Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Memoiren von Barbra Streisand: The way she is
> Barbra Streisands Memoiren sind nun auf Deutsch erschienen. Das
> kiloschwere Buch ist auch ein Zeugnis des jüdischen „Golden Age“ in den
> USA.
Bild: Die Streisand: eiserner Wille, viele Talente
Lebenserinnerungen von Künstlern und Künstlerinnen sind immer mit
Zwiespältigkeiten zu lesen: Erzählen sie wirklich Neues? Berichten sie mehr
als das, was aus den Medien nicht ohnehin schon bekannt ist? Wie sehr
spielen sie im Geschriebenen mit mehr oder weniger offenen Karten? Wie
gelingt es ihnen, die Grenze zwischen biografischer Erzählung und Preisgabe
von Intimstem zu wahren? Patti Smith und Keith Richard beispielsweise haben
das vor Jahren ganz ordentlich geschafft, wesentlich früher im
deutschsprachigen Kontext auch Hildegard Knef oder Lilli Palmer, letztere
schrieb als Film- und Fernsehschauspielerin auch (obzwar eher diskret als
in pride) über ihr Jüdischsein und ihre Flucht aus dem
nationalsozialistischen Deutschland in die USA.
Zum vorigen Jahresende sind nun auch die Memoiren einer amerikanischen
Künstlerin, weltbekannt durch Filme wie „Funny Girl“, „Prince of Tides�…
„Is’ was, Doc?“ und vor allem das geschlechtsidentitätsverwirrende Opus
„Yentl“, ebenso durch eine Fülle von Musikproduktionen („Woman in Love�…
„Enough is enough“, „Stoney end“), erschienen, die schon physisch von
Gewicht sind: „Mein Name ist Barbra“ der Titel – also die [1][Erinnerungen
von Barbra Streisand], stolze jüdische Frau aus Brooklyn, New York City,
ein eigenes, finanziell unabhängiges Universum im Showbusiness nicht nur
der USA.
Mit fast 1.200 Seiten ist dieses Buch, übersetzt von Raimund Varga aus dem
Englischen, erstens so detailreich wie umfassend informierend über die
vergangenen sieben Karrieredekaden einer Künstlerin, die von der ersten
Minute an nicht als „Puppet on a string“ (wie sonst alle Kolleginnen der
Streisand vorher und viele immer noch), als Marionette von managenden
Männern, leben wollte, sondern das eigene Geschick bis zur letzten
Kleinigkeit in die eigenen Hände nahm. Dieses Buch ist der Beweis, dass sie
es schaffte – und es ist zugleich das beste Indiz, dass sie sich auch bei
ihren Memoiren durch keine Verlagsdeadline treiben ließ: Den letzten Punkt
setzte sie zur selbstgewählten Zeit, ihrer Zeit.
„Mein Name ist Barbra“ ist auch die persönlich anrührende Geschichte eine…
gemessen an den Schönheitsidealen ihrer Zeit, „hässlichen Entleins“ mit
Silberblick, sehr schmalem Körper mit großer Nase im Gesicht und nicht mit
besonderer, für Frauen karrierebegünstigender Anmut gesegnet, wie etwa ihre
Kollegin Audrey Hepburn. Trotzdem wusste Streisand mit Wucht, eisernem
Willen und überbordendem Reservoir an Talenten ihre eigenen Dimensionen in
ihrer Welt zur Geltung zu bringen. Sie hatte eine überragende Stimme, sie
konnte schauspielern – und sie war unnarzisstisch genug, sich selbst auf
die Schippe nehmen zu können.
## Sie trat leidenschaftlich für linksliberale Anliegen ein
Die Geschichte der Streisand ist weit mehr als die Erzählung beruflicher
Aufstiege bis zum souveränen Verfassen einer Biografie ohne peinliche
Selbstverstrahlung; sie ist vor allem eine politische Bilanz eines
[2][jüdischen Lebens] im „Goldenen Zeitalter des Jüdischen in den USA“, w…
es in der innerjüdischen Debatte aktuell heißt: Das sind die
Nachkriegsjahrzehnte nach 1945, als in den USA brutale Diskriminierungen
gegen Jüdisches schwanden, etwa die, nicht in Clubs eingelassen zu werden.
Juden und Jüdinnen legten extremen Wert aufs Non-Outing – bloß nicht als
jüdisch auffallen, lieber die harten Wege der schulischen und beruflichen
Karrieren gehen, meist verleugnend, nicht zum üblichen Christlichen zu
gehören. Auch in Hollywood – die Filmindustrie verdankte ihre Gründung
erheblich jüdischen Entrepreneurs – galt es, nicht als jüdisch aufzufallen.
