# taz.de -- Innere Sicherheit im Hamburger Wahlkampf: Das besetzte Thema | |
> Die CDU wollte Sicherheit zu ihrem Thema im Hamburger Wahlkampf machen. | |
> Doch das klappte nicht: Die SPD bestimmt das Thema seit über 20 Jahren. | |
Bild: Polizei zeigt Präsens: Innensenator Andy Grote (SPD) bei einer Großkont… | |
Hamburg taz | Der Pulk aus Journalist*innen, Kameraleuten, | |
Sicherheitspersonal und Polizist*innen muss sich sputen, um an | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Hamburgs Innensenator Andy Grote | |
(beide SPD) dran zu bleiben. Die haben ein ordentliches Tempo drauf bei | |
ihrem Rundgang mit der „Quattro-Streife“, einmal rauf und runter, kreuz und | |
quer durch den Hamburger Hauptbahnhof – jenen Ort, der die SPD in Hamburg | |
vor 25 Jahren die Wahl gekostet hat. | |
Grote und Faeser müssen samt Gefolge im Anschluss noch ins | |
Miniaturwunderland und winzige Polizistenfiguren in eine | |
Modelleisenbahnlandschaft setzen. Und dann noch weiter zur Zentralen | |
Erstaufnahme für Geflüchtete in Hamburg-Rahlstedt, wo Faeser verkünden | |
wird, dass hier demnächst das bundesweit erste Dublin-Zentrum eingerichtet | |
wird für Asylsuchende, für die eigentlich ein anderer EU-Staat zuständig | |
ist. Ein klassischer Wahlkampftermin also, bei dem Grote zwei Jahre nach | |
Inkraftsetzen der [1][„Allianz sicherer Hauptbahnhof“] Werbung in eigener | |
Sache machen kann und, Faeser sei Dank, garantiert auf großes | |
Medieninteresse trifft. | |
Die Quattro-Streifen setzen sich aus Vertreter*innen der Hamburger | |
Polizei, der Bundespolizei sowie der Sicherheitsdienste der Bahn und der | |
Hamburger Hochbahn zusammen. Die gehen immer zu viert auf Streife, | |
kontrollieren mehr und auch niedrigschwelliger. So kurz vor der | |
Hamburg-Wahl am 2. März haben sie noch ein paar Großkontrollen | |
durchgeführt, auch, um Erfolge verkünden zu können. | |
Insgesamt ein Hamburger Erfolgsmodell, diese Quattro-Streifen, sagte Grote | |
am Ende des Rundgangs sichtlich zufrieden. Sicherheit und | |
Aufenthaltsqualität hätten sich am Hauptbahnhof, den NDR, Bild-Zeitung und | |
Hamburger Abendblatt noch vor ziemlich genau zwei Jahren als gefährlichsten | |
Bahnhof Deutschlands betitelten, seither deutlich verbessert. | |
## Bremen übernimmt Hamburger Konzept | |
In [2][Bremen sind diese Quattro-Streifen] seit vergangenem Juni im Einsatz | |
und weitere Städte prüfen, ob sie sich anschließen wollen. Die Botschaft | |
Grotes ist an diesem eiskalten und sonnigen Mittwoch, an dem Faeser zu | |
Gast ist, jedenfalls eindeutig: Wir haben hier alles im Griff! Das geht vor | |
allem in Richtung CDU, die Sicherheit zum bestimmenden Thema im | |
Bürgerschaftswahlkampf machen wollte und dem auch das erste Kapitel | |
[3][ihres Wahlprogramms] gewidmet hat. | |
Und die Grünen? Setzen bei Sicherheit [4][im Wahlprogramm] eher auf | |
Gefühliges und überlassen das Thema im Prinzip ihrem alten und vermutlich | |
auch neuen Koalitionspartner, der SPD. Sie wollen eine intelligente | |
Stadtbeleuchtung für mehr Sicherheitsempfinden und ganz Hamburg zu einem | |
„Safe Space für alle“ machen. | |
Das entscheidende Thema bei der Bürgerschaftswahl 2001 war die innere | |
Sicherheit. Es ging um die offene Drogenszene, um hohe Kriminalitätsraten, | |
den Hauptbahnhof als Angstraum. Von „Safe Space“ keine Spur. Die SPD holte | |
damals, als sich abzeichnete, dass hier ein Problem aufzieht, zwar noch | |
schnell Olaf Scholz als Innensenator, der hart durchgreifen sollte. Aber es | |
war zu spät: [5][Die CDU gewann], koalierte mit dem Rechtspopulisten Ronald | |
Schill, der mit seiner Partei und dem Mantra, Hamburg sei die „Hauptstadt | |
des Verbrechens“, aus dem Stand 19,4 Prozent holte. Die SPD musste auf die | |
Oppositionsbank. | |
Das soll den Sozialdemokraten nicht wieder passieren und darum überbieten | |
sie seither die traditionell restriktivere Politik der CDU auf dem Feld der | |
inneren Sicherheit: mehr Polizei, mehr Videoüberwachung, mehr Kontrolle, | |
