| # taz.de -- „Peter Hujar’s Day“ von Ira Sachs: Ein Tag im Leben der Boheme | |
| > In „Peter Hujar’s Day“ inszeniert Ira Sachs ein Tag in den Siebzigern. | |
| > Der Alltag in der New Yorker Kunstszene wird dabei minutiös | |
| > rekapituliert. | |
| Bild: Susan Sontag war am Telefon: Ben Wishaw und Rebecca Hall in „Peter Huja… | |
| Ira Sachs hat sich längst als Meister des zurückhaltenden Erzählens | |
| erwiesen. Seine Dramen kreisen meist um die Disruptionen im Alltag, die er | |
| allerdings gänzlich unaufgeregt als Gewissheiten zeigt, die fest zum | |
| menschlichen Dasein dazugehören. Schon in seinem vorangegangenen | |
| [1][Berlinale-Beitrag „Passages“] setzte er auf präzise Betrachtungen statt | |
| dramatischer Zuspitzungen. | |
| Mit seinem neuen Film treibt er diesen Ansatz nun auf die Spitze: „Peter | |
| Hujar’s Day“ widmet sich dem Gänzlich-Alltäglichen. Nicht die Erschütter… | |
| steht im Fokus, sondern das genaue Beobachten dessen, was zwischen zwei | |
| Fixpunkten eines Tages geschieht, zwischen dem Aufwachen und dem | |
| Einschlafen. | |
| Aus dem Leben des titelgebenden Fotografen, der heute für seine intimen | |
| Porträts der queeren Boheme und intellektuellen Szene des New York der | |
| Siebziger bekannt ist, hätte auch ein gänzlich anderer Film entstehen | |
| können. Zu Lebzeiten war sein Ruhm begrenzt, er hatte finanzielle | |
| Schwierigkeiten und starb 1987 an den Folgen einer Aids-Erkrankung. Mehr | |
| als genug Material für ein Melodram nach Hollywood-Art also. | |
| Ira Sachs aber zeigt in „Peter Hujar’s Day“ exakt das, was der Titel | |
| verspricht. Ein Gespräch, das der Fotograf (Ben Whishaw) im Dezember 1974 | |
| mit einer Freundin, der Autorin Linda Rosenkrantz (Rebecca Hall) führte. | |
| Darin rekapitulierte er einen Tag in seinem Leben – ursprünglich für ein | |
| Buchprojekt, das Konversationen mit Künstlern über ihren Alltag sammeln | |
| sollte. Das Tonband dieser Unterhaltung ist verschollen, aber 2022 | |
| veröffentlichte Rosenkrantz ein schmales Buch mit der Niederschrift. | |
| ## Star der Beat Generation | |
| Peter Hujar berichtet von seinen zahlreichen Telefonaten – am [2][Morgen | |
| mit Susan Sontag,] später mit Allen Ginsberg, mit dem er sich zum Shooting | |
| verabredet. Es war sein erster Auftrag für die New York Times, ergänzt er | |
| beiläufig. Der Star der Beat Generation schlug während der Sitzung vor, | |
| dass Hujar seinem nächsten Modell, Schriftstellerkollege William S. | |
| Burroughs, Oralsex anbieten sollte, um eine Verbindung aufzubauen. | |
| Eine Anekdote, die mit einem Augenrollen und ein paar Sticheleien von den | |
| Freunden quittiert wird. Ihr Gespräch verlagert sich von der Küche aufs | |
| Bett, vom Dach zurück ins Wohnzimmer. Zwischenzeitlich wird Tee gekocht, | |
| gegessen und viel geraucht. Rosenkrantz’ Apartment in Manhattan verlässt | |
| das Kammerspiel nie. | |
| Während draußen die Sonne untergeht, wendet sich der Austausch stärker | |
| Peter Hujars hohem Anspruch an seine Kunst zu. Seine akribische | |
| Arbeitsweise wird zum Thema – ebenso seine unausgewogene Ernährung und | |
| schwindende Sehkraft, die es ihm erschwert, alle Details auf den Negativen | |
| zu erkennen. | |
| ## Stilisierte Bildstörungen | |
| Wie eine Anspielung darauf flackern im Film immer wieder stilisierte | |
| Bildstörungen, kleine Kratzer und körnige Fragmente auf. Es ist die einzige | |
| handwerkliche Extravaganz, die Ira Sachs einsetzt, um die Atmosphäre einer | |
| längst vergangenen Zeit zu beschwören. Ansonsten verlässt er sich ganz auf | |
| die Erzählung und Ben Whishaw, der ihr mit feinen Nuancen eine | |
| eindrucksvolle Authentizität verleiht. | |
| Doch so sehr die Kühnheit dieser Herangehensweise beeindruckt, so wenig | |
| kommt der Film über eine selbstgenügsame Versuchsanordnung hinaus. Peter | |
| Hujar war mehr als eine Sammlung berühmter Kontakte, Ira Sachs aber frönt | |
| vor allem der Faszination für sein intellektuelles Netzwerk. Damit haftet | |
| „Peter Hujar’s Day“ auch etwas abgehoben Elitäres an. Das Lebensgefühl … | |
| [3][NY-Kunstszene] evoziert der Film so allerdings tatsächlich. | |
| 22 Feb 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Arabella Wintermayr | |
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