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# taz.de -- Der Irrsinn der Tech-Oligarchen: Schäbige Visionäre
> Den Planeten zerstören und dann nichts wie weg: Der frühere Cyberpunk
> Douglas Rushkoff gibt in seinem Buch Einblicke ins Mindset von
> Tech-Oligarchen.
Bild: Private Fluchtfantasien: zum Mars, auf die Insel oder in die Cloud
Berlin taz | Im Cartoon-Universum der „Looney Tunes“ gibt es die grandiosen
Geschichten von Wile E. Coyote und Roadrunner. In den kurzen TV-Episoden
versucht der hinterhältige Kojote immer wieder, den Roadrunner mit seinen
ausgeklügelten Fallen zu fangen. Doch der flinke Vogel schnappt sich jedes
Mal den Köder, ohne dass die Falle zuschnappt und rast mit einem
unbekümmerten „meep-meep“ davon.
Mit jedem Scheitern baut Coyote eine noch größere und komplexere Falle, die
jedoch nie funktioniert. Seine Vorrichtungen gehen ein aufs andere Mal nach
hinten los und er muss sich einer noch größeren Niederlage hingeben.
Für den Medientheoretiker Douglas Rushkoff ist Coyote ein Sinnbild für die
[1][Tech-Milliardäre] und ihre Hybris: „Egal wie schlau sie sind, wie
überlegen sie ihrer Beute sein mögen, wie technologisch fortschrittlich und
finanzstark sie sind und wie gut sie sich auch abschotten mögen: Sie
betrügen sich selbst, wenn sie glauben, sie seien in Sicherheit. Niemand
kann sich den Auswirkungen der eigenen Handlungen auf Dauer entziehen. Am
Ende gehen wir alle gemeinsam in die Falle, die wir selbst gebaut haben.“
## „Survival of the Richest“
Das schreibt Rushkoff in seinem vor zwei Jahren erschienenen Buch „Survival
of the Richest. Warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht einmal auf
dem Mars sicher sind“, das nun auf Deutsch vorliegt. Das Buch könnte kaum
aktueller sein, bedenkt man die gegenwärtige Demontage der amerikanischen
Demokratie, der die Tech-Oligarchen willfährig beiwohnen.
Rushkoffs Ausführungen durchleuchten ihren ideologischen Kern und liefern
ein tieferes Verständnis für deren Größenwahn, der in seinem
Heilsversprechen nur weiter in den ökologischen und gesellschaftlichen
Abgrund führt.
Ausgangspunkt seines Buches war eine Einladung in ein exklusives
Wüstenressort. Entgegen seiner Annahme, dort über Zukunftstechnologien zu
referieren, befragten ihn die Milliardäre zu Spezifika von Luxusbunkern,
wie sie im Falle einer Katastrophe die Kontrolle über ihr
Sicherheitspersonal behalten können und ob Alaska oder Neuseeland am
wenigsten unter dem Klimawandel leiden würde.
Die Gruppe von Männern, der er dort gegenübersaß, sind ihm zufolge in einer
Denkweise gefangen, in der „gewinnen bedeutet, genug Geld zu verdienen, um
sich von dem Schaden abzuschotten, den sie verursachen, indem sie auf diese
Art und Weise Geld verdienen. Es ist als wollten sie ein Auto bauen, das
schnell genug fährt, um seinen eigenen Abgasen zu entkommen.“
## Extraktion, Wachstum und Beherrschung
Diese Geisteshaltung, in der deutschen Übersetzung wird sie wie im
Englischen als „Mindset“ bezeichnet, beschreibt ein stetiges
Vorwärtsstreben, das selbst angesichts der hereinbrechenden Katastrophe der
Agenda aus Extraktion, Wachstum und Beherrschung folgt. Man könnte
einwenden, dass es sich dabei schlicht um das Grundbestreben
kapitalistischen Wirtschaftens handelt.
Der entscheidende Punkt liegt jedoch in dem, was Rushkoff als „Meta gehen“
bezeichnet. Damit sind Abstraktionssprünge gemeint, die im Zeitalter der
digitalen Technologien ungeahnte Höhen erreichen. Mark Zuckerbergs Meta ist
nicht mehr nur eine Social-Media-Plattform, sein Unternehmen möchte mit
Virtual und Augmented Reality vielmehr ein ganzes „Metaverse“ schaffen.
Kryptowährungen ermöglichen Transaktionen ohne Banken und Gebühren. Und
nicht mehr Menschen handeln mit Wertpapieren, sondern Algorithmen, die die
Daten der Handelsplattformen im Hochfrequenztrading verarbeiten.
So geht es längst nicht mehr um Konkurrenz. Für Peter Thiel, Gründer von
Paypal, ist Wettbewerb gar etwas für Verlierer. Die sich als gottgleich
gerierenden Tech-Bros wollen durch ihre technologischen Innovationen selbst
auf die nächste Abstraktionsebene gelangen, wie Rushkoff schreibt: „Stößt
das Wachstum auf einer Ebene an seine Grenzen, so können einige wenige
Glückliche den Sprung auf die nächste Abstraktionsebene wagen.“
Rushkoff wird an diesem Punkt jedoch widersprüchlich. Denn für den Fall,
dass der von ihnen auf der Erde hinterlassene Schaden zu groß wird, ergehen
sich die [2][Tech-Oligarchen] in keineswegs abstrakten Hirngespinsten. Elon
Musk träumt von der Flucht auf den Mars, während Peter Thiel sich auf seine
schwimmenden Städte retten und KI-Entwickler Ray Kurzweil sein Bewusstsein
in die Cloud hochladen will.
## Advokat eines digitalen Humanismus
Als einstiger [3][Cyberpunk-Aktivist] in den Anfangstagen des Internets und
Advokat eines digitalen Humanismus richtet Rushkoff den Blick in seinen
pointierten und fundierten Überlegungen ebenso auf die Ursprünge des
Silicon Valley wie auf einen aus der Aufklärung resultierenden
„materialistischen Szientismus“ dessen blinde Technikgläubigkeit dem
„Mindset“ genauso zugutekomme wie der Einfluss der Alt-Right-Bewegung.
Peter Thiels Aussage, Freiheit sei mit Demokratie nicht vereinbar, verträgt
sich blendend mit den Umsturzfantasien, die im Weißen Haus gerade unter
reger Beteiligung eines Elon Musk zur Realität werden.
Der einzige Lichtblick in diesem Irrsinn ist die Gewissheit, dass Musk und
seinesgleichen gerade rege daran arbeiten, bald nicht mehr als große
Visionäre gefeiert zu werden.
29 Mar 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Tobias Obermeier
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