Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Münchner Sicherheitskonferenz: „Die Hamas ist nicht nur Israels …
> Angehörigen der von der Hamas verschleppten israelischen Geiseln schlug
> in München eisiger Wind entgegen. Europa gegenüber erheben sie
> Forderungen.
Bild: Der Kibbuz Kfar Aza, nahe der Grenze zu Gaza, wurde am 7. Oktober 2023 vo…
Mit dem Beginn der alljährlich stattfindenden Sicherheitskonferenz kehrte
in München am Wochenende der Winter zurück. Der Eiswind rührte dabei aber
nicht nur vom Wettergeschehen her, sondern gefühlt auch aus einer
schauerlich-bedrückenden Nachrichtenlage. Weltpolitisch wie lokal.
Während am Freitag US-Vizepräsident Vance, anstatt über die Ukraine zu
sprechen, den versammelten europäischen Entscheidungsträgern seine Vision
von Meinungsfreiheit, Migration und demokratischen Werten präsentierte,
verstarben am Abend des Folgetages eine Mutter und ihre Tochter an den
Verletzungsfolgen eines Attentats, bei dem ein 24-jähriger Täter
afghanischer Staatsbürgerschaft mit einem Pkw in den Protestzug einer
Gewerkschaftsdemo gerast war.
Laut Behördenangaben handelt es sich bei der Amokfahrt des Beschuldigten
Farhad N. um eine religiös motivierte Tat, „Allahu akbar“, habe N. laut
Münchner Polizei bei seiner Festnahme gerufen.
Die Münchner Terrortat war so auch Gegenstand der Gespräche einer
israelischen Delegation, die sich, während der Siko genannten Konferenz
eingefunden hatte, um auf die dringende Angelegenheit der 73 noch immer von
der Terrorgruppe Hamas in Gaza festgehaltenen Geiseln hinzuweisen.
## Adar: Europa müsse aufwachen
Yael Adar, Mutter des am 7. Oktober 2023 getöteten Tamir Adar stellt im
Gespräch am Morgen einer weiteren Geiselfreilassung, bei der die drei
Männer Sasha Troufanov, Sagui Dekel-Chen und Yair Horn freikamen, fest:
„Die Hamas ist nicht nur Israels Problem. Die Welt steht gemeinsam vor der
Gefahr, die vom radikalen Islam ausgeht.“
Europa müsse aufwachen, insistiert Adar, die für die Freigabe des Leichnams
ihres Sohnes kämpft, an der Seite jener, die um das Leben ihrer Angehörigen
bangen.
Während rundherum auf den Mobilgeräten Bilder und Eilmeldungen zu den
soeben freigelassenen Männern eintrudeln, betont Adar, wie sehr die
aktuellen Berichte sie mitnähmen. „Es ist sehr bewegend, sie nach Hause
kommen zu sehen. Gleichzeitig spüre ich den Schmerz über den Tod meines
Sohnes, der nicht mehr lebendig zurückkehren wird.“
## Das Kibuuz Nir Oz
Auch die an diesem Tag freigekommenen Männer Troufanov, Dekel-Chen und Horn
stammen wie Tamir Adar aus der Gemeinde Nir Oz, einem Kibbuz im Süden des
Landes, der so typisch für das israelische Grenzgebiet zum Gazastreifen
ist. Wer die Region vor dem 7. Oktober 2023 bereist hat, weiß um den
besonderen Schlag Mensch, der sich in den Kibbuzim bevorzugt niederließ.
Alternative Aussteiger, solidarisch Orientierte, Träumer, Künstler,
Friedensaktivisten, die den landwirtschaftlich geprägten Gemeinden den
Vorzug vor dem teuren Metropolenleben geben. Einen Eindruck des
Kibbuzlebens vermittelte das Schaffen des Filmemachers Yahav Winner, dessen
letzter Film „The Boy“ eine Art Liebesgedicht [1][an seinen Heimatkibbuz
Kfar Aza] und dessen Bewohner war. Auch Winner wurde am 7. Oktober von der
Hamas ermordet.
Mit den Palästinensern in Gaza wünschten sich viele Kibbuzbewohner ein
gutes nachbarschaftliches Verhältnis, wie Yael Adar betont: „Vor dem 7.
Oktober arbeiteten viele Palästinenser in Nir Oz. Es war aber nicht nur ein
Massaker durch Terroristen – auch Zivilisten aus Gaza folgten der Hamas,
drangen in unsere Häuser ein, plünderten, zerstörten und lachten dabei.“
Ein Schmerz, der sich nicht nur bei Adar tief eingebrannt hat. Liran Berman
ist der ältere Bruder der Zwillingsbrüder Gali und Ziv Berman. Durch die
Freilassung der weiblichen Geiseln Emily Damari, Doron Steinbrecher und
Amit Soussana erhielt Liran Berman Anfang Januar ein weiteres Lebenszeichen
seiner verschleppten Brüder. Viel mehr, als dass die beiden am Leben sind,
ist bisher nicht bekannt.
## Abschirmung freigelassener Geiseln
Die von der Hamas freigelassenen Geiseln werden in Israel in der Regel
streng abgeschirmt. Einige aber wenden sich an die Öffentlichkeit,
berichten von schwerer Misshandlung während der Gefangenschaft, von Hunger,
Gewalt und Folter, wie etwa der zuletzt freigelassene Keith Siegel.
Liran Berman hofft derweil, bald mit Freigelassenen sprechen zu können, um
mehr über das Schicksal seiner Brüder in Erfahrung zu bringen, von denen er
weiß, dass sie beide am Tag ihrer Entführung verwundet wurden.
