| # taz.de -- Streit über Palästina-Solidarität: Ministerium feuert Politaktiv… | |
| > Wegen israelkritischer Äußerungen hat Melanie Schweizer ihren Job im | |
| > Arbeitsministerium verloren. Dagegen wehrt sich die Beamtin auf Probe | |
| > juristisch. | |
| Bild: Melanie Schweizer hat ihren Job im Arbeitsministerium verloren | |
| Berlin taz | Am vergangenen Freitag hat Melanie Schweizer ihr Büro im | |
| Arbeitsministerium geräumt und ihre privaten Dinge mitgenommen. „Fürs | |
| Erste“, schrieb sie dazu auf Facebook. Denn sie habe Widerspruch gegen ihre | |
| Entlassung eingelegt und zuvor schon Widerspruch gegen die negative | |
| Zweitbeurteilung ihrer beamtenrechtlichen Bewährung, mit der diese | |
| begründet wurde. Die 36-jährige Juristin hofft, vor Gericht nachträglich | |
| Recht zu bekommen, dass ihre Entlassung unrechtmäßig war. | |
| Schweizer arbeitete seit Juni 2023 im Bundesministerium für Arbeit und | |
| Soziales (BMAS) als Referentin im Bereich „Wirtschaft und Menschenrechte“, | |
| sie war Beamtin in Probezeit. Darüber hinaus engagiert sie sich [1][für die | |
| Kleinpartei Mera25], zur Bundestagswahl trat sie als deren Direktkandidatin | |
| in Berlin-Mitte an. | |
| Vor allem aber äußert sich Schweizer in den sozialen Medien sehr aktiv zum | |
| Nahostkonflikt. Gaza bezeichnete sie als das „größte Konzentrationslager | |
| der Welt“, den Staat Israel als „rassistisches, genozidales | |
| Apartheidsystem“. Dem taz-Journalisten Nicholas Potter warf sie | |
| „Völkermordpropaganda“ vor und teilte einen [2][diffamierenden Beitrag des | |
| prorussischen Propaganda-Portals „Red“], in dem Potter wahrheitswidrig | |
| unterstellt wurde, er werde von der israelischen Regierung bezahlt. | |
| ## Von der Bild-Zeitung an den Pranger gestellt | |
| Ihre Aktivitäten im Netz blieben nicht unbemerkt. Die rechte | |
| Pro-Israel-Aktivistin Malca Goldstein-Wolf stieß im vergangenen Jahr auf | |
| dem Branchen-Netzwerk LinkedIn auf Schweizers Profil, dem sie ihre | |
| Arbeitsstätte entnahm, und schwärzte sie daraufhin bei ihrem Arbeitgeber | |
| an. Die [3][Bild-Zeitung sprang auf den Zug] und prangerte Schweizer als | |
| „Israel-Hasserin“ an. | |
| Das Ministerium distanzierte sich auf Anfrage der Bild von ihren Aussagen | |
| und erklärte, man habe sie „mit Bestürzung zur Kenntnis genommen“. Sie | |
| stünden „nicht im Einklang mit den Werten unseres Hauses, das sich klar | |
| gegen jede Form von Antisemitismus positioniert“. Zudem suspendierte das | |
| Ministerium die Juristin vom Dienst. Im März folgte die Entlassung. | |
| „Hubertus Heil greift durch“, [4][jubelte das Boulevardblatt]. | |
| „Mir war klar, dass es heikel ist, sich bei diesem Thema so deutlich zu | |
| positionieren“, sagt Melanie Schweizer der taz. Sie hätte das aber mit | |
| ihren Vorgesetzten besprochen – und auch, dass sie sich in ihrer Partei | |
| engagiere. Das sei kein Problem gewesen – bis zu dem Bild-Artikel im | |
| Dezember. | |
| Verstoß gegen das „Mäßigungsgebot“ für Beamte? | |
| Ihr Fall wirft Fragen auf. Denn einer Beamtin kann man eigentlich nicht | |
| kündigen. Man kann sie nur aus dem Beamtenverhältnis entfernen, wenn sie | |
| laut Bundesdisziplinargesetz „durch ein schweres Dienstvergehen das | |
| Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat“. | |
| Aber: Beamte auf Probe können schon dann entlassen werden, wenn sie sich in | |
