auf-drei-Kontinenten/!5960602
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
Kolumne Press-Schlag
Fifa
Frieden und Krieg
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