Bei den Berman-Brüdern handelt es sich um deutsche Staatsbürger. Von der
deutschen Bundesregierung fordern Liran Berman und Angehörige von insgesamt
fünf weiteren Familien während der Münchner Sicherheitskonferenz, mehr
Druck auf die internationalen Unterstützer der Hamas auszuüben,
insbesondere auf die Türkei, Iran und Katar.
Die Familien forderten außerdem einen Finanzierungsstopp der UNRWA.
Angestellten des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen wird
vorgeworfen, Mitglieder der Terrororganisation Hamas zu sein. Die indirekte
Finanzierung des Terrors müsse, so die Stimmen der Familienangehörigen der
Geiseln, beendet werden.
## Wiederaufbau der Kibbuzim
Als 95 Prozent Paradies und 5 Prozent Hölle beschreibt Liran Berman seinen
Heimatort Kfar Aza, den er selbst vor einigen Jahren verließ und aus dem
seine beiden Brüder entführt wurden. Die 5 Prozent Hölle ergäben sich aus
der örtlichen Nähe zum nach wie vor von der Hamas kontrollierten
Gazastreifen.
Pläne für den Wiederaufbau der Kibbuzim gibt es. Ein paar wenige Bewohner
sind in die Gebiete zurückgekehrt. Doch eine Rückkehr eines Großteils der
Bevölkerung scheint noch in weiter Ferne. Für Liran Berman ist ein Leben in
den Orten des Südens erst wieder denkbar, wenn die Hamas entmachtet wird.
„Wir wollen Nachbarn, mit denen wir in Frieden leben können – doch dafür
muss sich die Mentalität in Gaza ändern.“
Auffallend wortkarg sind die Angehörigen der Geiselfamilien geworden, wenn
es um Kritik an Netanjahu und seiner Regierungskoalition mit teils
ultrarechten Parteien geht.
Während des Monate andauernden Gazakriegs hatte die Bewegung offen von der
Regierung eingefordert, sich stärker für die Geiseln einzusetzen. Nun,
[2][da die erste Phase eines dreistufigen Abkommens] sich dem Ende zuneigt,
hoffen die Familienangehörigen der verbliebenen Geiseln inständig auf eine
Fortsetzung des Deals, darunter auch die vom Schmerz gezeichnete Idit Ohel.
## Kritischer Zustand der Geiseln
Ihr 24-jähriger Sohn Alon ist einer der Entführten des Nova-Musikfestivals.
Auch Ohel erhielt von Freigelassenen Informationen über den Zustand ihres
Sohnes, der von den Befreiten Eli Sharabi und Or Levy als äußerst kritisch
beschrieben wird, Alon Ohel habe Schrapnellverletzungen an Auge, Hand und
Schulter erlitten.
Ein paar Tage zuvor hatte Idit Ohel im israelischen Fernsehen von den
erschütternden Bedingungen berichtet, unter denen ihr Sohn, ein begabter
Pianist, gefangen gehalten werde. Er erhalte kaum mehr als eine Pita am
Tag, sei seit mehr als einem Jahr angekettet. „Ich weiß nicht, wie eine
Mutter das ertragen kann“, gab Idit Ohel an und brach in Tränen aus.
Während des Treffens in einem Münchner Hotel hält sich Yael Adar nah an der
Seite der Frau. „Wir bleiben zusammen, bis niemand mehr in Gefangenschaft
ist“, sagt sie entschlossen, bevor ihre Delegation zum nächsten Termin auf
der Sicherheitskonferenz aufbricht.
20 Feb 2025
## LINKS
[1] /Israel-und-seine-Gegner/!5972476
[2] /Deal-zwischen-Israel-und-Hamas/!6067042
## AUTOREN
Chris Schinke
## TAGS
Israel
Hamas
München
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Social-Auswahl
Antisemitismus
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Berlinale
Antisemitismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hochschullehrende über Antisemitismus: „Es fehlt an Schutz und klaren Strukt…
Roglit Ishay und Marina Allal vom Netzwerk Jüdischer Hochschullehrender
über Antisemitismus, Unsicherheit und verbindliche Regelungen an deutschen
Unis.
Hamas-Prozess in Berlin: Kaum Zweifel an Terror-Mitgliedschaft
Beim Prozess gegen vier mutmaßliche Hamas-Mitglieder sagt ein BKA-Beamter
aus. Er ordnet die Angeklagten eindeutig der Terrororganisation zu.
Krieg in Nahost: Waffenstillstand am Ende?
Netanjahu setzt die Freilassung palästinensischer Gefangener aus. Die
Waffenruhe in Gaza steht auf Messers Schneide.
Geiselübergabe in Gaza: Gruseliges Spektakel
Bei der Übergabe der toten Geiseln zeigt die Hamas einmal mehr ihr wahres
Gesicht. Eine friedliche Koexistenz mit den Terroristen ist illusorisch.
Streit um tote Geiseln in Israel: Alle haben versagt
Vier israelische Geiseln aus dem Gazastreifen sollten freikommen. Jetzt
sind sie tot. Weder der Hamas noch Netanjahu lag ihr Schicksal am Herzen.
Deal zwischen Israel und Hamas: Ringen um jedes Detail
Die Verhandlungen um einen Geisel-Waffenruhe-Deal zwischen Israel und der
Hamas gehen in die zweite Phase. Am 1. März würde das Abkommen bei einem
Scheitern auslaufen.
Tom Shovals „A Letter to David“: Eine Person geteilt in zwei
Beeindruckend erzählt Tom Shoval von einer Geisel der Hamas, dem
Hauptdarsteller in einem früheren Spielfilm des Regisseurs, ein Berlinale
Special.
Jüdische Realitäten in Deutschland: Offenbarungseid in der Kultur
Eine Tagung in Frankfurt am Main kreiste um jüdisches Leben in Deutschland.
Viele Juden fühlen sich von der Mehrheitsgesellschaft verraten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.