# taz.de -- Abgeordnete mit Migrationshintergrund: Bundestag ist sehr weit von … | |
> Der Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund im Bundestag sinkt. | |
> Auch Frauen und Arbeiter*innen sind zu selten im Parlament vertreten. | |
Bild: Weißer und männlicher ist der Bundestag für die nächsten vier Jahre | |
Berlin taz | Menschen mit Migrationshintergrund sind im neuen Bundestag | |
weiterhin deutlich unterrepräsentiert. Das zeigt eine [1][Recherche des | |
Mediendienstes Integration]. Und auch beim Anteil von Frauen und | |
Arbeiter*innen bildet das künftige Parlament nicht die Zusammensetzung | |
der deutschen Bevölkerung ab. | |
Laut dem Mediendienst haben mindestens 73 der 630 kommenden Abgeordneten | |
einen Migrationshintergrund, in den allermeisten Fällen geht es dabei um | |
Verbindungen ins EU-Ausland. Das entspricht einem Anteil von etwas mehr als | |
11 Prozent. In der Gesamtbevölkerung liegt der Anteil dagegen bei rund 30 | |
Prozent. Deutliche Unterschiede sind zwischen den Parteien zu beobachten. | |
Die Grünen haben mit 20 Prozent den höchsten Anteil Abgeordneter mit | |
Migrationshintergrund. Bei der AfD ist der Anteil mit rund 6 Prozent am | |
geringsten. | |
Im bisherigen Bundestag hatten Abgeordnete mit Migrationshintergrund | |
[2][einen Anteil von fast 12 Prozent]. Der Wert geht nun etwas zurück, wenn | |
auch nur leicht. Über die vorangegangenen Legislaturperioden war er dagegen | |
stets gestiegen. Als Kriterium für einen Migrationshintergrund gilt, dass | |
eine Person selbst ohne deutsche Staatsbürgerschaft geboren wurde oder dies | |
auf zumindest ein Elternteil zutrifft. | |
Die Vorsitzende des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats (BZI), Didem | |
Laçin Karabulut, nannte die Zahlen bei der Vorstellung „alarmierend“ und | |
sprach von einem „strukturellen Demokratiedefizit“. Durch die nicht | |
repräsentative Zusammensetzung würde es an Themenvielfalt in den | |
Parteiprogrammen und [3][verschiedenen Perspektiven] bei der Gesetzgebung | |
mangeln, so Karabulut. | |
## Defizite nicht nur beim Migrationshintergrund | |
Auch in Sachen Geschlechterverteilung ist die Zusammensetzung des neuen | |
Bundestages nicht repräsentativ. Der Frauenanteil ist im Vergleich zum | |
letzten Bundestag sogar zurückgegangen. Nachdem dieser bisher noch bei etwa | |
35 Prozent gelegen hat, sind es künftig nur noch etwa 32 Prozent. Frauen | |
machen in Deutschland dagegen über die Hälfte der Gesamtbevölkerung aus und | |
sind damit im Parlament deutlich unterrepräsentiert. Unter den Abgeordneten | |
mit Migrationshintergrund liegt der Frauenanteil bei etwa 47 Prozent und | |
ist damit deutlich höher als unter den Parlamentarier*innen | |
insgesamt. | |
Auch hier sind zwischen den Parteien Unterschiede erkennbar. Mit einem | |
Anteil von 61 Prozent ist der Anteil weiblicher Abgeordneter bei den Grünen | |
am höchsten. Die AfD liegt mit knapp 12 Prozent einmal mehr ganz hinten. | |
Der Politikwissenschaftler Andreas Wüst sagt dazu, Interessen von Frauen | |
seien in der Vergangenheit immer benachteiligt gewesen. Es gäbe einen | |
„großen Veränderungsbedarf“ bei der Zusammensetzung des Parlaments. | |
Menschen aus Ostdeutschland werden im Parlament von insgesamt 98 | |
Abgeordneten vertreten, die über Direktmandate oder Landeslisten eingezogen | |
sind. Das entspricht rund 16 Prozent der Abgeordneten. Bei einem | |
Bevölkerungsanteil von 15 Prozent sind „Ostdeutsche“ – als isolierte | |
Kategorie – damit im Verhältnis relativ exakt repräsentiert. Allerdings | |
sind nicht alle der Volksvertreter*innen in Ostdeutschland geboren | |
oder aufgewachsen. 42 der Abgeordneten gehören zur AfD. | |
Und auch bei den zukünftig im Bundestag vertretenen Berufsgruppen zeigen | |
sich Defizite. Über zwei Drittel der Abgeordneten sind laut | |
Bundeswahlleiterin im Bereich „Unternehmensorganisation, Recht, Verwaltung“ | |
tätig. Nur fünf Prozent der Abgeordneten kommen aus den Bereichen | |
„Rohstoffgewinnung, Produktion, Fertigung“ und „Kaufmännische | |
Dienstleistungen, Vertrieb, Tourismus“. Studierende, Auszubildende und | |
Rentner*innen sind mit einem Anteil von unter fünf Prozent vertreten. | |
Wüst sieht die Parteien verantwortlich für diese Unterrepräsentation von | |
Minderheiten: „Chancengerechtigkeit in der Politik ist eine | |
gesellschaftliche Aufgabe.“ Parteien müssten sich nachhaltiger öffnen für | |
Diversität. Karabulut vom BZI weist darauf hin, dass Merkmale wie | |
Geschlecht, Alter und Migrationshintergrund über die Platzierung auf | |
Parteilisten entschieden. Häufig würden sie von älteren Männern ohne | |
Migrationshintergrund angeführt. | |
27 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://mediendienst-integration.de/artikel/73-abgeordnete-mit-migrationshi… | |
[2] /Zusammensetzung-des-neuen-Bundestags/!5806460 | |
[3] /Politikerinnen-ueber-Diversitaet/!6003523 | |
## AUTOREN | |
Sarah Schubert | |
Marco Fründt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Migrationshintergrund | |
Arbeiterklasse | |
Chancengleichheit | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Schwerpunkt LGBTQIA | |
Friedrich Merz | |
Junge Menschen zur Bundestagswahl | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wie raus aus dem Nachwahlkater?: Politische Disruptionen | |
Was neue Linken-Wähler umtreibt. Wo Habeck scheiterte. Was Weidel | |
prophezeit. Die taz-Kulturredaktion hat noch Anmerkungen zur | |
Bundestagswahl. | |
Was das Wahlergebnis für LGBTQ+ bedeutet: Die Qual nach der Wahl | |
Queere Rechte sind Menschenrechte. Nach der Bundestagswahl, die den | |
Rechtsruck endgültig belegt, ist das nicht mehr selbstverständlich. | |
Lockerung der Schuldenbremse: Bitte jetzt mal eine große Koalition der Vernunft | |
Ja, der Staat braucht viel mehr Geld – noch mehr als gedacht. Union, SPD | |
und Grüne sollten sich im noch amtierenden alten Bundestag zusammenraufen. | |
Erstwähler:innen und Klimakrise: Worauf es für die Jugend bei der Bundestagsw… | |
Endlich mitbestimmen! Für mehr als zwei Millionen Menschen ist die | |
Bundestagswahl am 23. Februar eine Premiere. Doch welche Themen sind ihnen | |
wichtig? |