# taz.de -- Almuth Schult über Mütter im Fußball: „Ich habe in Europa kein… | |
> Die einstige deutsche Nationalkeeperin Almuth Schult erklärt, warum es | |
> Mütter im europäischen Fußball schwer haben. Und warum es in den USA | |
> anders ist. | |
Bild: Almuth Schult zuletzt im Einsatz für die Kansas City Current | |
taz: Frau Schult, immer mehr Fußballerinnen werden während ihrer Karriere | |
Mütter, neben Ihnen zum Beispiel Melanie Leupolz und Tabea Sellner. | |
Allerdings erleben fast alle große Schwierigkeiten, etwa kaum Einsätze oder | |
DFB-Karriereende wegen hoher Belastung. Was fehlt noch für Mütter im | |
Fußball? | |
Almuth Schult: Es fehlt vermutlich eine Selbstverständlichkeit. Dieses | |
Proaktive, was es zum Beispiel in den USA gibt. [1][Die Liga] hat | |
Vorschriften, dass man Geld für Kinderbetreuung bekommt und jeder Verein | |
die Reisekosten für eine Betreuung und die Kinder übernehmen muss. Kinder | |
sind einfach immer willkommen. Hier in Deutschland beschäftigen sich die | |
Vereine oft erst damit, wenn ein Schwangerschaftsfall auftritt. | |
taz: Warum ist Deutschland so weit hinter den USA? | |
Schult: Im Fußball haben die USA das Potenzial erkannt. Wenn Mütter | |
weiterspielen, inspirieren sie den Nachwuchs, weil viele Töchter ihnen | |
vielleicht nacheifern, und sie können zudem eine Breite von Stars behalten. | |
Sie haben auch gemerkt, dass es für die Stimmung in den Mannschaften sehr | |
wertvoll sein kann, wenn Kinder dabei sind. Als meine Kinder dabei waren, | |
war eine andere Fröhlichkeit, Bodenständigkeit und Natürlichkeit da. Ein | |
Kind kann einen auf den Boden holen: Ja, wir haben jetzt verloren, aber | |
daran stirbt man nicht. | |
taz: Seit Dezember gelten in Deutschland die neuen Fifa-Standards für | |
Mütter im Fußball. Was wird das verändern? | |
Schult: Ich glaube gar nicht so viel, weil es in Deutschland schon den | |
gesetzlichen Mutterschutz gab. Natürlich sind es jetzt 14 Wochen und nicht | |
acht. Aber niemand regelt, was danach passiert. Wie funktioniert eine | |
Wiedereingliederung? Was ist, wenn man noch nicht spielfähig ist? Wichtig | |
ist die Regel, dass Vereine eine Schwangere ersetzen können außerhalb des | |
Transferfensters und Mütter diese Regel für sich nach der Geburt auch | |
anwenden können. | |
taz: Wie könnten Klubs ihren Spielerinnen Sicherheit geben? | |
Schult: Als Zeitarbeiterin ist Nachwuchs schwierig, dann steht man | |
plötzlich in der Schwangerschaft ohne Job da. Das hält sehr viele davon ab. | |
Du musst einen Verein mit Mut haben wie Melanie Leupolz bei Chelsea. Sie | |
war noch nicht mal auf dem Platz zurück, da haben sie ihren Vertrag | |
verlängert, um ihr Sicherheit zu geben. Das war ein herausragendes Zeichen. | |
Ich würde mir wünschen, dass es einen Fifa-Fonds gibt, aus dem bis zu einem | |
halben Jahr nach der Geburt das Gehalt kompensiert wird, wenn eine Mutter | |
vereinslos wird. Und ich wünsche mir eine mit Gehaltsstufen geregelte | |
Wiedereingliederung. | |
taz: Was macht es in Deutschland schwer, sich zu organisieren? | |
Schult: Wir haben keine Gewerkschaft für Spielerinnen. Es gab eine | |
Bewegung, dass sich eine Interessensvertretung gründet. Ich hoffe, dass es | |
passiert, weil das absolut wichtig ist. Es ist schwieriger, als Einzelne | |
etwas zu fordern, weil man weiß, es kann individuelle Konsequenzen haben. | |
In den USA muss man keine Angst haben, denn es gibt Regeln, auf die sich | |
jede Mutter berufen kann und [2][die Players Association] als | |