| der Probezeit nicht bewährt haben. Ein zulässiger Entlassungsgrund ist | |
| dabei, wenn sie ihren Dienst- und Treuepflichten nicht nachkommen – sowohl | |
| im privaten als auch im beruflichen Umfeld. Zu den Beamtenpflichten gehört | |
| das „Mäßigungsgebot“ und das Gebot der Verfassungstreue. Es ist Beamten | |
| jedoch nicht untersagt, sich politisch zu engagieren – das gilt auch für | |
| jene auf Probe. Wie weit das Engagement gehen darf, das ist | |
| Auslegungssache. | |
| Ob Schweizer tatsächlich gegen das Mäßigungsgebot verstoßen hat, wie ihr | |
| Arbeitgeber meint, wird nun Gerichte beschäftigen. „Melanie ist kein | |
| Einzelfall“, heißt es in einer Mitteilung ihrer Partei von Anfang März. | |
| Darin zieht diese Parallelen zum [5][Fall der linken Klimaaktivistin Lisa | |
| Poettinger]. Die wurde vom bayerischen Kultusministerium nicht zur | |
| Lehramtsausbildung zugelassen, weil dem ihr Klimaaktivismus zu radikal war. | |
| Poettinger und ihre Mitstreiter sprechen deswegen von einem „Berufsverbot“. | |
| ## Nicht die Einzige, die ihren Job verloren hat | |
| „Ich bin die erste Beamtin, die in Deutschland aufgrund ihrer | |
| Meinungsäußerungen zu diesem Thema entlassen wurde“, sagt Melanie | |
| Schweizer. Es gibt aber vergleichbare Fälle, die ebenfalls zum Jobverlust | |
| führten: Der Duisburger IT-Fachmann Ahmad Othman arbeitete für die | |
| Landesregierung in Nordrhein-Westfalen und war in der Gruppe „Palästina | |
| Solidarität Duisburg (PSDU)“ aktiv, die vom Innenministerium verboten | |
| wurde. Seine Wohnung wurde deswegen durchsucht, und er wurde zunächst vom | |
| Dienst suspendiert und anschließend entlassen. | |
| Die Hamburger Juristin Marjam Samadzade wiederum arbeitete als | |
| Staatssekretärin im Ministerium für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, | |
| Integration in Schleswig-Holstein. Im Oktober 2023 teilte sie auf Instagram | |
| einen Post der Autorin Alice Hasters, in dem diese den Angriff der Hamas | |
| verurteilte, aber auch Israels Vorgehen im Gazastreifen und die deutsche | |
| Bundesregierung kritisierte. Der Instagram-Post erhielt etwa 23.000 Likes | |
| und wurde von bekannten Politikern, Schauspielern und anderen Personen des | |
| öffentlichen Lebens kommentiert. [6][Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) | |
| feuerte Samadzade daraufhin] und strengte dazu auch noch ein | |
| Disziplinarverfahren gegen ihre ehemalige Mitarbeiterin an. Samadzade wehrt | |
| sich bis heute juristisch dagegen, weil sie darin ein „Nachtreten“ und | |
| einen „Präzedenzfall“ sieht. Sie arbeitet jetzt aber wieder als Richterin, | |
| diesen Job hat sie nicht verloren. | |
| Melanie Schweizer macht sich keine Illusionen, rasch zu einer juristischen | |
| Entscheidung zu kommen. „Bis zur ersten Instanz dauert es mindestens zwei | |
| Jahre“, sagt sie. | |
| 3 Apr 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Varoufakis-Partei-bei-der-Europawahl/!6015388 | |
| [2] /!6075395/ | |
| [3] https://www.bild.de/politik/inland/minister-heil-schockiert-mitarbeiterin-v… | |
| [4] https://www.bild.de/politik/inland/heil-greift-durch-israel-hasserin-verlie… | |
| [5] /Berufsverbot-fuer-Klimaaktivistin/!6069042 | |
| [6] /Ein-seltsamer-Rauswurf-in-Kiel/!5965427 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bax | |
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