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# taz.de -- Autofiktionale Bücher über Geld: Von Schuld und Schulden
> Isabelle Graw und Hans-Christian Dany stellen in Hamburg ihre jüngsten
> Bücher vor. Es geht darin um Geld, Kunst und das Privatleben.
Bild: Wohlstandsquelle: Auch einige Hamburger U-Bahn-Stationen verantworteten H…
„Du kannst schreiben, was du willst“: Darauf schnurrt das Angebot zusammen,
das [1][Hans-Christian Dany] von einem Anrufer unterbreitet bekommt. Dany
lebt als Künstler in Hamburg, sagt er selbst – aber auch, dass er schon
lange im Urlaub sei „von dem, was er tun soll“. Insofern ist das Schreiben
hier auch eine Ersatzhandlung, verwoben schon mal mit schlechtem Gewissen,
zuverlässig Quell für Selbstzweifel auch.
[2][Ein umtriebiger Typ, dieser Dany], der sich gerne als Zaungast des
Kunstbetriebs darstellt. Er kuratiert, zum Beispiel zusammen mit Valérie
Knoll eine [3][Ausstellung zum Dandy]. 2020 unter die
Pandemiebekämpfungsräder geraten, wurde daraus dann wenigstens noch [4][ein
Buch]. Über „Kybernetik und Kontrollgesellschaft“ hat er geschrieben, über
[5][„Gesellschaft auf Speed“], und über [6][die „MA-1“, die Mutter all…
Bomberjacken]; mit dem Dreh, dass wir es ausgerechnet bei diesem
Outfit-Standard der Baseballschlägerjahre mit Nylon gewordener Demokratie
zu tun haben. Einer, der gut ist für originelle Blicke also.
Von Kunst und Geld, von jeweils davon geprägten Lebensweisen, von
Familiengeschichte und ihrer Verarbeitung, sodass auch Nichtbeteiligte es
mit Gewinn lesen: Mit „Schuld war mein Hobby. Bilanz einer Familie“ war er
in der Verlosung für den Hamburger Hubert-Fichte-Preis 2024, hatte [7][aber
gerade das Nachsehen gegenüber Mirko Bonné]. Vom Jury-Mitglied Oskar
Piegsa, Die Zeit, ist aber die schöne Formulierung überliefert: „[8][Wer
braucht 800 Seiten], um vom Niedergang einer Kaufmannsfamilie zu erzählen?
Hans-Christian Dany reichen knapp 130.“
## Deutsche Schuld
Schreiben, was du willst, und sogar anständig bezahlt werden dafür
(zumindest, wenn man dafür nicht so elend lange braucht, wie Dany es sich
selbst attestiert): Ein Galeristensohn aus dem Rheinland, so viel erfahren
wir dann doch, bereitete die Bühne, die zu seinem jüngsten Buch führte. Wo
es aber um eine deutsche, eine norddeutsche Unternehmerfamilie geht, ist
die im Titel auftretende Schuld immer auch die, die heute so vielen
zunehmend lästig scheint: Um [9][„Arisierung“] geht es halt auch, um
Zwangsarbeit und jüdische Ehefrauen, die irgendwann keine mehr sind.
Apropos: Mancher Grande des Springer-Verlags war Vater Dany persönlich
bekannt, lernen wir, und dass eine Urgroßtante auf Sylt Zimmer an Hermann
Göring vermietete.
Dany spielt ganz bewusst mit „Schuld“ und „Schulden“, was auch das mit …
Bilanz nochmal anders einleuchtend macht: Am vorläufigen Ende seiner
Familiengeschichte, nach mehreren Generationen Tiefbau, bis zu 1.500
Beschäftigte hatte man, steht die Havarie: Ein Konkurs und das
Sich-Einrichten-Müssen in einem Leben, das für viele Menschen rundherum
freilich immer schon das Normale war, wenn nicht gar eines, von dem sie
träumen.
Es ist auch eine Geschichte von Vätern und Söhnen: War Hans-Christian, dem
Erstgeborenen, nie das Gefühl vermittelt worden, er sei, was sich der Vater
wünscht, übernimmt er es nach dessen Tod, die Angelegenheiten zu regeln –
er wird Unternehmer. Das lässt sich als exemplarisch lesen für auch ganz
andere biografische Flucht- und Heimkehrbewegungen. Dass die Eltern
verschwinden und damit auch alte Konflikte in ein anderes Licht geraten:
Diese Erfahrung machen (und verarbeiten) derzeit ja nicht wenige
Autor:innen.
## Berliner Verunsicherung
Schlüssig, dass Dany nun zusammen mit [10][Isabelle Graw] über beider neue
Bücher spricht. Entschiedener als er nennt die Berliner Kunstkritikerin,
-professorin und Herausgeberin der [11][Texte zur Kunst] das ihre einen
Roman – was dann aber schon Joseph Vogls Klappentext wieder relativiert: Da
heißt es dann „Romanessay“.
Ein einziger langer Monolog ist es; gehalten von einer Frau aus dem
Berliner Kunstbetrieb, schon mal prekär lebend, aber auch nicht ständig der
Pleite nahe. Über Verunsicherung denkt sie schreibend nach, übers Scheitern
und auch mal beider Gegenteil; durchzogen ist das [12][von brillanten
Beobachtungen], Komik, wo man sie vielleicht nicht gesucht hätte, und,
immer wieder, Aha-Anknüpfungspunkten.
Denn man muss keine Frau sein, kein:e Kunstbetriebsangehörige:r, auch
kein:e Berliner:in, um von diesem Buch etwas zu haben. Die Existenzängste
von Graws Ich-Erzählerin mögen spezifisch sein, etwa für ein ganz
bestimmtes Milieu. Das Existenzielle daran, das mitunter ausweglos
Scheinende aber ist es gerade nicht.
25 Feb 2025
## LINKS
[1] /!5497602/
[2] /Hans-Christian-Dany-Autor/!389886/
[3] https://kunsthalle-bern.ch/-ausstellungen/2020/no-dandy-no-fun/
[4] https://www.sternberg-press.com/product/no-dandy-no-fun/
[5] /Speed-Autor-ueber-die-Droge-und-ihre-Gesellschaft/!5180864
[6] /Buch-ueber-die-Bomberjacke/!5539058
[7] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/behoerde-fuer-kultu…
[8] /Thomas-Mann/!t5021757
[9] /Arisierung/!t5243768
[10] /!5783078/
[11] https://www.textezurkunst.de/de/
[12] /Neues-Kunstbuch/!5676822
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Literatur
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feministischer Film
Schwerpunkt #metoo
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