Ansprechpartner. | |
taz: Hatten Sie vor der Schwangerschaft Angst um Ihre Karriere? | |
Schult: Ich wusste, dass es sein kann, dass meine Karriere vorbei ist. Aber | |
ich habe mir vorher klargemacht, dass ich sehr zufrieden und dankbar bin. | |
Und falls es vorbei sein sollte, bin ich mit mir im Reinen. [3][Das hat mir | |
viel Kraft gegeben.] Und natürlich hat mir auch meine Position geholfen, | |
mich für Veränderung einzusetzen. Wenn ich die Nummer 3 gewesen wäre, hätte | |
meine Rückkehr nicht so im Fokus gestanden und das Gewicht meiner Stimme | |
wäre sicher anders gewesen. | |
taz: Welche Rückmeldungen bekommen Sie zu Ihren Äußerungen? | |
Schult: Es gab viele positive Rückmeldungen von Spielerinnen oder auch von | |
Frauen aus anderen Berufen. Leider wird von Verbänden und Vereinen oftmals | |
nicht so gern gesehen, wenn man sich öffentlich mit Themen | |
auseinandersetzt. Da muss man in der Wortwahl sehr vorsichtig sein. In | |
Deutschland wird immer sehr schnell etwas negativ aufgefasst. Es gab zum | |
Beispiel die Fifpro und internationale Verbände, die mich als Quelle | |
benutzt haben. Die wollten nachfragen: Was müssten wir tun für eine | |
schwangere Spielerin? Das fand ich sehr fortschrittlich. | |
taz: Und das hat in Deutschland niemand gemacht? | |
Schult: Doch, aber erst im Nachhinein. Es gab vom DFB auf Initiative von | |
Doris Fitschen eine Projektgruppe, um Richtlinien für die erste und zweite | |
Liga zu erarbeiten. Ich habe mich darüber sehr gefreut, weil sie als | |
Co-Mutter selber miterlebt hat, [4][wie schwierig dieser Spagat ist.] | |
taz: Sie sind nach den Schwangerschaften nicht auf den Zenit Ihrer Karriere | |
zurückgekommen. Woran lag das? | |
Schult: Woran macht man den Zenit fest? Wenn man sich die Statistiken | |
meiner letzten Saison bei Kansas City anschaut, war ich | |
eine der weltbesten Torhüterinnen. Aber gerade auf meiner Position kommt es | |
auch darauf an: Wer hat in der Zwischenzeit übernommen? Setzen die Trainer | |
und Trainerinnen auf mich? Ich hatte erst recht nach der zweiten | |
Schwangerschaft das Gefühl, dass ich nicht nur als Sportlerin gesehen | |
werde, sondern ich habe nun mal drei Kinder. Dazu bin ich ein Charakter, | |
der seine Meinung äußert. Das ist vermutlich der Grund, weswegen ich in | |
Europa keinen Verein gefunden habe, also keinen Topverein. Aus den USA gab | |
es mehrere Angebote. | |
taz: Fehlt es im deutschen Fußball weiter an Kritikfähigkeit? | |
Schult: Das ist vielleicht ein Teil davon, aber es fehlt auch einfach der | |
Innovationsgedanke: Vielleicht in die Richtung „Ich möchte der Verein sein, | |
der führend auf der Welt im Umgang mit Müttern ist“. Bei Angel City und | |
auch Kansas City Current hatte ich das Gefühl: Sie tun alles, ohne sich | |
gedanklich einzuschränken. | |
taz: Welchen Unterschied macht es, wenn vor allem weibliche Investorinnen | |
da sind wie bei Angel City? | |
Schult: Das macht schon einen großen Unterschied. Weibliche Kräfte haben | |
normalerweise einen anderen Blickwinkel. Und es wäre auch wünschenswert, | |
dass so etwas im DFB und der Fifa in allen Bereichen abgebildet ist. Es | |
geht nicht nur darum, Frauen zu finden, sondern Frauen mit Qualität. Und da | |
haben wir im Fußball ein riesengroßes Problem, weil viele Frauen, die | |
Qualität haben, sich im Fußball nicht erwünscht fühlen. | |
31 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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