| # taz.de -- Israels Krieg im Gazastreifen: Hunderte Tote nach zwei Tagen israel… | |
| > Israel setzt seine neuen Angriffe im Gazastreifen fort. Ihre arabischen | |
| > Verbündeten stoßen Netanjahu und die USA damit vor den Kopf. | |
| Berlin taz | Am Mittwoch [1][setzte Israel seine neuen Angriffe im | |
| Gazastreifen fort]. Das israelische Militär forderte die Menschen im Norden | |
| und im Süden mittels Flugblättern dazu auf, die Kampfgebiete zu verlassen. | |
| Über 400 Menschen sollen laut der Gesundheitsbehörde der Hamas seit Montag | |
| getötet worden sein, darunter viele Frauen und Kinder. Mindestens ein | |
| ausländischer UN-Mitarbeiter soll außerdem bei einem Angriff auf einen | |
| UN-Standort getötet und mindestens fünf weitere sollen verletzt worden | |
| sein. Die israelische Armee streitet den Angriff ab. „Das kann kein Unfall | |
| sein“, sagt hingegen Moreira da Silva, der Exekutivdirektor des Büros für | |
| Projektdienste (Unops). | |
| Neben Luftangriffen hat Israels Armee eigenen Angaben zufolge am Mittwoch | |
| auch wieder eine Bodenoffensive im Gazastreifen begonnen. Ziel sei es, eine | |
| Pufferzone zwischen dem Norden und dem Süden des Gebiets zu schaffen, | |
| teilte das israelische Militär mit. Diese „begrenzte“ Operation im Norden | |
| des Küstengebiets diene dazu, den sogenannten Netzarim-Korridor wieder | |
| einzunehmen, so die Streitkräfte am Mittwoch. | |
| Die Waffenruhe ist Geschichte, seit Israel am Dienstag damit begonnen hat, | |
| den Gazastreifen erneut zu bombardieren. Während die israelische Armee von | |
| „Hamas-Zielen“ spricht, die sie ins Visier nimmt, gehen andere Bilder um | |
| die Welt. Sie zeigen überforderte Krankenhäuser in Gaza, in die zahlreiche | |
| schwer verletzte Kinder eingeliefert werden. Wieder werden ganze Familien | |
| ausgelöscht, und erneut befinden sich Tausende auf der Flucht, die meisten | |
| zum wiederholten Male. Seit 18 Tagen lässt der israelische Premier Benjamin | |
| Netanjahu zudem alle [2][Hilfslieferungen in den Gazastreifen] blockieren. | |
| Menschen drängen sich wieder bei der Essensausgabe und winken mit leeren | |
| Schüsseln, in der Hoffnung, etwas zu ergattern. | |
| ## Waffenstillstands-Deal ist Makulatur | |
| Netanjahu spricht davon, dass das „nur der Anfang“ sei. Er halte an seinem | |
| Ziel fest, [3][die letzten israelischen Geiseln zu befreien] und die Hamas | |
| zu „vernichten“. Damit kündigt Netanjahu das Waffenstillstandsabkommen auf, | |
| das er selbst und die Hamas unter arabischer Vermittlung und mit | |
| US-Garantien unterschrieben hatten und das am 19. Januar in Kraft getreten | |
| war. Dessen Umrisse lagen bereits seit letztem Sommer vor – der damalige | |
| US-Präsident Joe Biden hatte es zusammen mit Israel erarbeitet und als | |
| „US-Vorschlag“ bezeichnet. Die Hamas hatte damals nach erstem Zögern | |
| zugestimmt. | |
| Der Deal lautete: eine Waffenpause, in deren ersten beiden Phasen die | |
| israelischen Geiseln mit palästinensischen Gefangenen ausgetauscht werden | |
| sollten. In einer dritten Phase sollte der Wiederaufbau des Gazastreifens | |
| beginnen. Die erste Phase wurde vor zwei Wochen mit der Freilassung von 25 | |
| israelischen Geiseln und den sterblichen Überresten von 8 weiteren im | |
| Austausch mit fast 2.000 palästinensischen Gefangenen abgeschlossen. Für | |
| die zweite Phase waren ein vollständiger Rückzug der israelischen Armee und | |
| ein permanenter Waffenstillstand verabredet. Als die Verhandlungen über | |
| diese zweite Phase ins Stocken gerieten, bot die Hamas an, alle Geiseln auf | |
| einen Schlag freizulassen, wenn sich Netanjahu zum Rückzug und einem Ende | |
| des Krieges verpflichtete. | |
| Darauf wollte sich Netanjahu nicht einlassen: Er fürchtete, seine | |
| ultrarechte Koalition könnte auseinanderfallen. So begann er, mit Steven | |
| Witkoff, dem US-Gesandten des US-Präsidenten Donald Trump, der Hamas neue | |