Waffenverbotszonen, mehr Vertreibung von [6][als unerwünscht definierter | |
Klientel]. Alles mittlerweile völlig normale SPD-Politik in Hamburg. | |
## SPD in Hamburg ungefährdet | |
Zu befürchten haben die Sozialdemokraten bei den Bürgerschaftswahlen | |
nichts. Laut der [7][aktuellen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen] kommt | |
die SPD trotz Verlusten immer noch auf 32 Prozent. Die Grünen liegen bei 18 | |
Prozent. Es würde also weiter für Rot-Grün reichen, auch wenn die CDU | |
gegenüber der letzten Umfrage um fast sieben Prozente auf jetzt 18 Prozent | |
zulegen konnte. Einer der Gründe, warum die SPD hier so fest im Sattel | |
sitzt, ist ihre Strategie beim Thema innere Sicherheit. Sie hat in den | |
vergangenen Jahren viel dafür getan, das Thema möglichst nicht mehr aus der | |
Hand zu geben. | |
Da nützt es auch nichts, dass CDU-Partei- und Fraktionschef Dennis Thering | |
schon vor einem Jahr mit Blick auf die Bürgerschaftswahl ein | |
Sicherheitskonzept vorgestellt hat – mit den üblichen | |
Wir-brauchen-mehr-Forderungen: mehr Kameras im öffentlichen Raum, mehr | |
Polizist*innen auf den Straßen, die mit mehr Tasern und mehr Bodycams | |
ausgestattet sind, mehr Waffenverbotszonen. Im Falle eines Wahlsieges wolle | |
die CDU, das wiederholte Thering bei der Vorstellung des Wahlprogramms im | |
November, Hamburg „zur sichersten Stadt Deutschlands machen“. Die Polizei | |
solle besser gerüstet sein „als die Kriminellen in unserer Stadt“. | |
Das Problem der CDU ist: All das macht die SPD bereits. „Jahrelang hat die | |
SPD die katastrophalen Zustände am Hauptbahnhof ignoriert und unsere | |
Warnungen als Fake News abgetan“, blieb Thering nach dem Besuch von | |
Bundesinnenministerin Faeser bloß mitzuteilen. Das sei alles bloß | |
Wahlkampf-PR am Hauptbahnhof, helfe aber niemandem. | |
Seit dem 1. Oktober 2023 gilt am Hamburger Hauptbahnhof [8][ein | |
Waffenverbot], das mittlerweile auf den gesamten öffentlichen Nahverkehr | |
ausgeweitet wurde. Bisher ist zwar noch keine glasklare Trendwende bei der | |
Gewaltkriminalität zu erkennen. Die Bundespolizei zählte an Deutschlands | |
meistfrequentiertem Bahnhof – 500.000 Menschen sind hier jeden Tag | |
unterwegs – im ersten Halbjahr 2024 insgesamt 290 Gewalttaten. Zum | |
Vergleich: 2023 waren es im ganzen Jahr 720 Fälle gewesen. | |
Das ergab im vergangenen Herbst die Antwort der Bundesregierung auf eine | |
Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion. Zugleich registrierte die Bundespolizei | |
im ersten Halbjahr jedoch bereits 21 Messerdelikte – | |
so viele wie im gesamten Vorjahr. Allerdings muss bei solchen Zahlen immer | |
bedacht werden: Wer mehr Präsenz zeigt und mehr kontrolliert, der findet | |
auch mehr. | |
In der p[9][olizeilichen Kriminalstatistik 2024] findet sich diese | |
Entwicklung wieder, die der SPD in die Karten spielt. Grote konnte | |
verkünden: Hamburg ist sicherer geworden. Die Zahl der Straftaten ist um | |
vier Prozent gesunken, gleich geblieben ist die Aufklärungsquote. Zwar ist | |
die Gewaltkriminalität um sieben Prozent gestiegen, aber Grote sagt: | |
„Besonders hervorzuheben sind die rückläufigen Zahlen bei den | |
Tötungsdelikten und auch bei den ebenfalls gesunkenen Gewaltzahlen am | |
Hauptbahnhof.“ Das Thema Sicherheit ist heute für die Hamburger SPD also | |
kein Problem mehr, sondern eher eine sichere Bank. | |
20 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Sicherheit-am-Hamburger-Hauptbahnhof/!5945319 | |
[2] /Verdraengung-der-Drogenszene-in-Bremen/!6029406 | |
[3] https://cduhamburg.de/wp-content/uploads/2024/12/CDU-Hamburg-Unser-Wahlprog… | |
[4] https://www.gruene-hamburg.de/gute-gruende-fuer-gruen/ | |
[5] /!1143060/ | |
[6] /Unerwuenschte-Klientel/!5960136 | |
[7] /Zwei-Wochen-vor-der-Buergerschaftswahl/!6069653 | |
[8] /Waffenverbot-im-Hamburger-Nahverkehr/!6054283 | |
[9] https://www.polizei.hamburg/vorstellung-der-polizeilichen-kriminalstatistik… | |
## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
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