| # taz.de -- Die Wahrheit: Freiheit für die Potthucke | |
| > Winterferienzeit ist Skiferienzeit. Sogar im Sauerland lässt es sich | |
| > trefflich und wortgewandt die Piste runtertollen. | |
| Endlich wieder Feiern, Skifahren und Rodeln in Winterberg. Das Städtchen | |
| gehört zum Sauerland und erfreut sich aufgrund der relativen Hügeligkeit | |
| und Schneemengen in Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden großer | |
| Beliebtheit und gilt als „Hausberg Hollands“. | |
| Vor allem aber hat „die grüne Lunge des Ruhrgebiets“ eine stabile | |
| Wählerbasis in der CDU. Nur der Geburtsort von Friedrich Merz, ein | |
| unaufgeregter Ort namens Brilon, und sein langjähriger Wohnort Arnsberg | |
| wird von der SPD regiert. Auch die vielen tausend Besucher in Winterberg | |
| sprechen keine deutliche Sprache, sondern ein munteres Gemisch | |
| verschiedenster Zungen und Dialekte. | |
| „Bahn frei, Kartoffelbrei!“, schallt es dennoch universal verständlich von | |
| den Hängen. Allerdings schreit mir eine Frau mit puscheligen rosa | |
| Riesenohrschützern und Kind auf dem Holzschlitten entgegen: „Pott- huu-kee, | |
| geh, geh, geh!“ | |
| „Hey, Vorsicht, Kartoffelbrei, ich bin keine Potthucke!“, rufe ich von | |
| meinem Schlitten aus zurück und sause schnittig an einer Kollision vorbei. | |
| Im Tal angekommen, beschwere ich mich bei ihr über das äußerst rüde | |
| Verhalten. | |
| ## Geh, geh, geh! | |
| „Potthucke ist keine Beleidigung, junge Frau“, erklärt mir die | |
| offensichtlich einheimische Dame. „Das ist unser Kartoffel-Leibgericht! | |
| Kein Brei! Und deshalb rufen wir auf dem Berg: Pott-huu-kee, geh, geh, geh! | |
| Das ist ein Spaß bei uns!“ Aha, Dialekt als Waffe, als ein Mittel des | |
| Widerstandes gegen den Übertourismus, ich verstehe, zumindest teilweise. | |
| „Wie macht man das denn?“, frage ich schlau. Die „junge Frau“ will ich … | |
| überhört haben. Ihr Kind balgt sich inzwischen im Schnee und brüllt. „Ganz | |
| einfach: zwei Pfund rohe Kartoffeln reiben, und ein Pfund gekochte | |
| Kartoffeln stampfen, Eier, Sahne, Speck und Mettwürstchen dazu, in der | |
| Auflaufform bei 220 Grad 60 Minuten backen“, kontert sie mit aufmüpfigen | |
| Blick und wohl in der Annahme, dass ich weder Kartoffeln schälen noch | |
| kochen könne. Doch das gehört zufällig zu den Dingen, zu denen ich recht | |
| gut in der Lage bin. | |
| Zurück in der Bankenstadt Frankfurt ergibt meine Recherche, dass Potthucke | |
| im sauer- und siegerländischen Dialekt heißt: „das, was im Pott hockt“. | |
| Eigentlich logisch. Doch woher soll man es wissen, wenn einem in den | |
| Potthucken-Gefilden immer nur Schnitzel mit Pommes oder Kroketten angeboten | |
| werden? Ich machte mich daran, der Wohngemeinschaft eine Potthucke zu | |
| zaubern, allerdings ohne Speck und ohne Mettwürstchen, dafür mit Sellerie | |
| und Rosenkohleinlagen. Es wurde ganz hervorragend, wirklich. Alle waren | |
| beeindruckt. | |
| Wie schön könnte die Welt sein, wenn ambitionierte Politiker aus dem | |
| Potthuckenland sich hauptsächlich um die Verbreitung dieser köstlichen | |
| Speise kümmern würden. Schließlich gibt es dazu einiges zu sagen, zum | |
| Beispiel, dass sie sogar in mettfreier Form äußerst schmackhaft daher | |
| kommen kann. Free the Kartoffelbrei! Free the Potthucke! | |
| 18 Feb 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudia Römer | |
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