# taz.de -- Faktencheck zur Schuldenbremse: Wird nicht investiert, erben unsere… | |
> Schulden zerstören den Bundeshaushalt und belasten die nächsten | |
> Generationen? Ein Faktencheck zeigt: Das stimmt so nicht. | |
Bild: Wenn nicht bald investiert wird könnten so bald unsere Schulen aussehen | |
Annahme 1: Der deutsche Staat hat genug Einnahmen. Neue Schulden sind also | |
gar nicht nötig. | |
Faktencheck: Der Staat nimmt tatsächlich immer mehr Steuern ein: 2024 waren | |
es schätzungsweise 941,6 Milliarden Euro, 2023 waren es noch 916,1 | |
Milliarden Euro. Das Plus betrug also 2,8 Prozent. Aber dieses zusätzliche | |
Geld kann nicht einfach so investiert werden – weil auch die Kosten | |
gestiegen sind. Die Gehälter im öffentlichen Dienst haben deutlich | |
zugelegt, und auch die Investitionen selbst sind teurer, weil die Inflation | |
2024 bei 2,2 Prozent lag. | |
Annahme 2: Aber die Schuldenbremse lässt ja durchaus Ausnahmen – also die | |
Aufnahme von Schulden – zu: 2024 wurden Kredite in Höhe von rund 60 | |
Milliarden Euro aufgenommen. | |
Trotzdem reicht das Geld nicht, um neue Investitionen vorzunehmen. Man muss | |
bedenken: Die Infrastruktur, die wir schon haben, verschleißt ständig. | |
Autobahnen, Straßen, Brücken, die Bahn, Schulen, Krankenhäuser – alles | |
muss instand gehalten werden. Selbst dafür reichen die Mittel kaum noch. | |
Die Quote der Nettoinvestitionen, also der neuen Investitionen, liegt | |
momentan bei 0 Prozent. Das ist extrem gefährlich für ein Land, das davon | |
lebt, Hochtechnologie zu exportieren. Das arbeitgebernahe Institut der | |
deutschen Wirtschaft (IW) schätzt, dass Deutschland inzwischen [1][einen | |
Investitionsstau von 600 Milliarden Euro] hat – und fordert daher, in den | |
nächsten zehn Jahren jedes Jahr 60 Milliarden Euro zusätzlich zu | |
investieren. | |
Annahme 3: Schon jetzt werden verfügbare Mittel gar nicht abgerufen. | |
Richtig ist, dass die Behörden bei großen Investitionsentscheidungen oft | |
lange brauchen. Denn es fehlt das Fachpersonal. Die Ämter haben an Experten | |
gespart, weil in der Vergangenheit zu wenig investiert wurde. Man muss also | |
mehr Personal einstellen | |
Annahme 4: Schulden kosten Zinsen, die dann den Bundeshaushalt auffressen. | |
Der Bund wird 2024 etwa 37,4 Milliarden Euro für Zinsen ausgeben. Das sind | |
7,8 Prozent der Gesamtausgaben. Allerdings ist damit zu rechnen, dass die | |
Zinsen wieder fallen. Denn die Zentralbank [2][senkt die Leitzinsen | |
gerade]. Jedenfalls ist es töricht, auf Investitionen zu verzichten, weil | |
man Angst vor den Zinsen hat. Denn die Investitionen von heute sind die | |
Einnahmen von morgen. | |
Annahme 5: Der Staat könnte doch bei den Sozialausgaben kürzen, um Mittel | |
für die Investitionen freizuschaufeln. | |
Wie gesagt: Deutschland müsste jedes Jahr zusätzlich 60 Milliarden Euro | |
investieren. Das lässt sich nicht aus den Sozialausgaben herauskürzen, ohne | |
Millionen von Menschen in Armut zu stürzen. | |
Ein Beispiel: Der staatliche Zuschuss zur Rentenkasse betrug 2023 rund 112 | |
Milliarden Euro. Das ist viel Geld. Trotzdem liegt die Nettorente | |
durchschnittlich bei 1.543 Euro im Monat. Damit kommt man schon jetzt | |
schlecht über die Runden. Zudem deckt der Staatszuschuss vor allem die | |
sogenannten „versicherungsfremden Leistungen“ ab – wie etwa die Mütterre… | |
– die eigentlich aus dem Bundeshaushalt finanziert werden müssten. | |
Annahme 6: Statt Schulden zu machen, könnte der Staat doch die Steuern | |
erhöhen und diese neuen Einnahmen nutzen, um zu investieren. | |
Das stimmt. [3][Zum Beispiel ließe sich die Erbschaftssteuer reformieren.] | |
Die ist derzeit verfassungswidrig, denn gerade die Reichsten müssen kaum | |
Steuern zahlen, wenn sie es denn richtig anstellen. Doch leider gibt es für | |
eine solche Reform keine Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat. Momentan | |
lassen sich Investitionen also nur durch Schulden finanzieren. | |
Annahme 7: Die nächste Generation erbt dann die Schulden! Wir leben auf | |
Kosten unserer Kinder. | |
Es ist gar nicht möglich, nur Schulden zu erben, denn es entsteht immer | |
auch Vermögen. Schulden und Vermögen gehören untrennbar zusammen, weil Geld | |
in dem Moment entsteht, in dem ein Kredit vergeben wird. Zudem wird mit dem | |
neuen Geld ja investiert, was in Zukunft auch neues Einkommen generiert. | |
Wird hingegen nicht investiert, erben die Kinder eine Schrotthalde – | |
[4][marode Bahnschienen, kaputte Straßen und bröckelnde Schulen.] | |
Annahme 8: Wenn der Staat immer mehr Schulden aufnimmt, kann er die Kredite | |
irgendwann nicht mehr zurückzahlen. | |
Der Staat funktioniert nicht wie eine Firma oder eine Familie, denn er muss | |
seine Kredite nicht regelmäßig tilgen. Der Staat zahlt seine Schulden also | |
nicht zurück – sondern wächst aus ihnen heraus. Wenn das | |
Bruttoinlandsprodukt zulegt, verlieren die Schulden einfach an Bedeutung. | |
Momentan betragen die deutschen Staatsschulden 65 Prozent der | |
Wirtschaftsleistung. Das ist niedriger als in allen anderen großen | |
Industrieländern weltweit. | |
Annahme 9: Irgendwo muss eine Grenze sein. Der Staat kann doch nicht immer | |
mehr Schulden aufnehmen. | |
Stimmt. Deswegen soll die Schuldenbremse auch nicht wegfallen, sondern | |
reformiert werden. Schulden sollen nur erlaubt sein, wenn sie zusätzliche | |
Investitionen finanzieren. Das ist übrigens keine neue Idee. Diese „goldene | |
Regel“ wurde befolgt, bis vor zehn Jahren die Schuldenbremse in Kraft trat. | |
10 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/michael-huether-simon-gera… | |
[2] /EZB-und-Fed-entscheiden-ueber-Zinsen/!6063406 | |
[3] /Sozialbericht-2024/!6047420 | |
[4] /Carolabruecke-in-Dresden-als-Symbolbild/!6032912 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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