| # taz.de -- Absurde Wahlplakate: Ist das noch Wahlkampf oder schon Stalking? | |
| > Dieses Jahr scheinen die Wahlplakate noch penetranter als sonst. Unser | |
| > Kolumnist rechnet ab. | |
| Bild: Sicher, Digger | |
| Eine Pause von der Politik gibt es im Wahlkampf nicht. Einen Monat lang auf | |
| Alkohol verzichten oder auf Zucker, wie es Achtsame im trostlosen [1][Monat | |
| Januar] verwirklichen, um ein bisschen Selbstwirksamkeit zu spüren: kein | |
| Problem. | |
| Ein Tag ohne Scholz, Merz, Habeck oder Lindner, einfach der eigenen mental | |
| health zuliebe: [2][unmöglich]. Neuerdings drängen sie sich einem nicht nur | |
| morgens [3][unter der Dusche beim Radiohören oder im Bett] vor dem | |
| Schlafengehen beim letzten Blick aufs Mobiltelefon auf, sondern sie | |
| stalken einen auch im Freien. | |
| „Mehr für dich. Besser für Deutschland“, schmunzelt mich Olaf Scholz etwa | |
| vor dem Hintergrund einer gewellten Deutschlandfahne an. Nicht nur | |
| ästhetisch erinnert dieses Wahlplakat an die Konkurrenz von rechts außen. | |
| Auch dass die Sozialdemokratie nicht mehr mit Solidarität, sondern mit | |
| Egoismus für sich wirbt, passt dazu. Aber mehr von was eigentlich? Mehr | |
| Regierungskrise, mehr Armut, mehr nichtssagende Kanzler-Statements?, frage | |
| ich mich da nur und lasse den Bundeskanzler rechts liegen. | |
| ## Lindner nicht mehr im Unterhemd | |
| „Schönreden ist keine Wirtschaftsleistung“, klugscheißt Christian Lindner | |
| mit schneidigem schwarz-weißen Wahlkampffoto an der nächsten Ecke. Während | |
| die Farbreduzierung in anderen Kontexten das Ableben einer Person markiert, | |
| betont sie hier die Zeitlosigkeit der immer gleichen Klientelpolitik der | |
| Liberalen. | |
| 2017 zeigte sich Lindner für einen Wahlwerbespot [4][noch im Unterhemd,] | |
| diesmal bleibt er angezogen: Sex sells gilt zwar immer noch auch für die | |
| Politik – aber heute würde eine solche Abbildung zu viel Angriffsfläche | |
| bieten, wo der ehemalige Finanzminister nach seiner Entlassung als | |
| Deutschlands frechster Arbeitsloser geschmäht wurde. | |
| „Für ein Land, auf das wir wieder stolz sein können“ wiederum steht unter | |
| einem geschäftig zur Seite blickenden und gestikulierenden Friedrich Merz. | |
| Kennen wir diesen Spruch nicht schon? | |
| ## Wiederverwertete Wahlslogans | |
| „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“ plakatierte die CDU | |
| 2017 mit Angela Merkel. Damals konnten Konservative noch stolz darauf sein, | |
| dass sie den Rechtsextremen nicht jeden Wunsch von den Lippen ablesen. | |
| Heute zeigt Friedrich Merz, wie wenig er von Prinzipientreue hält, indem er | |
| ausgerechnet Wahlkampfslogans seiner Erzrivalin wiederverwertet – und die | |
| Gewalttat von Aschaffenburg als willkommene Gelegenheit begrüßt, die | |
| sogenannte Brandmauer gegen die AfD einzureißen. | |
| „Zuversicht“ kann ich auf einem grünen Plakat schon aus der Ferne lesen, | |
| weil Robert Habeck auf dieses eine groß gedruckte Wort setzt. | |
| ## Situationship mit Baerbock | |
| Ich muss an Freunde denken, die einen genauso fürsorglich angucken, wenn | |
| man von einem Problem erzählt, die aber gar nicht richtig zuhören und | |
| anfangen zu trösten, bevor man ausgesprochen hat, weil wer will schon allzu | |
| lang über Probleme reden: „Du, ich weiß, das ist nicht leicht, aber glaub | |
| mir, das wird schon wieder!“ | |
| „Zusammen“ steht auf dem Plakat der Parteikollegin Annalena Baerbock. Wenn | |
| man sich ein Fragezeichen dazudenkt, klingt das wiederum wie eine genervte | |
| Aufforderung, den Beziehungsstatus in einer schon viel zu lange dauernden | |
| Situationship zu klären. | |
| Ne, du, lass lieber Freunde bleiben. | |
| 29 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Volkan Ağar | |
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