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# taz.de -- Die Wahrheit: Biathlon im Dom
> Aus Geldnot erprobt die katholische Kirche in Köln innovative Wege, an
> mehr Mammon zu kommen, und entdeckt den Wintersport rund um den Altar.
Bild: Unbezahlbare Dienstleistung: Weihräuchern im Kölner Dom
Monsignore Guido Assmann fischt uns vor dem Hauptportal des Kölner Doms aus
dem nicht abreißenden Menschenstrom. Sofort werden wir vom Generalvikar der
Bistumsverwaltung durch einen Sondereingang für VIP-Gäste in den gewaltigen
Innenraum geschoben. Dem Sog der Samstagmittag-Stampede entgehen wir nur um
Haaresbreite.
„Sie haben Glück“, lacht Assmann, der uns zum Rundgang durch den
aufgepimpten Katholentempel eingeladen hat. „Wir haben mit der Stadt Köln
vereinbart, die Domplatte bis auf einen schmalen Durchgang in die
Kathedrale hinein zu sperren. So müssen die, die in der Fußgängerzone
shoppen wollen, es erst mal durch den Dom schaffen! Die Wahrscheinlichkeit,
dass sie dabei unsere ‚Erlebnisangebote‘ nutzen oder etwas kaufen, ist
sehr, sehr hoch. Denn finanziell sind wir ja nicht auf Rosen gebettet.
Kommen Sie!“
Wir gehen weiter, tasten uns am Gemäuer entlang durch das südliche
Seitenschiff. Fast werden wir von Touris im Schlussverkauf-Modus
niedergetrampelt. Der 61-jährige Assmann raunt uns zu, dass der Unterhalt
des Kölner Doms jährlich 12,5 Millionen Euro koste: „Umgerechnet sind das
rund 34.000 Euro am Tag!“ Das Problem sei, dass dem Erzbistum aufgrund der
vielen Austritte bis 2030 rund 100 Millionen Euro weniger Kirchensteuer
zufließt. „Ein Ende der Austrittswelle ist nicht absehbar. Deshalb sollen
uns die sechs Millionen Dombesucher im Jahr so bald wie möglich autark
machen!“
## Bettelnder Roboter
Während wir von einem anhänglichen Opferstock-Roboter verfolgt werden, der
uns alle zehn Sekunden auffordernd in die Hacken fährt, laufen wir weiter.
Vorbei am modernen Gerhard-Richter-Fenster führt Assmann uns zum Klappaltar
der Kölner Stadtpatrone aus dem 15. Jahrhundert. „Gegen einen Obolus im
fünfstelligen Bereich haben betuchte Kölner und reiche Auswärtige die
Möglichkeit, sich in die weltberühmten Original-Gemälde von Stefan Lochner
malen zu lassen“, schnalzt Assmann mit der Zunge. „Noch ist in den Bildern
reichlich Platz.“
Wir sehen genauer hin und entdecken zwischen den Heiligen Drei Königen
Lukas Podolski, der das Jesuskind mit einem Döner füttert. Daneben leckt
Effzeh-Maskottchen Hennes IX. dem Erlöser mit seiner pelzig aussehenden
Zunge die Füße. „Natürlich haben wir auch für die mittleren Gehaltsklassen
etwas im Angebot. Hier, packen Sie mal mit an.“
Mit dem Seelenhirten unseres Vertrauens wuchten wir die schwere Steinplatte
vom benachbarten Sarkophag des 1191 verstorbenen Kirchenmanns Philipp von
Heinsberg. Wir trauen unseren Augen nicht, als darunter ein brandneuer
Snooker-Tisch mit EC-Karten-Schlitz hervorlugt. Kurz erwägen wir, Assmann
herauszufordern und in „seinem Wohnzimmer“ vernichtend zu schlagen.
Allerdings sind uns 50 Euro Gebühr für ein Match, bei dem womöglich der
Heilige Geist anstelle des Theologen die Kugeln einlocht, viel zu teuer.
## Verschlankte Glocke
Mittlerweile ist es früher Nachmittag. Wir haben mit Don Assmann die Stufen
zur Glockenstube im Südturm erklommen. Die berühmt-berüchtigte
Petersglocke, von den Kölnern liebevoll „Dicker Pitter“ genannt, erwartet
uns extrem verschlankt. „Von der ehemals 24 Tonnen wiegenden
Bronzelegierung ist nach dem Einschmelzen und Neugießen nur noch gut die
Hälfte übrig geblieben. Um den Rest bei den Stahlpreisen nicht
gewinnbringend zu verscherbeln, war die Versuchung einfach zu groß“,
bekreuzigt sich der Domprobst reumütig.
Selbstverständlich müsse auch der jetzt „Dünne Pitter“ als Teil des
Ensembles zum Unterhalt des Doms beitragen. Dafür solle er künftig nicht
mehr nur an hohen Feiertagen und rund um die Papstwahl ins Schwingen
kommen. „Geläutet werden kann, bei entsprechender Bezahlung, ab sofort für
alles und jeden“, frohlockt der Monsignore.
Zurück im Hauptkirchenschiff füllen sich die Bänke derweil mit Zuschauern.
Während durch das Nordportal die Schneekanonen für den ersten
Indoor-Biathlon-Weltcup hereingekarrt werden, bringen sich im Mittelgang
bereits etliche Kameraleute in Stellung. Der selig entrückte Würdenträger
scheint beim Gedanken an TV-Rechte und Werbegelder die Englein singen zu
hören. Das 7,5-Kilometer-Rennen der Damen mit jeweils vier Runden durch den
Dom und zweimaligem Ausschießen von Opferkerzen ist unsere Sache nicht.
Bevor das Spektakel losgeht, verabschieden wir uns von Don Assmann. Der
möchte bei allem Kommerz eines klarstellen. „Von unseren Gästen für den
Kölner Dom-Besuch keinen Eintritt zu verlangen, bleibt eine
Selbstverständlichkeit. Die Einführung aber von Atemluftpauschale und
Fußbodenabnutzungsgebühr ist angesichts der Finanzmisere leider
alternativlos.“ Na, dann kann mit der himmlischen Konsolidierung ja nichts
mehr schiefgehen! Amen.
5 Feb 2025
## AUTOREN
Patric Hemgesberg
## TAGS
Finanzen
Katholische Kirche
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Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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Kanzlerkandidatur
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