| # taz.de -- Einbürgerungen in Berlin: Chaos in der Digitalisierung | |
| > Das Landesamt für Einwanderung musste seine Online-Terminvergabe stoppen. | |
| > Nun gibt es auch in Notfällen kaum Termine, was fatale Folgen haben kann. | |
| Bild: Da hat jemand Glück gehabt und einen der begehrten Termine im Landesamt … | |
| Berlin taz | Bei dem Landesamt für Einwanderung LEA ist es seit Monaten | |
| nicht mehr möglich, online Termine zu buchen. Damit reagierte die Behörde | |
| [1][auf die Kritik der taz] und der parlamentarischen Opposition, wonach | |
| kommerzielle Anbieter mit den viel zu wenigen Behördenterminen handeln. Wer | |
| einen Termin brauchte, musste diesen bei den fraglichen Anbietern kaufen, | |
| die sie massenweise gebucht hatten. Nach Kenntnissen des LEA betraf das im | |
| vergangenen Sommer noch 80 Prozent aller Termine. In der Konsequenz wurde | |
| die Online-Terminvergabe seit Herbst 2024 völlig eingestellt. Vorher war | |
| sie längere Zeit aus technischen Gründen nicht abrufbar. | |
| Schrittweise will das LEA völlig auf digitale Arbeit umstellen. Das heißt, | |
| Antragsteller müssen nicht mehr digital Termine buchen, sondern digital | |
| Anträge stellen, alle dazu benötigten Nachweise digital hochladen und | |
| erhalten dann einen Termin zum Abholen ihrer Aufenthaltserlaubnis, ihres | |
| Reiseausweises oder anderer Dokumente. Das hatte der Direktor Engelhard | |
| Mazanke im September vor dem Innenausschuss erklärt. Schaffen will er das | |
| bis Ende 2025. Dann sei das LEA die „erste komplett digitalisierte | |
| Einwanderungsbehörde dieser Republik“. | |
| Einige wenige Anliegen können bereits jetzt online erledigt werden, wie die | |
| Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis für Studierende und die Beantragung | |
| einer Blauen Karte EU für wichtige internationale Fachkräfte oder auch die | |
| Verlängerung des Chancen-Aufenthaltsrechts. Das ist zweifellos ein | |
| Fortschritt. Aber was passiert, wenn das befristete Aufenthaltsrecht | |
| abläuft? Für Betroffene kann das fatale Folgen haben wie den Verlust des | |
| Jobs oder die Unmöglichkeit, eine Wohnung anzumieten. | |
| ## Um Termine muss gebeten werden | |
| Hinweise auf der Website des LEA zeigen die katastrophale Lage. So können | |
| Betroffene um einen zeitnahen Termin bitten, wenn sie ein Notfall sind, | |
| beispielsweise, wenn ihnen wegen des abgelaufenen befristeten | |
| Aufenthaltsrechts die Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder der Entzug | |
| von Sozialleistungen droht. Dazu müssen sie Schreiben des Arbeitgebers oder | |
| einer Behörde hochladen, wenn sie einen zeitnahen Termin haben wollen. | |
| Weiter heißt es auf der Website, dass Notfälle, die sich durch Verlust des | |
| Passes oder die Aufenthaltserlaubnis ergeben, „aus technischen Gründen“ | |
| leider nicht zeitnah bearbeitet werden können. | |
| Solche und weitere Anliegen können Antragsteller dann auf einem | |
| Kontaktformular beim LEA vortragen und dort um einen Termin bitten. Der | |
| migrationspolitische Sprecher der Grünen, Jian Omar, sagte der taz, er | |
| „habe die Behörde in einer Ausschusssitzung mit der Aussage aus | |
| Behördenkreisen konfrontiert, wonach zwischen 6.000 und 7.000 solcher | |
| Anfragen unbearbeitet beim LEA liegen würden. Sie hat das weder bestätigt | |
| noch dementiert.“ | |
| Omar zufolge sei die Bearbeitung solcher Terminanfragen je nach Referat | |
| sehr unterschiedlich. „Manchmal bekommen die Antragsteller schon nach zwei | |
| Wochen eine Antwort. In anderen Fällen warten sie seit Monaten, ohne dass | |
| sie erfahren, ob ihre Anfrage überhaupt bearbeitet wird.“ Dabei gehe es oft | |
| um existenzielle Fragen wie Familiennachzug, die Genehmigung für eine Reise | |
| zu sterbenden Verwandten im Ausland oder die Unmöglichkeit, eine Wohnung | |
| ohne Aufenthaltserlaubnis anzumieten. | |
| ## Völlige Digitalisierung ist realitätsfremd | |
| „Viele Leute sind völlig verzweifelt. Sie suchen Abgeordnetenbüros auf oder | |
| stellen sich vor die Tür des LEA. Es muss für solche Notfälle wieder | |
| Termine vor Ort geben“, fordert der Politiker. Für Emily Barnickel vom | |
| Flüchtlingsrat hat sich durch die Änderung das Chaos beim LEA nur | |
| verschoben, es wurde nicht beseitigt. „Die Behörde arbeitet völlig | |
| intransparent. Es ist nicht möglich, dort einfach etwas am Telefon oder auf | |
| anderem Weg nachzufragen, ohne dass man sich einen Anwalt nehmen muss. Es | |
| gibt keine Beschwerdestelle“, kritisiert sie. | |
| Sie hält es auch für einen Irrglauben, dass ausgerechnet eine Behörde, die | |
| zum Teil von Menschen mit geringen deutschen Sprachkenntnissen genutzt | |
| wird, [2][ausschließlich digital arbeiten könne]. „Das ist nicht | |
| barrierefrei. Für Menschen ohne eigenen PC und für sehbehinderte und nicht | |
| alphabetisierte Menschen muss es auch die Möglichkeit geben, ihr Anliegen | |
| vor Ort vorzutragen“, fordert sie. | |
| Für den Eritreer Ghidey Haile (Name geändert) beispielsweise ist die | |
| Digitalisierung keine Lösung: Aufgrund sprachlicher Missverständnisse steht | |
| in seinen deutschen Ausweispapieren ein falscher Geburtsort. Er will diesen | |
| korrigieren, aber er hat keinen PC, kann sich mit seinem Handy auf der | |
| deutschsprachigen Website des LEA nicht orientieren und kann auch keine | |
| Papiere hochladen. Ihm bleibe nichts anderes übrig, als Leuten Geld | |
| anzubieten, damit sie das für ihn tun, sagt er der taz. | |
| Längst gibt es für Einbürgerungen, die man auch digital beantragen kann, | |
| einen Markt von Migranten, die das aufwändige Sortieren und Hochladen der | |
| Unterlagen gewerblich erledigen. Aber wer eingebürgert werden will, lebt in | |
| gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen und kann es sich leisten, dafür | |
| 100 Euro zu zahlen. Das trifft für Menschen, deren befristeter Aufenthalt | |
| abläuft, eher nicht zu. | |
| 28 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
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