# taz.de -- Der taz FUTURZWEI-Wahl-Kommentar: Deutschland hat verstanden | |
> Selbst wenn die AfD bei der Bundestagswahl noch stärker werden sollte, | |
> hat die autoritäre Versuchung in der Bundesrepublik keine Zukunft. | |
Bild: Kein Platz für Autoritarismus: Eine Demonstration für Menschlichkeit | |
„Wir haben in der aktuellen Wachstumskrise das Phänomen, dass sich die | |
große Mehrheit davon nicht betroffen fühlt. Die Ängste um den eigenen | |
Arbeitsplatz sind gering, die Bilanz der eigenen wirtschaftlichen Lage | |
fällt heute besser aus als 2019 vor der Aneinanderreihung der Krisen, die | |
wir in den letzten Jahren hatten.“ , sagt Renate Köcher, Geschäftsführerin | |
des Institutes für Demoskopie Allensbach. | |
Im Wahlkampfgetöse aller Parteien und der medialen Hysterie wird die | |
stabile Grundhaltung einer Mehrheit der Bevölkerung übersehen. Für sie gibt | |
es zur gelebten Demokratie in der Republik keine überzeugende Alternative. | |
Dennoch gibt es gute Gründe für nachvollziehbare Ängste in denen dieses | |
demokratische Selbstbewusstsein auch verloren gehen könnte. | |
## Nachvollziehbare Ängste | |
Mit [1][Trump] an der Seite wird [2][Putin] den [3][Ukrainekrieg] gewinnen. | |
Die Zeit der europäischen und besonders der deutschen Trittbrettfahrerei in | |
Sicherheitsfragen bei den [4][USA] und in der [5][Nato] ist vorbei. | |
Ob Europa sich als Weltanker für Demokratie und Freiheit, eingezwängt | |
zwischen den imperialistischen Aggressionen Russlands, Amerikas Machtspruch | |
und [6][Chinas] Weltmachtambitionen, mit eigener militärischer Kraft | |
bewähren kann und will, ist nicht sicher. | |
Die über das Internet und [7][KI] unkontrolliert verfügenden | |
US-Großkapitalisten versuchen alles, was der Vertiefung ihrer Macht über | |
die Märkte und die Weltgesellschaft im Weg steht, mit ihrer bisher | |
unbeschränkten Kommunikationskraft brutal aus dem Weg zu räumen. Es gibt | |
bisher kein demokratisch legitimiertes, politisches Subjekt im Westen, das | |
ihnen systemische, rechtsstaatlich befestigte Grenzen setzen und damit | |
Freiheit sichern würde. | |
Die über Jahre ignorierten, strukturellen Probleme im sozialen und | |
gesellschaftlichen Lebensalltag lösen nachvollziehbar Ängste aus. Dazu | |
gehören ungebremst [8][steigende Mieten] und kostensteigernde Wirkungen des | |
Schrumpfens aller europäischen Kernbevölkerungen auf [9][Renten], | |
[10][Pflege] und das [11][Gesundheitssystem] - und zunehmend | |
[12][Fachkräftemangel]. | |
## Ein Wahlkampf zum Verzweifeln | |
Genug Themen für große gesellschaftliche Debatten, sollte man meinen. Aber | |
diese sind in der Gesellschaft weder gefragt, noch gibt es politische | |
Kräfte, die sie wirkungsvoll auslösen und zielorientiert vorantreiben | |
könnten. Im Wahlkampf wurden sie jedenfalls nicht geführt. | |
Die [13][CDU] bejammert die Wirtschaftskrise und 3 Millionen Arbeitslose. | |
Die [14][SPD] kämpft für jeden Arbeitsplatz der alten Industrien und 15 | |
Euro Mindestlohn. [15][Die Grünen] zeigen vor allem Realo-Demut. Die | |
[16][AfD] setzt auf Hass, zelebriert ihre Nähe zu Trump, [17][Vance] und | |
Putin. Die [18][FDP] droht mit der Kettensäge. [19][VOLT] kopiert die | |
Grünen. [20][Die Linken] reden wieder vom [21][Sozialismus]. Das [22][BSW], | |