Rollen in Mainstreamfilmen waren unmöglich zu erhalten, wenn
SchauspielerInnen allzu jüdisch „aussahen“.
Die Streisand erzählt unter der Hand insofern die Kulturgeschichte eines
jüdischen Aufbruchs in der Diaspora – wobei auch in „Mein Name ist Barbra�…
kein Zweifel aufkommt, dass Israel als Staat immer als nötigenfalls letzter
Zufluchtsort empfunden wird. Dieser Aufbruch, in ihrem Fall seit den frühen
sechziger Jahren in [3][New York City], war ein selbst ermutigter, mit
einem abwesenden, gestorbenen Vater und einer Mutter, die ihre Tochter
beinah konsequent entwertete. Das Buch entwirft ein Panorama der
vergangenen Zeit, in der Sex (auch und gerade One-Night-Stands) jenseits
der Ehe wenigstens in ihren Kreisen keine moralische Ungeheuerlichkeit war,
in der die Lockerheit der Sechziger sich in jeder Lebensäußerung
spiegelten.
Früh in ihrem Leben trat Barbra Streisand leidenschaftlich für nachgerade
jedes linksliberale Anliegen ein – vom Kampf gegen Rassismus wie für
feministische Anliegen, für queere Rechte und für die Demokratische Partei.
Die Streisand war quasi ein eigenes Wahlkandidatenkomitee, eine
Millionenspendensammlerin bei Galadinners.
Später war sie eine glühende Anhängerin Barack Obamas und Joe Bidens,
zugleich eine Mahnerin, sich als Machtfaktor in den USA nicht spalten zu
lassen: Noch jüngst schrieb sie, auch dies ist im Buch nachzulesen, dass
die Republikaner intern ihre Differenzen haben mögen, aber im Zweifelsfall
stünden sie immer zusammen – das sei der bedauernswerte Unterschied zu den
Demokraten, die ihre Zwistigkeiten viel zu oft öffentlich austrügen.
Es ist ein Vergnügen, Streisands eleganten Ausführungen zu folgen – ein
analytisches Diskurswerk ist das Buch nicht, was aber auch niemand von ihr
verlangt hätte. Dafür ist „Mein Name ist Barbra“ aber eine lebendige
Kultur- und Sittengeschichte einer Zeit, die Jüdischem gegenüber wohl
gesonnen war – und die aktuell eine andere wird, in der Jüdisches wieder
dämonisiert und ins Diskrete gedrängt wird.
Im Übrigen spart die Streisand auch nicht mit Gossip. Ein Füllhorn an Stars
und Sternchen, die sie kannte und kennt, schüttet sie aus: André Agassi,
Pierre Trudeau, andere, viele Männer: Wegbegleiter auch in erotischer
Hinsicht, wobei ihre Erinnerungen manchmal auch ins Vergessene greifen: Hat
sie nun was mit Warren Beatty gehabt oder nicht? Großzügig erinnert sie
sich – nicht genau.
„Ich bin kein sehr geselliger Mensch. Ich mag es nicht, mich schick zu
machen und auszugehen“, schreibt sie. Und: „Ich bleibe lieber zu Hause bei
meinem Mann und meinen Hunden.“ So geht Understatement für eine Frau, die
ungleich mehr erreicht hat, als ihre eigene Mutter ihr je zutrauen wollte.
Eine intensiv verfasste Selbsterzählung von zeitgenössischem Rang: Sie
lesend Revue passieren zu lassen macht Spaß.
11 Jan 2025
## LINKS
[1] /Autobiografie-von-Barbra-Streisand/!5969274
[2] /Juedinnen-und-Juden-in-den-USA/!6039827
[3] /Live-at-the-Bon-Soir/!5892162
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
Politisches Buch
wochentaz
Memoiren
Jüdisches Leben
Social-Auswahl
Musik
wochentaz
Ausstellung
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Live at the Bon Soir“: Sie hatte keine Chance, aber sie nutzte sie
Seit den Sechzigern stieg Barbra Streisand zu einem Monument der Popkultur
auf. Nun wurde nach 60 Jahren ihr erstes Albumprojekt veröffentlicht.
Autobiografie von Barbra Streisand: Ungefilterter Rückblick
Eine Karriere gegen Misogynie und Antisemitismus: Sängerin und
Schauspielerin Barbra Streisand hat mit 81 Jahren ihre Memoiren
veröffentlicht.
Ausstellung in London feiert die Diva: Ein gottähnliches Konzept
Das Victoria & Albert Museum widmet einem Thema, das nicht nur feministisch
ist, eine Sonderausstellung. „Diva“: eine mitreißende Schau.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.