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# taz.de -- Polizei und „Clankriminalität“: Nachnamen als Verdachtsmoment
> Die Berliner Polizei führt eine Datei mit über 7.200 Datensätzen zu
> Personen, die arabischen Großfamilien zugeordnet werden – zum Teil
> willkürlich.
Bild: Razzia in Neukölln: Polizeieinsatz gegen sogenannte Clankriminalität
Berlin taz | Regelmäßig führt die Berliner Polizei spektakuläre Razzien
gegen die sogenannte Clankriminalität durch, der schwarz-rote Senat brüstet
sich mit seiner „Null-Toleranz-Strategie“, entsprechende Schlagzeilen
prägen die Medienlandschaft.
Dabei macht die sogenannte Clankriminalität nur 0,2 Prozent der erfassten
Taten in Berlin aus. Pro Jahr zählen die Sicherheitsbehörden [1][eine
niedrige dreistellige Zahl an Tatverdächtigen im Bereich der „Clans“].
Mit Blick auf diese Fakten lässt eine Zahl aufhorchen, die jetzt durch die
[2][Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage]
des Linken-Abgeordneten Niklas Schrader bekannt wurde.
Demnach pflegt die Polizei eine Datei mit dem Titel „Gruppierungen aus dem
arabischen Sprachraum“, in der derzeit die Daten von 7.208 Personen
gespeichert sind. Wie passt diese Zahl zur deutlich geringeren Anzahl von
Tatverdächtigen und zum geringen Anteil an der Gesamtkriminalität in
Berlin?
## „Falscher“ Name? Pech gehabt
Auf taz-Nachfrage erklärt ein Polizeisprecher, dass es bei der
Datensammlung um „eine einzelfallbezogene Betrachtung der Strukturen der
sogenannten Clankriminalität“ gehe. Und ergänzt dann: „In den Vorgängen,
denen eine oder mehrere Personen dieser Definition zugeordnet sind, können
auch weitere Personen erfasst werden, die nicht als [3][Akteure der
Clankriminalität] gelten.“
Deutlicher formuliert: Auch Menschen, die nicht kriminell aufgefallen sind,
landen in dieser Datei. Etwa weil sie mit Verdächtigen verwandt sind oder
einfach nur ähnliche Nachnamen tragen: Remmo, Abou-Chaker, Al-Zein.
Wie die Aufnahme in die Datei konkret abläuft, bleibt offen, weil die Daten
selbst nicht einsehbar sind. Dazu kommt, dass von Gerichten freigesprochene
Verdächtige weiter in der Datei geführt werden, weil ein Abgleich mit
Gerichtsurteilen nicht stattfindet.
Hier spielt der Datenschutz also eine wesentliche Rolle. Darüber wacht
wiederum [4][Berlins Datenschutzbeauftragte Meike Kamp]. Ihre Behörde hat
sich die Einträge zur „Clankriminalität“ in Poliks, dem Polizeilichen
Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung, angeschaut
und sieht in der Sammelpraxis der Polizei dort grundsätzlich kein Problem,
sie habe Stichproben untersucht und dabei keine Auffälligkeiten gefunden.
Bei der Datei „Gruppierungen aus dem arabischen Sprachraum“ sei eine
Einzelfallprüfung nötig. „Diese ist bislang für diese konkrete Datei nicht
erfolgt“, teilt Kamps Sprecher mit. Und weiter: „Wir haben angeregt, dass
die Polizei im Austausch mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft
kontinuierlich die Erforderlichkeit spezifischer Merkmale für die
Ermittlungsarbeit und Gefahrenabwehr überprüfen sollte.“ Ein
datenschutzrechtliches Donnerwetter klingt anders.
## Spiegel einer entgleisten Debatte
Niklas Schrader, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im
Abgeordnetenhaus, sieht bei der Datensammlung zu „Gruppierungen aus dem
arabischen Sprachraum“ ein grundsätzliches Problem. Die Datei sei ein
[5][Spiegel einer entgleisten Debatte]. „Eine Vielzahl von Menschen gerät
in den polizeilichen Fokus, weil sie, auf welcher Grundlage auch immer,
Großfamilien zugeordnet werden“, sagt Schrader.
Das sei nicht nur eine diskriminierende Praxis. „Es bringt auch aus
kriminalistischer Sicht nichts, den Heuhaufen größer zu machen.“ Es sei
legitim, ermittlungsrelevante Datensätze zu speichern, so der
Linken-Politiker. Alle anderen müssten aber gelöscht werden.
9 Feb 2025
## LINKS
[1] /Sogenannte-Clan-Kriminalitaet/!5710348
[2] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-21…
[3] /Neuer-Lagebericht-aus-Berlin/!5949814
[4] /Datenschutzbericht-2023/!6034217
[5] /Was-ist-Clankriminalitaet/!5972037
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
## TAGS
Polizei Berlin
Kriminalität
Die Linke Berlin
Datenschutz
Rechtsextremismus
Neukölln
Clans
Clans
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