die linkspopulistische Kadertruppe, pflegt ihre Putin-Nähe. | |
So wie es heute aussieht, wird sich mit dem Wahlergebnis am kommenden | |
Sonntag am Alltag der Politik in der Republik nichts ändern. Die autoritäre | |
Versuchung ist da, es trotz aller Bekenntnisse eben doch mal mit der AfD zu | |
versuchen. | |
## Die autoritäre Versuchung | |
Es ist CDU-Chef [23][Merz] durchaus zuzutrauen, dass er das macht, wenn er | |
um seine Kanzlerschaft fürchten müsste. | |
Aber rücksichtslose Machtausübung, eine autoritäre Demontage des | |
Rechtsstaates und aller seiner Institutionen, ein völliges Ignorieren aller | |
sozialen technischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Tatsachen, | |
Kriegstreiberei und prinzipiell menschenfeindliche Politik wird es aber | |
selbst dann nicht geben. | |
Ähnliche Augenblicke und autoritäre Versuche hat es in der | |
Zivilisationsgeschichte schon öfter gegeben. Aber es gilt auch: Eine solche | |
autoritäre Versuchung kann keine Menschheitsprobleme lösen, sie kann und | |
wird sie nur verschärfen. | |
Für die großen Zukunftsfragen, an denen alle politischen Lager arbeiten | |
müssen, gibt es grundsätzlich keine einfachen Erfolgsrezepte. Aus diesem | |
Dilemma hilft auch machiavellistische Machttechnik nicht heraus. | |
Autoritären Versuchungen sind daher am Ende noch immer gescheitert, | |
allerdings war der Blutzoll oft hoch, der dafür gezahlt werden musste. | |
Aber bitteschön, von so einer autoritären Versuchung sind die | |
Bundesrepublik und Europa, trotz [24][Orban], [25][Weidel], [26][Meloni], | |
[27][Le Pen] heute weit entfernt. In einen solchen Horizont eingeordnet, | |
sind die Wahlen am Sonntag sogar eher unbedeutend. | |
## Gute Gründe für Optimismus? | |
Die Bundesrepublik ist heute noch in jeder Hinsicht stark, sie ist die | |
drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und zusammen mit der EU noch stärker. | |
Sie ist ein herausragender, zukunftsoffener Wissenschaftsstandort. Hier | |
gibt es einen „Grundoptimismus, trotz aller Skepsis, ob das Land seinen | |
Zenit überschritten hat“, wie Allensbach-Chefin Renate Köcher in einer | |
ihrer letzten Umfragen festgestellt hat. | |
An diesem Selbstbewusstsein werden bis auf weiteres weder eine | |
Union/SPD-Regierung mit oder ohne die Grünen, noch eine noch stärker | |
gewordenen AfD im Bund und an der Seite einiger CDU-Länderfürsten viel | |
ändern. Mit Trump und ohne die USA kann das immer noch starke Deutschland | |
jetzt in Europa und weltpolitisch Verantwortung für alle Demokratien des | |
Westens übernehmen. | |
Die autoritäre Versuchung hat in der Bundesrepublik keine Zukunft. | |
Zumindest das haben die Deutschen aus ihren Verbrechen in der jüngeren | |
Geschichte und aus achtzig Jahren demokratischer Selbsterziehung gelernt. | |
Es gibt auch keinen Grund, sich heute schon vor einem Sieg der AfD bei den | |
Bundestagswahlen 2029 zu fürchten. Die werden verlieren oder auch verboten | |
werden, wenn es mit ihnen so weitergeht. Es kann allenfalls ungemütlich | |
werden. Oder auch ekelhaft. | |
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18 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Udo Knapp | |
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