# taz.de -- Krimi-Serie „Spuren“ bei der ARD: Tote in den Weinbergen | |
> Diese Serie zeigt von Polizeiarbeit, wie sie wirklich ist: mühsam. | |
> Spannend ist es trotzdem – was besonders am tollen Cast liegt. | |
Bild: Trägt auch ihr Päckchen mit sich: Kommissarin Kramer | |
Deutschland ist ja [1][Fernsehkrimiland]. Selbst ausgehfreudige | |
Zwanzigjährige aus Neukölln machen es sich sonntags ab 20.15 Uhr vor der | |
Glotze gemütlich. Das wohlige Gefühl, das Kommissar:innen vermitteln, | |
wenn sie Gutes von Bösem, Quatsch-Fährte von unerwarteten Nebenspuren | |
scheiden, will sich kaum jemand nehmen lassen. Es geht doch meist um die | |
letzten arbeitsfreien Stunden vor dem Wochenbeginn. Die gilt es | |
auszukosten. | |
Ja, es stimmt, seit einigen Jahren ist man weggekommen von Derrick-artigen | |
Typen im Trench, die ohne die Miene zu verziehen durch Geistesblitze und | |
ruhige Cognac-Gespräche mit den Verdächtigen zuverlässig Verbrechen | |
aufklären. Doch die wahre, [2][kleinteilige Polizeiarbeit] wird selten | |
thematisiert. Zu mühsam, [3][zu büro-öde] käme sie daher, filmte man sie | |
1:1 ab. So dachte man bis jetzt. | |
Die ARD-Miniserie „Spuren“ ist konzeptionell anders aufgebaut als alles, | |
was man bisher aus dem Genre kannte. Zum Glück. Ohne zu langweilen, werden | |
die Zuschauer:innen hier zu Beobachter:innen authentischer | |
Polizeiarbeit. Das Detail, die Frickelarbeit, wird in den Vordergrund | |
geschoben. Angelehnt an zwei reale Kriminalfälle von 2016 in Südbaden, | |
wird, zusätzlich zur gezeigten Ermittlungsarbeit, ein Sittenbild dörflichen | |
Zusammenhalts gemalt. | |
Zeugenvernehmungen werden stets im Zusammenhang mit familiären und | |
freundschaftlichen Verbindungen gezeigt. Jeder kennt hier jeden. Da zwei | |
junge Frauen vermisst werden, gerät das Zusammenleben in der Provinz in | |
Schieflage. Morde? Hier bei uns? Es kann nicht sein, was nicht sein darf. | |
Im Mittelpunkt der Handlung stehen, neben allerhand provinziellem Personal, | |
die Kriminaloberrätin Barbara Kramer (Nina Kunzendorf) und der ihr zur | |
Seite gestellte Kollege Thomas Riedle (Tilman Strauß). Sie stammt | |
ursprünglich aus der Gegend, hat lange in der Großstadt gearbeitet, kam | |
zurück und unterstützt nun ihren Vater beim Verkauf des Elternhauses. | |
Dieses Setting erinnert an die komödiantische Krimiserie „Mord mit | |
Aussicht“, geht aber völlig unalbern mit der Situation um. | |
Auf Nebenspuren wird miterzählt, wie sich die ruhige, hochkonzentrierte | |
Kramer gegen misogyne Vorurteile und Ressentiments in- und außerhalb ihre | |
Teams wehrt, zugleich aber ihre berufliche Position nicht gegen | |
Mitarbeiter:innen ausspielt. Fast scheint es, als habe sie, | |
augenrollend natürlich, sogar Verständnis für so manche Hinterwäldlerei. | |
Souverän und fokussiert macht sie ihre Arbeit und schafft es, durch die | |
Einrichtung einer Soko Licht ins Dunkel zu bringen. | |
Ihr Team setzt sich aus unterschiedlichen Charakteren zusammen. Sie ziehen | |
allerdings alle an einem Strang. Es ist aufregend, dabei zuzusehen, wie | |
mühsam jede Spur abgearbeitet wird. | |
Stets unter Druck, weil eine Soko nur auf einen bestimmten Zeitraum | |
ausgelegt ist, tappen die Beamte:innen teils im Dunkeln, kämpfen mit | |
Rassismus und Datenabgleich, mit falschen Fährten und maulfaulen | |
Dorfbewohner:innen. | |
Regisseur Stefan Krohmer und die Drehbuchautor:innen Robert Hummel und | |
Martina Mouchot zeichnen Kramer und Riedl als emphatisch und respektvoll. | |
Man glaubt den Figuren alles. Das ist das Herausragende dieser Serie. Die | |
Dialoge haken an keiner Stelle, alles wird von den Schauspieler:innen | |
locker und unverkrampft durchgespielt. | |
Die großartige Nina Kunzendorf zieht wieder mal alle Register ihres | |
Könnens. Zurückhaltend agierend, hat sie, in durabler Kleidung und | |
ungeschminkt, die Zügel in der Hand. Man ahnt, dass auch sie ein Päckchen | |
mit sich herumschleppt, aber das wird nie plump dialogisiert, sondern | |
lediglich durch Körpersprache und Mimik angedeutet. Kunzendorf zeigt sich | |
in dieser Serie auf dem Gipfel ihres Könnens. | |
Und Tilman Strauß. Mein Gott, Tilman Strauß! In der Rolle des Sidekicks | |
Riedl brilliert er, obwohl seine Rolle charakterlich nicht so viel hergibt. | |
Er ist so überzeugend, dass man es manchmal nicht fassen kann. | |
Hach, endlich mal wieder eine tolle Serie im öffentlich-rechtlichen | |
Fernsehen, an der alles begeistert. Story, Schauspieler:innen, Set-Design, | |
Regie. Unbedingte Empfehlung! | |
11 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Rebecca Spilker | |
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