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# taz.de -- Fashion Awards ITS in Triest: Sie alle wollen die Welt retten
> Beim italienischen „International Talent Support 10x10x10 Creative
> Excellence Award“ in Triest werden zehn junge Modedesigner:innen
> prämiert.
Bild: Ein Kleid von Naya El Ahdab, ein Hut zum Regensammeln von Mijoda Dajomin,…
Die jungen Designer, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht sieht“,
sagt Dame Zandra Rhodes, [1][„sie wollen alle die Welt retten. Aber wen
wundert das?“] Die britische Mode- und Textildesignerin wurde Ende der
1960er Jahre durch ihre knallig bunten, schrillen Muster berühmt. Und
durch ihre Zusammenarbeit mit [2][Freddie Mercury und seiner Band Queen].
Inzwischen ist die 2014 zur „Dame Commander of the Order of the British
Empire“ ernannte Designerin 84 Jahre alt und ihr Einfluss auf die Modewelt,
ob Haute Couture oder Massenproduktion, nicht zu unterschätzen. Mit ihrem
neonroten Punk-Bob war sie als Teil der Jury beim ITS Contest 2025 in
Triest nicht zu übersehen. Die jungen Designer sind die zehn Finalisten,
von denen jeder den mit 10.000 Euro dotierten 10x10x10 ITS Creative
Excellence Award gewonnen hat.
Der Name erklärt sich dadurch, dass der Wettbewerb erstmals in der über
zwanzigjährigen Geschichte des International Talent Support als
Gemeinschaftserlebnis gefeiert wurde. Die aus rund 900 Einreichungen aus 75
Ländern ausjurierten zehn Absolventen wurden zur Zusammenarbeit in einem
zehntägigen Workshop mit wichtigen Experten und Designern der
internationalen Modewelt eingeladen. Zehn Monate lang, bis zum 4. Januar
2026, werden ihre Entwürfe in der ITS Academy – Museum of Art in Fashion
nun zu sehen sein.
## Extravagant ums Überleben kämpfen
Ums Überleben in einer kaum noch zu rettenden Welt geht es Mijoda Dajomi
mit ihren „Daughters of Rain“. Mit ihren hoch aufragenden Kopfbedeckungen
treten sie wie Königinnen ins Freie, wo sie, sobald es regnet, mit ihren
steilen Hüten ganz demütig jeden Tropfen aufzufangen versuchen. Die Hauben,
die die Designerin, abgeleitet von ihrer Funktion, als Rucksack für den
Kopf bezeichnet, können 500, 800, 2.000 oder sogar 5.000 ml der
unersetzlichen Frischwasserquelle auffangen.
Mijoda Dajomi stammt aus Bayern, studierte in Berlin Modejournalismus, ging
dann aber nach London, wo sie sich am London College of Fashion auf
Hutdesign spezialisierte. „Daughters of Rain“ ist ihr Masterabschluss.
Vielleicht nicht der Rettung, aber der Verbesserung der Welt gelten die
Entwürfe von Naya El Ahdab, die an der Parsons Paris studiert hat und rund
um die Uhr im Rollstuhl sitzt.
Aus dieser Erfahrung entwirft sie Kleidung, die einer deformierten
Silhouette schmeichelt, indem sie mit ihr arbeitet und sie auch
herausstellt, wie ihre Korsetts aus Plexiglas zeigen. Sie fragt: Was
passiert, wenn ein Kleidungsstück mit einem krummen Körper in Berührung
kommt? Und die Antwort ihrer Entwürfe, in denen sie sich auf die
Modeschöpferin Madame Grès und deren Liebe zu fließendem Seidenjersey,
skulpturalen Formen und Asymmetrie bezieht, lautet: Es geschieht pure
Eleganz.
## Mit Accessoires gegen den Schmerz streicheln
Die Accessoire- Serie „Un-Brush“ der chinesischen Modemacherin Cindy
Zhaohan Li dient augenscheinlich der Steigerung des individuellen
Wohlbefindens. Ihre tragbaren Körperbürsten aus Ross- oder Ziegenhaaren
wirken auf den ersten Blick wie großartiger, großformatiger Schmuck und
entpuppen sich auf den zweiten Blick als famoses Sinneswerkzeug.
