# taz.de -- Zentralasien und Trumps Medienpolitik: Und jetzt zurück zu den Sta… | |
> Radio Liberty gehört zu den letzten Medien, die in Zentralasien | |
> unabhängig informieren. Aber Trump hat es auf die US-Auslandssender | |
> abgesehen. | |
Bild: Almaty in Kasachstan | |
Almaty taz | Nachrichten, die nicht die Propaganda der Regierung eins zu | |
eins wiedergeben? In den Staaten Zentralasiens, die bis 1991 zur | |
Sowjetunion gehörten, könnte damit bald endgültig Schluss sein – wegen | |
US-Präsident Donald Trump. Der unterzeichnete Mitte März eine Anordnung, | |
die für die US Agency for Global Media (USAGM) drastische Kürzungen | |
vorsieht und damit auch für den Auslandsrundfunk Radio Free Europe/Radio | |
Liberty (RFE/RL), der der Behörde untersteht. | |
Das ist ein enormes Risiko für die Meinungsfreiheit in vielen | |
zentralasiatischen Ländern. Denn Radio Liberty unterhält Redaktionsbüros in | |
Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan. Dort, wo | |
die meisten Publikationen unter staatlicher Kontrolle stehen, ist es eine | |
der wenigen unabhängigen Quellen. Und dennoch: Die Behörde strich RFE/RL | |
kurzerhand alle Bundesmittel. | |
Nur per einstweiliger Verfügung erreichte RFE/RL dann doch noch eine | |
Auszahlung zumindest eines Teils der Zuschüsse, die Klage gegen das Dekret | |
und damit die Zukunft von RFE/RL ist aber noch nicht geklärt. Dies könnte | |
die Meinungsfreiheit in den zentralasiatischen Ländern erheblich | |
beeinträchtigen. | |
Laut einer Journalistin von Radio Liberty, die über Zentralasien | |
berichtet, geht unter den Mitarbeiter*innen derzeit die Angst um. | |
Viele Kolleg*innen ohne Festanstellung seien bereits entlassen worden. | |
Die jüngste Gerichtsentscheidung mache der Journalistin zwar Hoffnung auf | |
eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses, eröffne ihr aber, so sagt sie, | |
keine Perspektive. | |
## Schreckliche Dinge, ohne Bericht | |
„Wir hoffen, dass auch eine weitere Gerichtsentscheidung zu unseren Gunsten | |
ausfällt, was den Zuschuss in Höhe von 75 Millionen US-Dollar betrifft, den | |
wir vom Kongress bis September erhalten sollen“, sagt sie. „Doch das alles | |
wird nicht von Dauer sein. Denn wie gesagt, das wäre allenfalls bis | |
September. Im kommenden Geschäftsjahr müssen wir damit rechnen, dass die | |
Fördermittel noch massiver gekürzt werden.“ | |
Und sie fürchtet, dass eine Einstellung von Radio Liberty in Zentralasien | |
vor allem für die Bewohner*innen Tadschikistans und Usbekistans „eine | |
Katastrophe“ würde. Denn für diese Menschen werde es dann nur noch | |
Informationen aus Quellen der Regierung geben. „Die Menschen werden einfach | |
nicht mehr erfahren, was wirklich vor sich geht. Es wird absolut niemanden | |
mehr geben, an den sie sich wenden können. Und niemand wird mehr über die | |
schrecklichen Dinge berichten, die dort passieren“, so die Journalistin. | |
Auch in Kasachstan gibt es kaum noch unabhängige Medien. Sie sind | |
buchstäblich an einer Hand abzuzählen. Der kasachische | |
Politikwissenschaftler Dimasch Alschanow schätzt Radio Azattyk (der Name | |
von Radio Liberty in Kasachstan) derzeit als die einzige ernst zu nehmende | |
professionelle Quelle für alternative Informationen im Land ein. „Wenn | |
dieses Projekt endet, wird es praktisch keine professionellen Medien mehr | |
für die Gesellschaft in unserem Land geben. Die Kasach*innen werden | |
keine Wahl mehr haben, aus welchen Quellen sie sich informieren.“ Dabei | |
gebe es genug drängende Probleme, über die berichtet werden müsse, wie | |
häusliche Gewalt, die Unterdrückung von Minderheiten, Korruption. | |
Häusliche Gewalt ist in allen Ländern Zentralasiens an der Tagesordnung. In | |
Kasachstan (knapp über 20 Millionen Einwohner*innen) registrierten die | |
Strafverfolgungsbehörden 2024 offiziellen Angaben zufolge rund 100.000 | |
Anrufe wegen häuslicher Gewalt. Nach Angaben der kasachischen Behörden | |
