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# taz.de -- Tischtennis: Reden wir doch mal über Frustrationstoleranz
> Tischtennisfreaks mögen es gar nicht, wenn man ihren Sport mit Tennis
> vergleicht. Aber eine wichtige Parallele gibt es doch.
Bild: Ein Fehler und schon ist's vorbei: Auch Miwa Harimoto kennt das Problem m…
Reden wir über Frustrationstoleranz. „Ich bin nicht gut genug“, das waren
die Worte, die der [1][deutsche Tennisspieler Alexander Zverev] nach seiner
dritten Grand-Slam-Finalniederlage fand, im Januar in Melbourne. Konnte man
schwachbrüstig finden für einen Mann, der Asche hat wie Heu und die Nummer
2 der Welt in seinem Sport ist. Aber er hatte auch einfach recht. Zverev
ist einer, der am Schluss immer einen Besseren finden wird – ihm fehlt das
Genialische, das Nackenbeißende, das Dominierende.
Wie ich dem Livechat des World Cups entnehme, der in der Karwoche in Macao
stattgefunden hat, hassen Tischtennisfreaks allerdings nichts mehr als
Reporter, die den kleinen Schlagsport mit dem großen vergleichen. Der ITTF,
veranstaltender Weltverband, hatte die Livestreams über Youtube nämlich
zwei Reportern übertragen, die vom Tischtennis noch weniger verstehen als
ich und das Geschehen mit Statistikzetteln und Tennisanalogien kommentiert
haben. Bis auf [2][Hugo Calderanos] beidseitige Rückhand, die er beim
Matchball im Halbfinale gespielt hat, hatte das alles nämlich nicht so viel
mit Tennis zu tun.
Und doch. Was Zverevs Psyche umtreibt, muss verschlagene Tischtennisspieler
erst recht umtreiben. Dafür zwei oder drei Beispiele, die sich in Macao
gezeigt haben.
Da wäre erstens [3][die chinesische Dominanz an der Spitze], die bei den
Frauen noch eine Spur ärger ist als bei den Männern. Mit Gary Lineker
könnte man sagen: Tischtennis ist ein einfaches Spiel; zwei Personen jagen
3 oder 4 Gewinnsätze lang einen Ball übers Netz, und am Ende gewinnen immer
die Chinesen. Zweitens laufen Spiele zwischen gleichwertigen Gegnern oft
auf die zwei allerletzten Punkte hinaus – und für eine von beiden Personen
ist all die vorher geleistete Arbeit nach einem Flüchtigkeitsfehler im
Schlägerumdrehen Makulatur.
## Geleistete Arbeit ist schnell Makulatur
So erging es [4][Dimitrij Ovtcharov], der gegen Kumpel Benedikt Duda im
Achtelfinale Matchbälle hatte und mit 11:13 im siebten Satz das Spiel
verlor. So ging es Duda selbst, der im nächsten Match kurz davor stand, den
Weltranglistenzweiten aus China aus dem Turnier zu kicken. Dann ein
Annahmefehler und noch zwei vermeidbare und Wang Chuqin war doch wieder der
Sieger.
Miwa Harimoto, süße 16 und mit knallharter Vorhand ausgestattet, weinte dem
Vernehmen nach in der Kabine, nachdem sie die Weltranglistenzweite aus
China schon auf der Pfanne hatte und am Ende dasselbe Schicksal wie Duda
erlitt: Aus in der Verlängerung des siebten Satzes.
## Zählsystem auf Dramatik gestrickt
Gerade im Tischtennis, das mit seinem Zählsystem sehr auf Dramatik
gestrickt ist, muss man von jeher eine Menge Frustrationstoleranz
mitbringen. Was beim Tennis (sorry) nicht allzu oft passiert, nämlich, dass
ein Match nach abgewehrten Matchbällen noch kippt, kommt beim Tischtennis
alle Nase lang vor. Auch sonst geht es viel um Fehler, und nicht nur darum,
wie man diese vermeidet, sondern auch, wie man sie toleriert – die der
anderen, aber vor allem die eigenen.
Macao lieferte allerdings auch gleich die Pointe: Ausgerechnet
Hochneurotiker Hugo Calderano drehte im Halbfinale den Moment, schlug Wang
Chuqin mit 12:10 im „Decider“ und holte sich im Finale den Cup – ebenfalls
gegen einen Chinesen.
22 Apr 2025
## LINKS
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[3] /Tischtennis-in-China/!5177936
[4] /Dimitrij-Ovtcharov/!t5032511
## AUTOREN
René Hamann
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