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# taz.de -- Neues Album von Albrecht Schrader: Zwanzig Jahre Nikotin
> Eine Kunst hinter der Selbstvermarktung ist möglich. Albrecht Schraders
> selbstbetiteltes neues Album ist eine Liebeserklärung ans Musikmachen.
Bild: Händchen für wunderschöne Kompositionen: Albrecht Schrader
„Momentan fühlt es sich an, als würde man neue Songs beim Veröffentlichen
in einen digitalen Abgrund werfen … das Einzige, was man hört, ist der
dumpfe Aufprall, wenn das Lied auf dem Boden aufschlägt“, Das schrieb
kürzlich [1][die Künstlerin Stella Sommer] in den sozialen Medien. Damit
Musik überhaupt bei den Hörer:innen ankommt, müssen Bands und
Solist:Innen mehr tun, als sie nur zu veröffentlichen. [2][Zusätzlich
sind sie auch noch Promo-Expert:innen, Netzwerker:innen und kennen
Eigenheiten von Tiktok- und Spotify-Algorithmen].
Unter forcierten kapitalistischen Umständen wie diesen tritt Musikmachen
fast in den Hintergrund: [3][„Ist Musik noch unser Ding?“, fragt darum auch
der Hamburger Künstler Albrecht Schrader und nimmt diese berechtigte Frage
als Titel eines Songs mit auf sein neues Album „Albrecht Schrader“.]
Darin allerdings ohne Fragezeichen, denn Schraders Antwort lautet wohl: ja.
Um diese zu vernehmen, gilt es auf das Zusammenspiel von Text und
Arrangement zu achten, denn dann wird aus der im Raum stehenden Frage eine
Liebeserklärung. Ans Musikmachen, ans Künstlerdasein per se. Dafür hat
Schrader viele Gäste eingeladen. Unter anderem Dirk von Lowtzow – der
Erste, der Schraders Einladung zur Zusammenarbeit für diesen Song
angenommen hat, bevor weitere, wie Rocko Schamoni, Saskia Lavaux
(Schrottgrenze) und Resi Reiner folgten.
Mit Blick auf das allgemeine Weltgeschehen oder eine kreativitäts- und
eigensinnigkeitsfeindliche Musikbranche wäre es momentan nur
nachvollziebar, würde man sich dem Zynismus hingeben. Doch genau dagegen
wehrt sich Albrecht Schrader. Auch in seiner Musik. Selbst dann, wenn er in
Sorge auf sein Heimatland schaut, über „Gefühle in Deutschland“ sinniert
und singt: „Gefühle in Deutschland / Stauen sich an / Wollen hinaus /
Bleiben hinter Fenstern kleben / Müssen sich / Über alles erheben / Gefühle
in Deutschland / Bleiben zu Haus.“
Dazu erklärt der Komponist: „Ich möchte mir nicht anmaßen, das Wesen der
deutschen Gefühle damit auf den Punkt gebracht zu haben. Aber es hat für
mich zwei Aspekte, die, wie ich glaube, sehr den hiesigen Gefühlswelten
entsprechen. Und das ist einmal die Verbitterung im Einzelnen und ein
Sichreinbeißen. Und es ist dieses sehr ambivalente Aufgehen in der Menge.
Beides ist mir bekannt, beides kann sehr gefährlich werden“.
## In sich gekehrt und nach außen dringend
Neben einem Händchen für wunderschöne Kompositionen sticht auf seinem neuen
Album eines von Schraders Talenten besonders hervor. Der 41-Jährige ist ein
feiner Beobachter dessen, was um ihn herum geschieht. Einer, der Verhalten
hinterfragt – auch sein eigenes – dabei aber nie überheblich oder
verletzend wirkt.
Egal, ob er über Musik selbst, Kindheitsfreundschaften oder über das
Rauchen nachdenkt – auch Letzteres erfährt auf „Albrecht Schrader“ eine
ambivalente Liebeserklärung, wenn es beispielsweise heißt „Erst das
Goldpapier / Dann die Zigarette / Zwischen Zeige- und Mittelfinger / Bei
der ersten kratzt es immer / Lass mich auch noch einmal ziehen / Zwanzig
Jahre Nikotin.“
Es ist eine eigenwillige Art von Introspektion, mit der Schrader an seine
Musik herantritt, die ihr in gleichen Teilen etwas in sich Gekehrtes
verleiht, aber auch den Drang vermittelt, nach außen treten und gesehen und
gehört werden zu wollen. „Meine Songs entstehen sehr intuitiv. Einmal,
zweimal pro Jahr, blockiere mir im Kalender einige Tage. Bin ganz alleine
mit meinen Ideen, die sich übers Jahr ansammeln, und schreibe ich Lieder.
Im Nachhinein verstehe ich dann erst so richtig, worum es mir da ging“,
fasst Schrader selbst seine Methodik beim Songwriting zusammen.
Mit jeder Faser, jedem Ton widersetzt sich Albrecht Schrader allem, was
mittlerweile von Musik verlangt wird. Sein Album funktioniert als Ganzes,
die Schönheit der Songs lässt sich nicht begreifen, hört man nur Snippets,
drei Sekunden des Anfangs, des Endes und der Mitte. Es sind kleine
Geschichten, die einen begleiten, auch dann, wenn sie schon an ihrem Ende
angekommen sind. Man kann sie sich zu eigen machen, sich selbst darin
finden und verlieren.
4 Mar 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Johanna Schmidt
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