| # taz.de -- Hoffnung in Gaza: „Ich schaue zum Himmel und flüstere, das ist d… | |
| > Kann das wahr sein, geht dieser Krieg wirklich zu Ende?, fragt sich unser | |
| > Autor. Da ist ein Gefühl von Freude, und eine Angst, die bleibt. | |
| Bild: Tag eins nach der Verkündung einer möglichen Waffenruhe: Gaza-Stadt, 16… | |
| Laute Stimmen kommen von den Zelten. Frauen jubeln, Kinder lachen und | |
| schreien vor Freude. Es ist der Moment, auf den jeder gewartet hat: die | |
| Ankündigung eines Waffenstillstands. Die Schreie vermischen sich und wir | |
| können nicht fassen, was passiert. Kann das wahr sein? Geht dieser Krieg | |
| tatsächlich zu Ende? Die Antwort ist: Ja. | |
| Und doch, es bleiben noch drei Tage, bevor [1][das Abkommen offiziell in | |
| Kraft treten soll]. Wir treffen uns in den Straßen, sprechen miteinander, | |
| ohne wirklich zu verstehen, was wir fühlen. Mein Herz rennt, mein Atem wird | |
| lauter. Ich bin mir jeder Bewegung um mich herum ultrabewusst, höre jedes | |
| Geräusch, fühle die Präsenz von anderen. Ich schaue zum Himmel und | |
| flüstere: Das ist das Ende. | |
| Ein Jahr und ein halbes haben wir auf diese Neuigkeiten gewartet. Während | |
| dieser Zeit ist vieles in uns gestorben, Emotionen, die wir nun | |
| wiederzufinden versuchen. Sie werden wiederkehren, so wie wir in unsere | |
| Häuser zurückkehren werden. | |
| Unser Zuhause. Ich werde in mein Bett zurückkehren, zu meinen Büchern und | |
| zu meiner Tante. Meine Tante Nadia ist in Nordgaza geblieben, sie ist nie | |
| gegangen. Sie wartet auf mich. | |
| Ich stelle mir vor, wie meine Anziehsachen dort im Schrank auf mich warten. | |
| Warum sollten sie nicht? Ich habe meine Anziehsachen immer wie meine | |
| engsten Freunde behandelt, habe sie in meinen Schrank gelegt, sodass sie | |
| meinen Geruch annehmen. Aber was ist mit meinen Büchern – warten sie noch | |
| auf mich? | |
| Vor zwei Jahren hat mir Professor Munir Fasheh fünf seiner neu publizierten | |
| Bücher aus Jordanien geschickt. Niemand sonst hatte seine Bücher in Gaza. | |
| Aber ich musste sie zurücklassen, als ich geflohen bin, um mein Leben zu | |
| retten. Ich erinnere mich, wie die israelische Besatzungsmacht unsere | |
| Häuser besetzt und unsere Bibliotheken verbrannt hat. Was ist, wenn ich | |
| zurückkehre, um nichts mehr dort zu finden? | |
| Drei Tage bleiben noch, bis wir zurückkönnen in unsere Häuser, in eine | |
| Nachbarschaft, die viel verloren hat von dem, was sie ausgemacht hat. Diese | |
| Tage fühlen sich unerträglich schwer und angsteinflößend an. Die | |
| israelische Besatzung hat nicht aufgehört mit den Bombardierungen. Sie | |
| versuchen, uns unserer Freude zu berauben, unseres kleinen Gefühls von | |
| Frieden. Es sterben noch Menschen. | |
| Ein Telefonanruf von meiner Geliebten unterbricht das Chaos um mich herum. | |
| Mein Herzschlag beschleunigt sich, und ich will schreien, aber ich kann | |
| nicht. Sie sagt zu mir: „Jetzt können wir endlich unsere Leben leben.“ Und | |
| in dem Moment realisiere ich: Meine Liebe ist zu einer Zuflucht vor dem | |
| Krieg geworden. Und dieser Sonntag könnte der Tag werden, an dem wir | |
| gemeinsam feiern. Wir werden weit reisen, lernen, leben und Freude finden | |
| ohne Furcht. Wartet ihr auf uns? | |
| Esam Hani Hajjaj (27) kommt aus Gaza-Stadt und ist Schriftsteller und | |
| Dozent für kreatives Schreiben für Kinder. Nach Kriegsausbruch ist er | |
| innerhalb des Gazastreifens mehrfach geflohen. | |
| Internationale Journalist*innen können seit Beginn des Kriegs nicht in | |
| den Gazastreifen reisen und von dort berichten. Im „Gaza-Tagebuch“ holen | |
| wir Stimmen von vor Ort ein. | |
| 16 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Esam Hajjaj | |
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