| Bedingungen zu diktieren: Die erste Phase des Waffenstillstands sollte | |
| verlängert werden, weitere Geiseln sollten in dieser Zeit freigelassen | |
| werden. Als Gegenleistung bot er nicht einmal die Freilassung von | |
| palästinensischen Gefangenen an. Und die zweite Phase des Abkommen wollte | |
| er auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. | |
| ## Arabische Staatschefs sind düpiert | |
| Es war klar, dass die Hamas diese Bedingungen nicht annehmen würde; sie | |
| sprach von Sabotage. Israelische Medien bestätigen, dass es Netanjahu nicht | |
| ernst meinte. Denn der Beschluss, die Offensive wieder aufzunehmen, wurde | |
| schon vor einer Woche gefällt – also in einer Zeit, in der die arabischen | |
| Unterhändler mit Vertretern der Hamas, Israels und den USA in Katar | |
| verhandelten, um zu retten, was noch zu retten schien. | |
| Die arabischen Unterhändler sind darüber mehr als verärgert. Ägypten | |
| bezeichnet die neuen israelischen Angriffe als „eklatante Verletzung“ des | |
| Waffenstillstandsabkommens. Auch Katar und Saudi-Arabien und selbst die | |
| Arabischen Emirate – Israels derzeit wohl engste arabische Verbündete – | |
| verurteilen die Angriffe scharf. Hinter den Kulissen dürften noch | |
| deutlichere Worte fallen. Erst vor zwei Wochen legten sie bei einem | |
| arabischen Gipfeltreffen in Riad einen Plan für die Zukunft des | |
| Gazastreifens vor, in dem die Hamas keine Rolle mehr spielen sollte. | |
| Doch dieser Plan ist nun erst einmal hinfällig, und die arabischen | |
| Staatschefs fühlen sich düpiert – auch von Trump, der im Voraus von Israels | |
| Angriffen informiert war und sie nicht verhindert hat. Israel bringt damit | |
| jene arabischen Länder gegen sich auf, mit denen es diplomatische | |
| Beziehungen unterhält, und auch Trump stößt seine wichtigsten | |
| US-Verbündeten in der Region damit vor den Kopf. Das dürfte sich | |
| langfristig als großer Schaden erweisen. | |
| ## Was die Hamas erst groß gemacht hat | |
| Und was kann Netanjahu damit erreichen, dass er zum Krieg zurückkehrt? | |
| Außer seine ultrarechten Koalitionspartner wieder an Bord zu bringen, | |
| darunter den Rechtsaußen Itamar Ben-Gvir, der nun wieder „Minister für | |
| Sicherheit“ ist und dessen ultranationale Partei ihm die nötigen Mehrheiten | |
| verschaffen kann? An die Befreiung der Geiseln glaubt er wohl selbst nicht. | |
| Ihre Angehörigen fürchten nun wieder aufs Neue um deren Leben. Hätte sich | |
| Netanjahu auf die zweite Phase des Waffenstillstands eingelassen, wären sie | |
| wohl kampflos freigekommen. | |
| Und wie will Netanjahu es erreichen, dass die Hamas kapituliert oder | |
| „vernichtet“ wird? Dieses Ziel hat er nach 15 Monaten Krieg nicht erreicht. | |
| Zwar wurde die Hamas zweifelsohne geschwächt. Sie wird in Zukunft, wenn es | |
| nach dem arabischen Wiederaufbauplan geht, in Gaza wahrscheinlich keine | |
| tragende Rolle mehr spielen. Doch alle Militärgewalt kann nicht verhindern, | |
| dass sie im Untergrund weiterlebt und sich sogar neu organisiert. Denn | |
| solange in Gaza die Bedingungen herrschen, die zu ihrer Gründung geführt | |
| haben, und Israel womöglich zu einer direkten Besatzung des Gazastreifens | |
| zurückkehrt, wird die Idee eines militanten Widerstands florieren. | |
| Unter diesen Bedingungen ist die Hamas entstanden und groß geworden, und | |
| dieselben Bedingungen werden ihr weiter Zulauf bescheren. Selbst wenn | |
| Israel jetzt noch einmal Tausende Palästinenser tötet und noch einmal | |
| Tausende zum wiederholten Male aus ihren Häusern vertreibt: qualitativ | |
| verschiebt sich damit nichts, solange nicht ernsthaft über die Rechte der | |
| Palästinenser verhandelt wird. Daran wird auch Netanjahus neueste Offensive | |
| nichts ändern. | |
| 19 Mar 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Karim El-Gawhary | |
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