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# taz.de -- Essay über Kunst und Krieg: Mörderische Visionen
> Literaturwissenschaftler Engberg-Pedersen analysiert die Verschmelzung
> von Kunst und Militär. Er erklärt, wie Ästhetik im Krieg
> instrumentalisiert wird.
Bild: Die Kunstschaffenden malen nicht mehr wie früher gegen den Krieg, sonder…
Albtraumhafte Gesichter, ein Pferd, das sich im Schmerz aufbäumt, eine Frau
mit totem Baby. Bis heute steht Picassos mythisches, auf der Pariser
Weltausstellung 1937 erstmals gezeigtes Werk „Guernica“ für ein gängiges
Mantra: [1][Kunst steht gegen den Krieg.]
Wie dramatisch sich dieses Selbstverständnis verschoben hat, zeigt nun
Anders Engberg-Pedersen. Die Kernthese seines Buches „Martialische
Ästhetik“ ist, dass eine epochale Verschmelzung von Militär und Ästhetik
stattgefunden habe, die den „Planeten in eine globale Kriegssimulation“
verwandelt habe.
Gemeint ist damit nicht das wiederkehrende [2][Vasallentum der Kunst für
militärische Propaganda], sondern die Einbindung des den Künsten eigenen
Modus der Fiktion in die Planung von und das Training für Kriege.
In fünf Kapiteln verfolgt der Wissenschaftler, der an der Universität von
Süddänemark Vergleichende Literaturwissenschaft lehrt, die Entwicklung von
Simulationen und virtuellen Szenarien, mit denen das Militär Krieg
kalkulierbar machen wollte.
## Kernfusion von Militär und Ästhetik
Sein historischer Bogen reicht von den astrologischen Modellen, von denen
sich der böhmische Feldherr Wallenstein Aufschluss über künftiges
Schlachtenglück versprach, über das analoge Brett-Kriegsspiel, das der
Leutnant Georg von Reißwitz 1824 für die preußische Armee erfand.
Er endet bei der Datenbank „One World Terrain“, mit der das US-Militär in
einer 3-D-Simulation des gesamten Erdballs, einschließlich des Inneren von
Gebäuden, des unterirdischen und subozeanischen Raums, diesen zur „globalen
Kriegszone“ macht.
Das Militär interessiert sich für die Kunst vor allem wegen ihres
Vermögens, unerwartete Situationen vorwegzunehmen. Dazu kommt, spätestens
seit dem Zusammenbrechen der starren Militärdoktrinen des Kalten Krieges,
das Bedürfnis, genuin ästhetische Tugenden wie Originalität, Kreativität,
Expressivität zu Leitlinien soldatischen Handelns zu machen. So beschreibt
es US-General James Norman Mattis, Donald Trumps späterer
Verteidigungsminister, 2008 in einem Memorandum für das US Joint Forces
Command (USJFCOM) – Soldat:innen als Künstler:innen.
Engberg-Pedersens brillante Studie ist ein bahnbrechender Beitrag zur
Aufklärung über die Militarisierung des Denkens und einer
Instrumentalisierung der Kunst. Luzide und souverän amalgamiert er darin
Philosophie, Literaturwissenschaft, Kulturgeschichte und Militärstrategie.
Gerade weil er nicht aufgeregt moralisch argumentiert, sondern präzise wie
ein Laserstrahl die geschichtliche Entwicklung, die philosophischen und
politischen Folgen dieser weithin unbeachteten Kernfusion von Militär und
Ästhetik seziert, nimmt man Engberg-Pedersens sein knappes Fazit ab, dass
sie „die Trennlinie zwischen Zivilisation und Barbarei verwischt“.
Nicht nur, weil sich die „martialische Ästhetik“ mithilfe dieser
Kriegsimaginarien gegen dessen tödliche Realitäten gleichsam anästhesiert.
Vor allem bleibt bei dieser Fusion die Kernkompetenz der Kunst auf der
Strecke: der alternative Weltentwurf.
Mag sein, dass Deutschland, angesichts der [3][russischen Aggression gegen
die Ukraine], wieder „kriegstüchtig“ werden muss, wie
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius im vergangenen Jahr das Dilemma
der westlichen Demokratien provokativ zuspitzte.
Doch wenn vor lauter hypermodernen Kriegsszenarien und „synthetischen
Umgebungen“ niemand mehr eine „bessere Welt, die man gern bewohnen würde“
(Engberg-Pedersen) imaginieren will, wird derlei ominöse
„Kriegstüchtigkeit“ zum mörderischen Selbstzweck.
31 Mar 2025
## LINKS
[1] /Kuratorin-ueber-Krieg-und-Kunst/!5970196
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[3] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
## AUTOREN
Ingo Arend
## TAGS
Politisches Buch
Ästhetik
Krieg
Militär
wochentaz
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