# taz.de -- Myanmar unter der Militärdiktatur: Imagepolitur mit der Amnestie v… | |
> Myanmars Generäle haben erneut die Freilassung mehrerer tausend | |
> Gefangener verkündet. Ein politischer Kurswechsel ist damit aber nicht | |
> verbunden. | |
Bild: Angehörige warten in Yangon am Eingang des berüchtigten Insein-Gefängn… | |
Berlin taz | Myanmars Militärjunta hat am Samstag erneut Tausende Gefangene | |
begnadigt. Aus Anlass des 77. Unabhängigkeitstages von der britischen | |
Kolonialmacht sollen laut Staatsmedien 5.864 Gefangene freikommen. Bei 144 | |
Gefangenen sollen lebenslange Haftstrafen auf 15 Jahre reduziert werden, | |
bei vielen anderen sollen die Haftzeiten um insgesamt ein Sechstel verkürzt | |
werden. | |
Vor Gefängnissen warteten am Wochenende Angehörige auf Freigelassene und | |
konnten sich dann entweder freuen oder wurden enttäuscht. Unter den | |
Freigelassenen waren auch 180 Ausländer, meist Thais. | |
Diese waren oft im Rahmen illegalen Glücksspiels in Myanmars Grenzregionen | |
verhaftet worden. Das Militär und verbündete Milizen haben die mit | |
sogenannten Cybersklaven betriebenen Betrugsfabriken nicht nur geduldet, | |
sondern daran mitverdient. Rund 150 Thais wurden inzwischen per Flugzeug in | |
ihre Heimat abgeschoben, wo zunächst geprüft werden soll, ob sie mehr Täter | |
oder mehr Opfer waren. | |
Die Regierung in Bangkok war am Sonntag laut [1][Bangkok Post] enttäuscht, | |
dass nicht auch vier Fischer freigelassen wurden, die im November von | |
Myanmars Marine gewaltsam aufgebracht wurden, weil sie angeblich in | |
dortigen Hoheitsgewässern illegal gefischt hatten. | |
## Amnestien zum Nutzen der Diktatur | |
Massenamnestien sind in Myanmar nicht ungewöhnlich. Sie geben der Junta ein | |
menschliches Image und haben für sie den positiven Nebeneffekt, dass sie | |
Platz in den Gefängnissen schaffen, der für die Inhaftierung der vielen | |
politischen Gegner benötigt wird. Gewöhnliche Kriminelle können dann in den | |
Genuss schneller Begnadigungen kommen, erst recht, wenn sie sich in den | |
Dienst der Diktatur stellen. | |
„Diese Freilassung ist ein übliches politisches Täuschungs- und | |
Ablenkungsmanöver, welches schon seit Jahren von der Militärjunta jedes | |
Jahr am Unabhängigkeitstag praktiziert wird“, erklärte die | |
Geschäftsführerin und Sprecherin der Organisation [2][German Solidarity | |
Myanmar], Nyein Chan May, gegenüber der taz. | |
Neben von der Junta 6106 Getöteten zählt die angesehene lokale | |
Menschenrechtsorganisation [3][AAPPB] insgesamt 28.096 Festnahmen seit dem | |
Putsch am 1. Februar 2021. Davon waren am Freitag noch 21.499 Personen in | |
Haft. Die anderen hatten ihre Strafen abgesessen, waren freigekommen oder | |
in Haft gestorben. | |
Unter den jetzt Freigelassenen seien nach [4][ihren Informationen] nur 64 | |
politische Gefangene gewesen, sagt Nyein Chan May. | |
## Keine Gnade für Aung San Suu Kyi | |
Wer wegen Verstößen gegen das Versammlungsrecht, das Sprengstoff- oder | |
Antiterrorgesetz inhaftiert ist, fällt ausdrücklich nicht unter die | |
Amnestie. Diese Gesetze werden besonders häufig gegen politische Gegner der | |
Junta angewandt. | |
Erleichterungen gab es auch nicht für die durch den Putsch gestürzte | |
damalige Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Die inzwischen 79-Jährige | |
Friedensnobelpreisträgerin verbüßt in einem isolierten Hausarrest eine | |
27-jährige Haftstrafe, die ihr unter diversen Vorwänden aufgebrummt wurde. | |
Die Militärjuntag wird seit Ende Oktober 2023 [5][vom Widerstand | |
bewaffneter Gruppen stark bedrängt] und kontrolliert inzwischen nur noch | |
einen Teil des südostasiatischen Landes. Wegen zu vieler Fronten greift das | |
Militär oft nur noch aus der Luft an und schreckt dabei nicht vor der | |
Bombardierung ziviler Ziele zurück. | |
## UN: 3,5 Millionen Vertriebene | |
Laut dem [6][UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (UN-Ocha)] sind | |
inzwischen 3,5 Millionen Birmesen aus ihren Heimatorten vertrieben worden, | |
fast 1,5 Millionen mehr als vor einem Jahr. | |
Seit Freitag wurden vier Boote mit rund 500 Flüchtlingen direkt aus Myanmar | |
oder mit myanmarischen Rohingya aus Lagern in Bangladesch vor Malaysias | |
nordwestlicher Urlaubsinssel Langkawi gesichtet. Zwei Boote wurden von der | |
Küstenwache wieder aufs Meer hinausgeschickt, 197 in Langkawi gestrandete | |
Personen wurden festgenommen. | |
Ende November hatte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR 111,410 muslimische | |
Rohingya in Malaysia als Flüchtlinge registriert. Das sind 58 Prozent aller | |
dort registrierten Flüchtlinge. In Bangladesch leben mehr als eine Million | |
Rohingya aus Myanmar ohne jede Perspektive in Lagern. Sie waren vor | |
mehreren Gewalt- und Vertreibungswellen des Militärs aus Myanmar geflohen. | |
Doch dort noch verbliebene Rohingya-Männer werden dort jetzt vom Militär | |
zwangsrekrutiert, um gegen die bewaffnete Opposition eingesetzt zu werden. | |
5 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bangkokpost.com/thailand/general/2933295/myanmar-will-soon-rele… | |
[2] http://www.solidarity-myanmar.de | |
[3] https://aappb.org/ | |
[4] https://www.facebook.com/politicalprisonersnetwork?mibextid=wwXIfr&rdid… | |
[5] /Widerstand-in-Myanmar/!6046869 | |
[6] https://reliefweb.int/report/myanmar/myanmar-humanitarian-update-no-43-refl… | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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