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# taz.de -- Eröffnung der Leipziger Buchmesse: Eigentlich kommt im Frühling d…
> In Leipzig wurde am Mittwoch die Buchmesse 2025 eröffnet. Trotz düsterer
> Weltlage werden das Buch und die Literatur gefeiert. Gastland ist
> Norwegen.
Bild: Alhierd Bacharevič am Mittwochabend im Leipziger Gewandhaus
„Worte bewegen Welten.“ Man hat sich nicht weit aus dem Fenster gelehnt,
bei der Mottofindung für die größte Buchmesse Deutschlands scheint
größtmögliches Subsumptionspotenzial das Kriterium gewesen zu sein.
„Who’s still reading“, die Parole der letzten Leipziger Buchmesse, künde…
von der gleichen Verlegenheit. Thematisch einen Schwerpunkt setzen eher die
Preisträger:innen des Leipziger Buchpreises zur Europäischen
Verständigung. In diesem Jahr wurde [1][der belarussische Autor Alhierd
Bacharevič für seinen Roman „Europas Hunde“ ausgezeichnet.]
Sein Romantitel ist einem Gedicht W. H. Audens entlehnt: „In the nightmare
of the dark / All the dogs of Europe bark“. In „Europas Hunde“ folgen auf
Minsker Alltag mythologische Szenen, folgt Dystopisches aus einem
großrussischen Reich. Laudatorin Sieglinde Geisel lobt bei der
Preisverleihung am Mittwochabend im Gewandhaus den sprachlichen Übermut
Bacharevič’ und macht darauf aufmerksam, dass der Roman bei Erscheinen 2017
in Belarus noch als „Buch des Jahres“ gefeiert wurde.
## Sprache und Zeit
Mittlerweile hat das autoritäre Lukaschenka-Regime den Roman in Belarus
verbieten lassen. Dabei gebe es darin keine Aufrufe zur Revolution. „Wahre
Literatur spricht nicht über Lukaschenka oder Putin“, sagt Alhierd
Bacharevič in seiner Dankesrede. „Wahre Literatur spricht über Sprache und
über Zeit.“ Und nichts fürchteten Tyrannen so sehr wie die Zukunft.
Bacharevič versteht sich als europäischer Erzähler. Doch die europäische
Romankunst sei heute bedroht, sagt er. Der moderne Mensch habe auf
Komplexität, Tiefe und Experiment scheinbar „immer weniger Lust“.
Wovon Literatur und Kultur ganz praktisch bedroht ist, spricht Claudia Roth
an. Literatur dürfe kein Spielball sein von Rechtsextremen, sagt die
scheidende Grüne Kulturstaatsministerin. Dass man sich in der Leipziger
Innenstadt auf einer roten Insel inmitten blau-braun tosenden Fluten
befindet (37 Prozent holte die AfD in Sachsen), bleibt ansonsten merkwürdig
unerwähnt.
Barbara Klepsch, Kulturstaatsministerin des Freistaats (CDU), verweist auf
die lange Literaturtradition ihres Bundeslandes, in dem die Nibelungensaga
und die Lutherbibel (!) entstanden. Diese Tradition lasse sich nur
fortführen, wenn „wir die Weiterbildung der jungen Generation fördern“,
schließt sie.
## Wo ist Olaf Scholz?
Klepsch reiste als Vertretung für Ministerpräsident Michael Kretschmer
(CDU) an, der sich aktuell zwecks Koalitionsverhandlungen in Berlin
befindet. Und auch sonst war im Vergleich zu 2024, als Olaf Scholz bei der
Eröffnung auftrat, eher die zweite Reihe an politischem Personal vertreten.
Neben Kretschmer sagte auch die norwegische Kronprinzessin Mette-Marit ihre
Teilnahme wegen Krankheit ab.
Die Weltlage ist düster, Demokratie in Gefahr, darin sind sich die
Redner:innen einig. Eigentlich komme im Frühjahr das Licht zurück, sagt
Lubna Jaffery, Kulturministerin des Messe-Gastlands Norwegen. Momentan
fühle es sich jedoch eher wie Dunkelheit an. Karin Schmidt-Friderichs,
Vorsteherin vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, bricht die Stimme
weg, als sie an [2][den inhaftierten algerischen Schriftsteller Boualem
Sansal] erinnert, der nun zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt
wurde.
Alles in allem bleibt die Eröffnung ein Festakt. Das Gewandhausorchester
unter der Leitung von Omer Meir Wellber spielt Bach und Grieg,
Lesebegeisterte feiern das Buch. Zum Schmunzeln bringt das Publikum die
Bemerkung Burkhard Jungs, die USA werden von einem Präsidenten regiert, den
schon „der Geruch von Büchern“ müde mache. Leipzigs Oberbürgermeister
erhofft sich jedenfalls einen politischen Diskurs anlässlich dieses „Festes
des Buches“. „Funken schlagen“ solle es gar, wünscht sich der
SPD-Politiker.
27 Mar 2025
## LINKS
[1] /Preis-fuer-belarussischen-Schriftsteller/!6074424
[2] /Algerischer-Schriftsteller-in-Haft/!6054808
## AUTOREN
Julia Hubernagel
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