Mit den in weiche organische Holzformen eingelassen Borsten lassen sich
Schmerzen wegstreicheln, und mit den gebündelten hellen, langen Rosshaaren
ist die Müdigkeit wie weggeblasen, sobald man mit ihnen ein wenig durch die
Luft wirbelt. Neben dem Creative Excellence Award wurden noch der ITS
Fashion Film Award an Meret Olympia Salome Baer und die ITS Jury’s
Rewarding Honour an Maximilian Raynor vergeben.
Weitere Preise in Form von Einladungen und Weiterbildungsangeboten lobten
wichtige Stiftungen und Institutionen der italienischen Modeindustrie aus.
Dass die Einladung nach Triest ein Karriereversprechen ist, zeigt die Short
List der früheren Finalisten mit ihren heutigen Positionen. Matthieu Blazy
ist heute Chefdesigner von Chanel und [3][Demna] in dieser Funktion gerade
von Balenciaga zu Gucci gewechselt.
Man könnte sich also eine Ausstellung vorstellen, die ihre Entwicklung von
der ITS-Einreichung bis zu ihren aktuellen Entwürfen nachzeichnet. Die neu
eröffnete Museumsschau „Fashionlands. Clothes Beyond Borders“ bekennt sich
zur Grenzüberschreitung der Mode. Will auch sie die Welt retten, in der
momentan alle Grenzen dicht gemacht werden?
## Die Natur der Mode ist grenzüberschreitend
Die Grenzüberschreitung liegt in der Natur der Mode, die weder Tradition
noch Religion kennt und die ihre Inspiration auf allen Kontinenten und zu
allen Zeiten findet. In modischer Kleidung stecken immer Elemente von
mindestens drei oder mehr Kulturen, sagt Emanuele Coccia, Professor für
Philosophiegeschichte an der École des hautes études en sciences sociales
in Paris, der mit Olivier Saillard, ehemals Direktor des Pariser
Modemuseums, die Schau kuratiert hat.
Grenzüberschreitend und universell sind auch bestimmte einfache Formen, die
sich in den letzten 150 Jahren in der Mode herausgebildet haben, wie sie im
Hemd, im Trench oder im Sneaker verkörpert sind. Gewöhnliche Mode, wie die
Kuratoren sagen, die klassenlos und letztlich auch geschlechtslos zur Welt
kam. Mode geht nicht in Luxus auf. Wenn heute jedes bessere Label versucht,
wie Hermès zu sein, dann ist das ein großer, bedauerlicher Irrtum.
Denn sobald Mode zu Luxus wird, verliert sie ihre kulturelle Macht und
verharrt in den Grenzen von Distinktion und Hierarchie. Das heißt aber
nicht, dass die Mode nicht auch den Luxus, die Verschwendung, das
Außergewöhnliche feiert. Auch das gehört zur Grenzüberschreitung. Und so
geht es in der Ausstellung einerseits um außergewöhnliche Mode, die es uns
ermöglicht, unser Traumleben im Alltag zu genießen, und auf der einen Seite
um die gewöhnliche Mode, die Basics unserer Garderobe.
Das Gewöhnliche ist in sachlich-strengen, exquisit gedruckten
Schwarz-Weiß-Fotografien an der Wand zu sehen, das Außergewöhnliche,
verkörpert in ausgesuchten Entwürfen der Finalisten der letzten Jahre,
kunstvoll beleuchtet an Kleiderpuppen und in Vitrinen. Die Exponate sind
bemerkenswert, ungewöhnlich in Form und Material, das häufig nur
Abfallprodukt der Modeindustrie ist. Die Übersetzung einzelner Elemente der
Basics in geradezu barock anmutende Pracht ist hier und da
nachzuvollziehen.
Meist aber bleibt diese von den Kuratoren als grundlegend erachtete
Grenzüberschreitung unsichtbar und damit Behauptung, hinter grandiosen
Entwürfen, in denen eine von kommerziellen Erwägungen völlig freie
Kreativität Gestalt annimmt.
Die Recherche zu diesem Bericht wurde von den ITS Awards unterstützt.
24 Mar 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Mode
Fashion
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Kolumne Economy, bitch
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