# taz.de -- Widerstand in Myanmar: Der Druck auf die Putschjunta wächst | |
> Ein Sammelsurium von Rebellengruppen fährt eine erstaunlich erfolgreiche | |
> Offensive. Damit bringt es die Militärjunta in Schwierigkeiten. | |
Bild: Kämpfer verschiedener Rebellengruppen bei einer Übung in Karen-Staat in… | |
Berlin taz | Die vor einem Jahr im nordöstlichen Shan-Staat [1][gestartete | |
Rebellenoffensive „Operation 1027“] gegen die Militärjunta hat in ganz | |
Myanmar breite Unterstützung gefunden und seitdem das Land verändert. Am | |
27. Oktober 2023 hatte die „Drei-Brüder-Allianz“ ethnischer Armeen dort an | |
der Grenze zu China überraschend eine Offensive gestartet und dabei schnell | |
große Geländegewinne erzielt. | |
Das Militär ist den seitdem [2][an vielen Fronten stattfindenden Angriffen] | |
oft nicht gewachsen, weil sich in vielen Regionen Milizen der ethnischen | |
Völker sowie die sogenannten Volksverteidigungskräfte“ (PDF) der | |
demokratischen Gegenregierung im Untergrund (NUG) anschlossen. | |
Im Shan-Staat ist das nördliche Oberkommando der Armee gefallen, in Rakhine | |
hat die ethnische Arakan Army das westliche Oberkommando eingekreist. | |
Militärisch behauptet sich die Junta nur noch durch ihre Luftwaffe, da der | |
Widerstand keine Kampfjets oder Flugabwehrwaffen hat. Anfang September | |
kündigte Juntachef Min Aung Hlaing an, verlorenes Terrain mit massiven | |
Luftangriffen zurückzuerobern. Immer wieder kommt es dabei zu zahlreichen | |
zivilen Opfern. | |
Zum Jahrestag der „Operation 1027“ kontrollieren die ethnischen Armeen | |
Teile der Unionsstaaten Rakhine, Chin, Kachin, Kayah. Diese liegen wie ein | |
Kranz um die Regionen Magwe und Sagaing im Zentrum als dem | |
Hauptsiedlungsgebiet der Bamar, die bisher das Land und das Militär | |
dominieren, aber sich nun auch im Aufruhr gegen die Militärjunta befinden. | |
## Erfahrene ethnische Milizen und kaum gerüstete Neulinge | |
Zwischen den Milizen der Minderheiten, die seit Jahrzehnten für Autonomie | |
kämpfen, und den Bamar gibt es große Unterschiede. „Die ethnischen Armeen | |
sind gut ausgerüstet, verfügen über ein hohes Maß an Disziplin, ausgeprägte | |
militärische Organisation und haben Oberkommandos“, sagt der in Bangkok | |
lebende Sicherheitsexperte Anthony Davies der taz. | |
„Die Bamar hingegen hatten bis zum Putsch [am 1. Febuar 2021] keine | |
Milizen. Jetzt kämpfen dort erst nach dem Putsch gegründete, militärisch | |
unerfahrenen Einheiten der Volksverteidigungskräfte der NUG. Die hatten | |
anfangs nur Macheten und ein paar Jagdwehre. Bis heute gibt es bei den PDF | |
kein Oberkommando. Kleine Gruppen agieren unkoordiniert als | |
Guerrillakämpfer,“ sagt Davies. Die PDF rekrutieren sich hauptsächlich aus | |
städtischen und jungen Bevölkerungsgruppen, die sich durch den Putsch um | |
ihre demokratischen Rechte gebracht fühlen. | |
Die unterschiedlichen Rebellengruppen kooperieren meist miteinander. So | |
trainieren manche ethnische Milizen die PDF und überlassen ihnen einige | |
Waffen. Doch fehlt eine Koordination auf nationaler Ebene. Manchmal gibt es | |
auch gegenseitiges Misstrauen bis hin zu offener Rivalität. Dabei war ein | |
Erfolgsfaktor der „Operation 1027“ sicher, dass erstmals drei ethnische | |
Milizen koordiniert überraschend zugeschlagen haben und dabei auch noch von | |
PDF unterstützt wurden. | |
Doch kann die Rechnung nicht ohne China gemacht werden, das neben Russland | |
