# taz.de -- Musiktheater mit Dada-Charme: Es könnte doch schade sein um diese … | |
> Es war ein Schreien, Kreischen und Trommeln in der Nacht. Im Berliner | |
> Exploratorium wurde mit improvisatorischem Zugriff der Weltuntergang | |
> geprobt. | |
Bild: Der Untergang ist immer mal Thema: Hier beispielhaft im Bild „Vor dem W… | |
Vor Kurzem war der Weltuntergang. Und ich war dabei. Und er war … nun ja … | |
… er war eher so mittel. Wobei es manchmal doch tüchtig zur Sache ging, da | |
war dann schon so ein Ächzen in der Welt. Und es gab diese Momente einer | |
künstlerischen Selbstvergessenheit, immer wieder blitzte eine somnambule | |
Sicherheit auf. Eine Weltverlorenheit in bizarrer Schönheit. | |
Es war also eine bunte Sammlung von allerlei Irrsinn und manchen | |
Verrücktheiten an diesem Abend [1][im Berliner Exploratorium], in das sich | |
trotz des verheißungsvollen Titels gar nicht so viele locken ließen. Aber | |
schließlich ist immer genug anderes los in der Stadt, wer wartet da dann | |
auf den „Weltuntergang“? | |
Nur wenige Handvoll Besucher wollten sich das mal begucken und beschauten | |
dann etwa genauso viele Menschen im Bühnrenraum bei ihrem Tun. Wie sie | |
säuselnd sich auf einen Ton eingroovten, wie sie brummten oder gleich eine | |
Karikatur von Operngesang in den Saal stemmten. Zwischendurch durfte die | |
Musik freigeistig rocken wie in einer Hippiekommune, es gab zerrissene | |
Fetzen einer selbst gebastelten Neuen Musik, eine Frau war dabei zu sehen, | |
wie sie entrückt Wasser in ein großes Glas schüttete … | |
Das alles passierte bei diesem „Weltuntergang“, einem Musiktheater für | |
SängerInnen, SprecherInnen, Chor und Instrumentalisten nach Texten von Kurt | |
Schwitters, Hannah Höch und Reinhard Gagel, der dieses mit | |
improvisatorischem Zugriff angegangene Happening auch anleitete. | |
## Fümms bö wö tää zää | |
Die Namen Schwitters – mit „Fümms bö wö tää zää Uu, pögiff, kwii Ee… | |
seine legendäre „Ursonate“ an – und Höch – [2][die Berliner Künstler… | |
wurde vor allem mit ihren Collagen bekannt – verweisen natürlich auf Dada, | |
diese Kunstströmung vor 100 Jahren, der auch der Erste Weltkrieg mächtig in | |
den Knochen steckte und die scheinbar gar nicht mehr ernsthaft das Gespräch | |
suchte mit ihrer Stummelsprache und den zerschnittenen Bildern. Eine | |
Aufkündigung von bis dato geltenden Verabredungen, die Simulation einer | |
Kommunikation. Einfach die Aufkündigung von Sinn. | |
Heute nennt man so eine Arbeitsweise disruptiv. Ein Cut mit der | |
Vergangenheit. Wir leben ja derzeit in bewegten Zeiten, in denen sich | |
vieles verschiebt, dass man sich nicht wirklich sicher sein kann, ob die | |
Welt nicht tatsächlich in den Untergang plumpsen könnte. Oder zumindest die | |
Welt, wie wir sie kennen und von der man sich wohl verabschieden muss. | |
Im Bühnenraum versuchte inzwischen die Frau mit dem Wasser im großen Glas | |
mit Plätschern oder sonst wie Musik zu machen, es gab alberne Gesten hier | |
und feistes Deklamieren dort. Schreien, Kreischen, ein Trommeln in der | |
Nacht, mit dem in den besten Augenblicken jedweder Sinn wirklich | |
windelweich geklopft wurde. Also unbedingt tolle Momente, und andererseits | |
wirkte das Ganze mit dem Drive einer Schultheateraufführung auch immer | |
wieder arg bemüht, brav die Aufgabe des Abends abarbeitend. Eher so mittel, | |
also. | |
Zum Schluss dieses einstündigen Singspiels wurde noch richtig Sinn | |
hineingepumpt, der im Libretto vermerkte Weltuntergang durfte dann doch | |
nicht eintreten. „Und die Gefahr ist glücklich abgewendet“. Na schön. | |
## Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang | |
Aber geht ja doch immer weiter. In den Fünfzigern, man hatte gerade erst | |
den Staub der letzten Katastrophe von den Klamotten geklopft, wurde gern | |
das gesungen: „Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht | |
mehr lang, wir leben nicht mehr lang …“ | |
Ein Karnevalsschlager. Den 30. Mai borgte man sich aus der nahen | |
Geschichte. In der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942 wurde Köln in Schutt | |
und Asche gebombt. | |
In dem Liedchen aber fehlt die alles entscheidende Zahl. Weswegen gleich | |
fröhlich weitergesungen wird: „Doch keiner weiß in welchem Jahr, und das | |
ist wunderbar. Wir sind vielleicht noch lange hier, und darauf trinken | |
wir.“ | |
15 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Berlin-als-Heimat-fuer-schraege-Klaenge/!5963437 | |
[2] /Ausstellung-ueber-Dada-Kuenstlerinnen/!6022109 | |
## AUTOREN | |
Thomas Mauch | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Kolumne Großraumdisco | |
Weltuntergang | |
Dadaismus | |
Experimentelle Musik | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Kolumne Großraumdisco | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Schwerpunkt Stadtland | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Mongolische Selbstvergewisserung: Die alte Klage der Pferdekopfgeige | |
In der Mongolei sieht man die Zeit als Kriegsmacht als vorbei an und setzt | |
nun auf Soft Power. In Berlin durfte man dabei von erfundener Tradition | |
hören. | |
Verkostung von besonderen Bieren: Zu tief ins Fass gestarrt | |
Um „fassgereifte Lebensmittel“ ging es beim Berliner „Barrel Summit“. W… | |
dabei vor allem an Schnaps und Bier denkt, liegt völlig richtig. | |
Skifahren in Berlin: Mal anders auf die Piste gehen in der Stadt | |
Skilanglauf ist als winterliche Fortbewegung wie geschaffen für städtische | |
Parks. Wenn denn mal Schnee in der Hauptstadt liegt. | |
Fangesänge im Museum: Fußballhymnen mit dem Drang zur Kunst | |
Legendär ist der Büchsenwurf, der fest zum Mythos vom Bökelberg zählt. Nun | |
hat Borussia Mönchengladbach auch die erste atonale Fußballhymne der Welt. | |
Im Berliner Karstadt am Hermannplatz: Mit Herrn Lehmann auf dem Weg zur Kasse | |
Schon der von Sven Regener beschriebene Herr Lehmann hat seine Badehose im | |
Karstadt am Herrmannplatz gekauft. Lohnt sich das immer noch? Ein | |
Ortsbesuch. | |
Buch über Metal-Fans von Frank Schäfer: Wo alte Jungs sich in T-Shirts zwäng… | |
Mit „Nötes of a Dirty Old Fan“ füttert Frank Schäfer seine liebsten | |
Szenefreunde und Kollegen. Das funktioniert nicht nur bei Metalfans. |