| # taz.de -- Künstlerinnen im Exil in Palästina: Im Zeichen von Flucht und Ank… | |
| > Das Museum Eberswalde stellt Arbeiten der Fotografin Ellen Auerbach und | |
| > der Zeichnerin Lea Grundig vor. Gezeigt wird ihre Flucht nach Palästina. | |
| Bild: Ellen Auerbach, Ohne Titel [Selbstporträt im Spiegel, Palästina], 1934.… | |
| [1][Ellen Auerbach] steht im April 1936 im Zentrum von Tel Aviv am Fenster | |
| und macht eine der letzten Aufnahmen vor ihrer Abreise aus Palästina. | |
| Hinter einem Gebäude im Vordergrund zeichnet sich in der Ferne die | |
| Küstenlinie ab. Dem Gebäude fehlen Fenster und Balkongeländer. Es wurde | |
| noch nicht fertig gebaut. Gleichzeitig sind Spuren mutwilliger Zerstörung | |
| zu sehen, verübt im Zuge des arabischen Aufstands, der bis 1939 dauern | |
| sollte. Ellen Auerbach war Ende 1933 aus Berlin nach Palästina geflohen. | |
| Jetzt flieht sie den neuen Konfliktherd und schifft sich nach London ein. | |
| Im Museum Eberswalde ist auch ihr zehnminütiger Kurzfilm „Tel Aviv“ zu | |
| sehen, ein Werbefilm über „die erste jüdische Stadt“ im Auftrag des Tel | |
| Aviver Studios Mechner. In dem Stummfilm springt einem die Geschwindigkeit | |
| direkt ins Auge, mit der sich dort Urbanität entwickelte. Zwischentitel | |
| kommentieren: „1910 300 Juden“ und „1935 130.000 Juden“. | |
| Auerbach, in Berlin Mitinhaberin des Fotostudios „ringl+pit“, bekannt für | |
| innovative Sach- und Werbefotografie, verdient im Exil ihren | |
| Lebensunterhalt mit Porträtfotos von Kindern. Mit einer leichten Handkamera | |
| erkundet sie das Land. So fotografiert sie ein arabisches Stadtensemble aus | |
| der Vogelperspektive. Sie blickt mit einem Jungen am Strand auf eine | |
| Kamel-Karawane, zwei jüdische Obst- und Gemüsehändlerinnen schauen offen in | |
| ihre Kamera. Einen arabischen Straßenmusikanten hat sie im Augenblick | |
| eingefangen. Rund 60 der insgesamt 540 Palästina-Fotos, deren Negative in | |
| der Berliner Akademie der Künste aufbewahrt werden, sind in der Ausstellung | |
| „Ellen Auerbach – Lea Grundig. Zwei Künstlerinnen in Palästina“ zu sehe… | |
| Die Fotografien sind spannende Dokumente der damaligen Lebensrealität. Sie | |
| zeigen Auerbachs ganz persönlichen Ausschnitt und machen visuell Freude, | |
| weil Auerbach einen unfehlbaren Sinn für Proportionen hat und, Ende der | |
| 20er Jahre an der Kunstakademie in Stuttgart ausgebildet, immer wieder neue | |
| Blickwinkel wählt. | |
| ## Aus der Gestapo-Haft freigekauft | |
| Ellen Auerbach und [2][Lea Grundig] sind sich nie begegnet. Grundig, | |
| bekennnende Kommunistin, wird 1939 aus der zweiten Gestapo-Haft vom | |
| Palästina-Amt, einer Außenstelle der Jewish Agency for Palestine, | |
| freigekauft. Im Katalog beschreibt die israelische Wissenschaftlerin Rina | |
| Offenbach Grundigs dramatische und gleichzeitig unendliche Flucht von | |
| Bratislava nach Haifa. | |
| Die „Patria“ sinkt vor Tel Aviv. Das gilt es zu überleben. Zusätzlich ste… | |
| vor und nach der Schiffspassage der Aufenthalt im Flüchtlingslager, in der | |
| Slowakei im Sammellager für jüdische Flüchtlinge Patronka und in Palästina | |
| im britischen Internierungslager Atlit. Die Flucht ist erst zu Ende, als | |
| sie am 8. Oktober 1941 aus dem Internierungslager entlassen wird. | |
| Grundig, ausgebildet an der Dresdner Kunstakademie bei Otto Gussmann, lässt | |
| sich nach Atlit Tusche, Wasserfarben, Pinsel und Feder schicken. Sie | |
| porträtiert ihre Mitgefangenen und stellt eine Ausstellung im Lager auf die | |
| Beine. In Eberswalde, unterm Dachstuhl des Museums, blicken einem „Dr. | |
| Auerbach, Arzt aus Deutschland“, der Schriftsteller Josef Kastein, „ein | |
| Architekt, der nicht zu Ende studieren konnte“, und viele mehr entgegen. | |
| Grundigs Federstrich schafft Dreidimensionalität. Ihre Tuschezeichnungen | |
| sind unmittelbar, als würde ein einziger Moment eingefangen und haben | |
| gleichzeitig etwas stark Metaphysisches, weil jedes Porträt den | |
| zermürbenden Zustand des endlosen angstvollen Wartens in einem demütigenden | |
| Abhängigkeitsverhältnis transportiert. | |
| ## Zeigen, wie Hunger Insassen entmenschlicht | |
| Sieht man die Augen der vor über 80 Jahren Porträtierten, in denen | |
| unendliche Erschöpfung und totale Hoffnungslosigkeit sinnlich greifbar | |
| sind, ist es, als stände man ihnen leibhaftig gegenüber. Ab 1945 | |
| thematisiert Grundig mit Wasserfarben-Brauntönen die Schoah. So stellt sie | |
| in „Hunger im Ghetto“ dar, wie Hunger die Insassen entmenschlicht. | |
| Ellen Auerbach geht noch während des Krieges in die USA. Ihre Fotos | |
| erscheinen u. a. im Time Magazine. Lea Grundig, die in Tel Aviv heimisch | |
| geworden ist und Hebräisch beherrscht, verdient ihren Lebensunterhalt zum | |
| großen Teil durch das Illustrieren von Kinderbüchern. Sie kehrt 1948 nach | |
| Dresden zurück, denn ihr Ehemann Hans hat das KZ Sachsenhausen, | |
| „Frontbewährung“ und die sowjetische Kriegsgefangenschaft überlebt. Beide | |
| Künstlerinnen haben jüdische und palästinensische Frauen porträtiert. Auf | |
| Foto und Zeichnung sind die Frauen ernst. Würde umgibt sie und ein | |
| In-sich-selbst-Ruhen. In Eberswalde sind sie friedlich vereint. | |
| 4 Feb 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katja Kollmann | |
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