# taz.de -- Artefakte aus Alaska in Bremen: Eine alte Sammlung wieder zum Leben… | |
> In der Ausstellung „Beseelte Dinge – Die Tlingit Sammlung aus Alaska“ | |
> zeigt das Bremer Übersee-Museum Artefakte einer indigenen Kultur. | |
Bild: Die Tlingit glauben, dass ihr auch heute eine Macht innewohnt: Tanzmaske,… | |
Bergziegenwolle und Gelbzedernbast zusammengesponnen und die Fäden dann zu | |
komplexen Mustern und dem Wappen eines Clans verwoben: Die Chilkat-Decke | |
sieht so neu aus, als wäre sie gerade erst fertiggestellt worden. Doch | |
schon im Jahr 1883 überließen Arthur und Aurel Krause sie dem Überseemuseum | |
in Bremen. Die beiden Brüder hatten sie aus Südost-Alaska mitgebracht, von | |
einer Expeditio, die sie unternahmen, um die damals vermeintlich | |
aussterbende Kultur der Tlingit zu dokumentieren. Vor ein paar Wochen, im | |
Februar, wurde die Decke in Bremen David Light, dem Ältesten des | |
Gaanaxteidi-Clans, um die Schultern gelegt: Das sollte sie spirituell neu | |
erwecken. | |
In der Zeremonie am Vorabend der Ausstellungseröffnung wurden auch viele | |
andere nun im Überseemuseum ausgestellte Artefakte von angereisten | |
[1][Tlingit]-Repräsentanten durch Gesänge und Tänze wieder mit ihren | |
Wurzeln verbunden; für die Angehörigen dieser indigenen Völker tragen diese | |
Objekte die Geister ihren Ahnen in sich. | |
Diese Versöhnung der damals [2][im Geiste des kolonialen Denkens] | |
gesammelten und dann ausgestellten Objekte mit der bis heute lebendigen | |
Kultur, der sie entstammen, ist ein gutes Beispiel dafür, wie | |
fortschrittliche Museumsarbeit aussehen kann. In einem gemeinsamen | |
Forschungsprojekt haben ein Bremer Team unter der Leitung der Kuratorin | |
Claudia Koch, Vertreter der Tlingit sowie der in Alaska arbeitende | |
Ethnologe Chuck Smythe die Bremer Sammlung untersucht. Daraus wurde die | |
kleine Ausstellung [3][„Beseelte Dinge – die Tinglit-Sammlung aus Alaska“… | |
zu sehen im nur zwei Räume umfassenden „Kabinett Übersee“ des Hauses. | |
## Lebendige Kultur | |
Dabei wurden schamanistische Objekte, etwa eine Maske oder eine Rassel mit | |
zwei Rabenköpfen, denen für die Tlingit immer noch eine große Macht | |
innewohnt, durch eine Trennwand vom Rest der Ausstellung separiert: Die | |
Besucherin soll sie nicht im Vorbeigehen, nebenbei, mit dem Blick streifen. | |
Nein, diese Objekte soll nur wahrnehmen, wer sich ihnen ganz bewusst | |
zuwendet. | |
Das Sounddesign der Ausstellung besteht aus leisen Trommelrhythmen, | |
eingespielt von Joe Zuboff, Vertreter des Deisheetaan-Clans, bei seinem | |
Besuch in Bremen. Er fand in der Sammlung einen aus Meteoreisen gefertigten | |
Dolch, der den Deishataan gehörte; zur spirituellen kam da also noch eine | |
familiäre Verbindung. | |
Zu der Sammlung gehören neben einem aufwendig ausgeführten Lederpanzer, | |
besetzt mit den Knöpfen einer westlichen Marineuniform, aber auch | |
chinesischen Lochmünzen, ein hölzerner Schöpflöffel sowie ein | |
Tanzkopfschmuck mit der Schnitzerei eines Vogelkopfes. Wie diese Objekte | |
einst in den Besitz der europäischen „Sammler“ kamen, zu denen auch der | |
Pelzhändler Bernhard Bendel gehörte, und wie diese sie wiederum | |
interpretierten, das dokumentieren nun Briefe und einige Seiten aus | |
zeitgenössischen Tagebüchern. Was die Tlingit selbst heute zu der Sammlung | |
zu sagen haben, vermitteln Hör- und Bildstationen. | |
Die Nachbildung eines neu gebauten Clanhauses macht auch deutlich, dass die | |
damals, im späten 19. Jahrhundert, totgesagte Kultur der Tlingit heute noch | |
lebendig ist und gepflegt wird. So sind in mehr als einem Sinne die Dinge | |
in dieser Sammlung, einer der ältesten des Museums überhaupt, immer noch | |
lebendig. | |
7 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Hamburger-Deichtorhallen/!6032020 | |
[2] /Rueckgabe-von-Beutekunst/!6084450 | |
[3] https://www.uebersee-museum.de/kabinettausstellung-beseelte-dinge-die-tling… | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
## TAGS | |
Übersee-Museum | |
Deutscher Kolonialismus | |
Alaska | |
Kolonialismus | |
Bremen | |
Lesestück Meinung und Analyse | |
Schwerpunkt Stadtland | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Tagung in Bremen: Kolonialismus und Meer | |
Dekolonisation betrifft alle Gesellschaftsbereiche. Eine Tagung betrachtet | |
die Rolle der Küstenregionen für den Kolonialismus und seine Überwindung. | |
Umgang mit Kolonialgeschichte: Zeugen der Verbrechen | |
Koloniale Ausbeutung machte Bremen und Hamburg reich. Eine | |
Dekolonialisierung, die den Namen verdient, muss daran erinnern. | |
Provenienzforscherin über Raubkunst: „Haben so einiges aufzuarbeiten“ | |
Ute Haug hat als Provenienzforscherin in Hamburg mit Raubkunst zu tun. | |
Schwierig wird es, wenn die eine NS- und koloniale Vergangenheit hat. |