kamen in den vergangenen viereinhalb Jahren 869 Menschen durch häusliche | |
Gewalt zu Tode, in 2.086 Fällen trugen Betroffene schwere gesundheitliche | |
Schäden davon. Die meisten Toten und Verletzten waren Frauen. Einer der | |
aufsehenerregendsten Fälle war die Ermordung von Saltanat Nukenowa im | |
November 2023. Ihr Ehemann, der ehemalige Minister für Volkswirtschaft, | |
hatte sie in einem Lokal der Hauptstadt Astana zu Tode geprügelt. | |
## Unabhängige Medien stellen nicht ein | |
Doch nicht nur Fälle wie diese könnten künftig der Öffentlichkeit verborgen | |
bleiben. Nach Ansicht von Alschanow werden die möglichen Kürzungen, | |
vielleicht sogar Schließungen, die russische Propaganda in der Region | |
weiter stärken. Dies könnte im Zusammenhang mit der Verbreitung | |
prorussischer militärischer Narrative, die bereits stattfinde, zu einem | |
großen Problem werden. | |
Dabei war Radio Free Europe/Radio Liberty gegründet worden als ein | |
US-Werkzeug, das Menschen in der damaligen Sowjetunion mit Informationen | |
aus dem Westen versorgen sollte. Bis heute hat es sich zur Aufgabe gemacht, | |
das Menschenrecht auf freien Nachrichtenzugang zu ermöglichen. Und nun: | |
Steht es vor dem Aus. Alschanow ist davon überzeugt, dass die wenigen noch | |
verbliebenen unabhängigen kasachischen Medien Azattyk-Radio nicht ersetzen | |
können, falls dieses seine Arbeit einstellen muss. | |
In Kasachstan gibt es schon jetzt nur wenige Medien, die eine alternative | |
Sicht auf die politischen Ereignisse im Land bieten – kleine Publikationen, | |
ohne große Redaktion, ohne ausreichend Ressourcen. Zu ihnen gehören The | |
Village Kazakhstan, ein russischsprachiges Onlinemedium, das über Kultur, | |
Soziales sowie aktuelle Ereignisse in Kasachstan berichtet, sowie in | |
kasachischer Sprache Til kespek zhok. Beide veröffentlichen vor allem | |
Nachrichten, die bereits in anderen Medien erschienen sind. Die | |
Internetportale Vlast und Respublika, die ständig vom Staat unter Druck | |
gesetzt werden, veröffentlichen hingegen Recherchen über Korruption – noch. | |
Auch an anderer Stelle greift Trump die Medienvielfalt in Zentralasien an: | |
mit dem Dekret über die US-amerikanische Agentur für internationale | |
Entwicklung (USAID), die bislang Zuschüsse an ausländische Programme, unter | |
anderem im Medienbereich, vergeben hat. Damit ist es jetzt vorbei, weltweit | |
mussten viele Medien ihre Tätigkeit einstellen. Am 17. Februar 2025 zog | |
Mediazona. Zentralasien den Stecker. Das unabhängige russische | |
Medienunternehmen hatte vor allem über Menschenrechtsverletzungen in der | |
Region berichtet. | |
„Der Meinungspluralismus wird durch diese Dekrete völlig zerstört, da alle | |
unabhängigen Medien in Kasachstan und in ganz Zentralasien entweder auf | |
amerikanische oder europäische Zuschüsse angewiesen sind“, sagt Alexander | |
Grigorjants, ein Mitarbeiter von Mediazona. Zentralasien. „Jetzt werden die | |
staatsfreundlichen Nachrichten überall dominieren. Es wird keine | |
alternative Sichtweise geben.“ Er erzählt, dass kasachische | |
Journalist*innen, die nicht für staatlich kontrollierte Medien arbeiten | |
wollen, Probleme hätten einen neuen Job zu finden. Unabhängige Medien | |
würden wegen der Kürzungen überhaupt keine Leute mehr einstellen. | |
Im Index für Pressefreiheit der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne | |
Grenzen (RGO) für 2024 stehen die Länder Zentralasiens schon jetzt auf den | |
hinteren der 180 Plätze. Am besten in der Region schneidet Kirgistan auf | |
Rang 120 ab, Turkmenistan belegt Platz 175. Da ist immer noch – wenn auch | |
nur wenig – Luft nach unten. | |
Der Autor war Teilnehmer eines Osteuropa-Workshops der taz Panter Stifung. | |
Aus dem Russischen: Barbara Oertel | |
4 Apr 2025 | |
## AUTOREN | |
Nikita Danilin | |
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