wichtigster Waffenlieferant der Junta ist. Peking ist vor allem an | |
Stabilität und Sicherheit seiner milliardenschweren Infrastrukturprojekte | |
der „Neuen Seidenstraße“ – besonders in Rakhine – interessiert. | |
## China ließ Offensive zu, weil Junta Kriminalität duldete | |
Der Myanmarexperte Thomas Kean von der Denkfabrik International Crisis | |
Group sagt, China habe die „Operation 1027“ wegen seiner „Verärgerung“… | |
die vom Militär geförderten Onlinekriminalität im myanmarisch-chinesischen | |
Grenzgebiet zugelassen. Täter wie Opfer der Cyberkriminalität sind oft | |
Chinesen, doch kassieren Myanmars Militär und seine Günstlinge mit, weshalb | |
die Junta diese Kriminalität trotz Pekings Drängen nie ernsthaft | |
einschränkte. | |
Doch inzwischen sorge sich China, dass Regime könne kollabieren und „die | |
Tür für Gruppen, insbesondere der Gegenregierung NUG, öffnen, die als dem | |
Westen nahestehend“ gelten. | |
Ein im Januar von China vermittelter Waffenstillstand in Shan hielt nur | |
weniger Monate. Im Oktober beschränkte China den Handel an seiner Grenze | |
zum Shan-Staat, um die dortigen Rebellen zum Waffenstillstand mit der Junta | |
zu drängen. | |
In einer [3][Analyse der Rolle Chinas des Washingtoner Stimson Centers] | |
hieß es Ende August: „China gilt als einflussreichster ausländische Akteur | |
in Myanmar. Anders als die USA unterhält das Land mit nahezu jeder größeren | |
bewaffneten oder politischen Gruppe Kontakte und führt zumindest informelle | |
Gespräche.“ | |
## Rebellen bauen Gegenstrukturen auf | |
An diesem Dienstag konnte Juntachef Min Aung Hlaing erstmals seit dem | |
Putsch überhaupt nach China reisen. Peking scheint im Unterschied zu Moskau | |
nur wenig von ihm zu halten und scheut vor zu viel demonstrativer Nähe zu | |
ihm zurück. | |
Einen „nationalen Friedensdialog“ unter Einbeziehung der Junta, wie jüngst | |
vom südostasiatischen Staatenbund Asean gefordert, ist für Landeskenner wie | |
die „German Solidarity Myanmar“ (GSM) gänzlich „realitätsfern“. „Ma… | |
nicht von den Menschen in Myanmar verlangen, dass sie sich mit Mördern und | |
Kriegsverbrechern zu Verhandlungen an einen Tisch setzen“, sagt | |
GSM-Geschäftsführerin Nyein Chan May. | |
In den von ihnen kontrollierten Gebieten haben die Rebellen provisorische | |
Verwaltungsstrukturen aufgebaut. Anfang Oktober 2024 veröffentlichten | |
Organisationen aus Kayah das Papier „Föderalismus von der Basis: Das Model | |
der Karenni zum Aufbau eines Nationalstaats“. | |
Ko Nee vom Karenni Civil Society Network sagt, die dort seit einem Jahr in | |
den befreiten Gebieten aktive Übergangsregierung zeige, „dass unser | |
Staatsaufbau auch angesichts der extremen Gewalt der illegalen Militärjunta | |
voranschreitet“. | |
Tun Myat Naing, der Militärchef der Arakan Army, bekräftigte im September | |
gegenüber dem Exilmagazin [4][Irrawaddy], Ziel sei eine Konföderation, also | |
ein lockerer Bund von Teilstaaten. | |
Die Vorstellungen der vielen Akteure des Widerstands für die Zeit nach der | |
Junta liegen bisher noch sehr weit auseinander. | |
6 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Widerstand-gegen-Junta-in-Myanmar/!5970810 | |
[2] /Kampf-gegen-das-Putschregime-in-Myanmar/!5972567 | |
[3] https://www.stimson.org/2024/china-in-myanmar-how-the-game-changing-neighbo… | |
[4] https://www.irrawaddy.com/in-person/interview/aa-chief-arakan-armys-vision-… | |
## AUTOREN | |
Michael R. Lenz | |
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