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# taz.de -- Mieterprotest gegen smarte Geräte: Wenn der Rauchmelder spioniert
> Der Immobilienkonzern Vonovia will in Göttinger Wohnungen
> Hightech-Rauchmelder einbauen. Bewohner befürchten höhere Mieten und
> Spionage.
Bild: Einblick in die geschützten eigenen vier Wände: „intelligente“ Rauc…
Göttingen taz | In das etwas trist wirkende sogenannte Blümchenviertel in
der Göttinger Weststadt mit seinen einförmigen Wohnblocks aus den 1950er-
und 1960er-Jahren ist Farbe eingekehrt. Rote Farbe. An Dutzenden Haustüren
in den Straßen Rosenwinkel, Nelkenwinkel oder Tulpenweg prangen jetzt
Aufkleber. Sie zeigen eine nach oben gereckte Hand in einem Stopp-Zeichen.
Darunter steht in schwarz: „Hier sind keine Spionage-Rauchmelder
erwünscht“.
Knapp 300 Wohnungen im Quartier gehören [1][dem Bochumer Immobilienkonzern
Vonovia], der in ganz Göttingen mehr als 1.400 Wohneinheiten besitzt und
vermietet. Im Dezember vergangenen Jahres schrieb der Konzern 270
Mietparteien im Blümchenviertel an und kündigte an, dass der
Energiedienstleister Techem in ihren Wohnungen [2][neue Rauchwarnmelder]
„Multisensor Plus“ installieren werde.
Diese böten mehr Sicherheit, mehr Komfort und eine ganze Reihe technischer
Zusatzfunktionen und Neuerungen gegenüber den alten Modellen, verspricht
Vonovia in einer Broschüre. So warne die nun in die Geräte eingebaute
„intelligente Technik“ beispielsweise vor dem giftigen, farb- und
geruchlosen Gas Kohlenmonoxid (CO). Dank „integriertem Assistenzlicht“
fänden die Mieter im Alarmfall auch bei Dunkelheit sicher den Weg aus ihrer
Wohnung. Und, als besonderer Clou: Der „Alarmton wechselt zwischen zwei
Frequenzen.“
## Keine Kontrolle über erfasste Daten
Größtenteils handele es sich dabei um überflüssigen Schnickschnack, meint
hingegen die Initiative „Weststadt solidarisch“. Die seit einem Jahr
bestehende Gruppe organisiert die Proteste gegen die neuen Rauchmelder. Die
CO-Warnfunktion etwa sei völlig sinnfrei: „Wenn man Kohlenmonoxid an der
Zimmerdecke messen kann, wo die Rauchmelder hängen, ist man doch längst
tot.“
Besonders stört die Aktivisten das von Vonovia angepriesene
„Raumklimamonitoring direkt in der App“. „Wir haben keine Kontrolle
darüber, was mit den erfassten Daten geschieht oder [3][wer darauf
zugreifen kann]“, sagt Nita Chakraborty von „Weststadt solidarisch“. „W…
ist, wenn Vonovia die Daten nutzt, um beispielsweise Kosten für
Schimmelbeseitigung auf uns Mieter abzuwälzen?“
Indem die Rauchmelder die Luftfeuchtigkeit messen, lasse sich auf das
Lüftungsverhalten und die Anwesenheit von Personen in der jeweiligen
Wohnung schließen, so Chakrabortys Mitstreiter Yannick Krooß. „Sie bekommen
dadurch Einblick in den ‚Safe Space‘ unserer Wohnungen.“ Sie – das sei
neben Vonovia und Techem auch Microsoft, das für die Technik in den Meldern
verantwortlich zeichne.
## Zusätzliche Kosten für die Mieter
Zudem brächten die neuen Rauchmelder für die Mieter zusätzliche Kosten mit
sich, im Schnitt etwa 5,50 Euro monatlich. Das ist eine Mieterhöhung von 65
Euro pro Jahr, hat „Weststadt solidarisch“ ermittelt. Das sei „nicht
nichts“ für die nicht gerade als wohlhabend geltende Klientel des
Quartiers. „Aber für Vonovia sind das 17.000 Euro jährlich allein im
Viertel. Die Kosten für die Geräte seien schnell gedeckt, „danach macht der
Konzern reinen Gewinn“.
„Es sollen ja funktionstüchtige Melder ausgetauscht werden“, unterstreicht
Yannick Kroos die Kritik. Und zwar im Rahmen einer Modernisierung, nicht
etwa als Instandhaltungsmaßnahme – „in dem Fall müsste Vonovia nämlich
selbst zahlen“.
Das Immobilienunternehmen macht eine etwas andere Rechnung auf. „Die
Mietanpassungen, wenn eine Wohnung mit vier Geräten ausgestattet wird,
beträgt rund drei Euro pro Monat“, sagte Vonovia-Sprecherin Caroline
Sorgenicht der taz. „Wenn es weniger Geräte, also Räume sind, dann weniger,
bei mehr Geräten mehr.“ Man setze sich dafür ein, dass sich die Mieter
keine Sorgen wegen steigender Mieten machen müssten, „uns ist wichtig, dass
unsere Wohnungen auch bei Veränderungen der Miete bezahlbar bleiben“.
## Mieter wollen standhaft bleiben
Auch habe Vonovia in dem Ankündigungsschreiben „zu dieser
Modernisierungsmaßnahme“ auf die Möglichkeit hingewiesen, einen
Härteeinwand gegen die Mietanpassung geltend zu machen. „Sofern ein
persönlicher oder finanzieller Härtegrund vorliegt, finden wir gemeinsam
mit unseren Mieterinnen und Mietern eine individuelle Lösung“,
verspricht Sorgenicht.
Im Januar legten knapp 100 Mietparteien Widerspruch bei Vonovia ein. „Wir
widersprechen der Montage der ‚Multisensor Plus‘-Geräte in unseren
Wohnungen und erheben rechtliche Einwände gegen die Zulässigkeit des
Einbaus“, heißt es darin. „Solange die Sach- und Rechtslage nicht eindeutig
und lückenlos geklärt ist, behalten wir uns vor, die Durchführung des
Einbaus nicht zu dulden. Dies beinhaltet insbesondere den Zutritt der
Handwerker zur Montage der Geräte in unseren Wohnungen.“
Von Vonovia gibt es bislang keine Reaktion auf die Widersprüche. Als sei
nichts gewesen, kündigte das Unternehmen den ersten Mietern Montagetermine
für Ende März an. Betroffene und „Weststadt solidarisch“ reagierten
daraufhin mit einer Kundgebung – mehrere Dutzend Menschen versammelten sich
am 24. März trotz Regens in der Straße Rosenwinkel, um gegen den Einbau der
Rauchmelder zu protestieren. Die „Rote Karte“ klebt mittlerweile an 140
Hauseingängen im Blümchenviertel. Nachdem die Techniker vergeblich an Türen
geklingelt hatten, hätten erste Mieter jetzt für Mitte April einen zweiten
Termin genannt bekommen, berichtet Krooß. „Aber wir wollen standhaft
bleiben.“
7 Apr 2025
## LINKS
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[3] /Strafverfolgung-im-Internet-der-Dinge/!6054696
## AUTOREN
Reimar Paul
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