# taz.de -- Verpackungsmüll in Berlin: Umweltpolitik zum Wegwerfen | |
> Tübingen hat mit einer Verpackungssteuer Erfolg. Das ist rechtens, | |
> urteilt das Verfassungsgericht. Berlin will dem Beispiel dennoch nicht | |
> folgen. | |
Bild: Müllberg im Mauerpark in Prenzlauer Berg. Waren es die Touris? | |
Berlin taz | Vielleicht kommt dieses Urteil für Berlin und sein | |
überbordendes Müllproblem eine Woche zu spät. Am Mittwoch hat das | |
Bundesverfassungsgericht ein lange erwartetes Urteil gesprochen: [1][Die | |
Verpackungssteuer, die die Stadt Tübingen 2022 unter anderem auf | |
Einwegbecher verhängt hat], ist rechtens. | |
Die Steuer bezwecke einen Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen und sei | |
als „örtliche Verbrauchsteuer“ zulässig, [2][entschieden die Karlsruher | |
Richter]. Damit ist die Verfassungsbeschwerde eines Tübinger | |
McDonald’s-Restaurants abgeschmettert. Zuvor hatte bereits das | |
Bundesverwaltungsgericht die Klage abgelehnt. | |
Den Tübinger Weg für Berlin fordern die Grünen schon lange. Immerhin würden | |
pro Tag 460.000 Coffee-to-go-Becher verbraucht. „Einer Verpackungssteuer | |
steht auch in Berlin nichts mehr im Weg“, freute sich in einer ersten | |
Reaktion auf das Urteil die umweltpolitische Sprecherin im | |
Abgeordnetenhaus, [3][Julia Schneider]. Sie forderte den Senat auf, „seine | |
Blockade gegen eine Einwegverpackungssteuer aufzugeben“. | |
Doch Schwarz-Rot denkt daran bislang nicht. Erst am vergangenen Donnerstag | |
war im Abgeordnetenhaus abschließend über die Verpackungssteuer debattiert | |
worden. „Die Vorteile liegen klar auf der Hand“, hatte Schneider noch | |
einmal für einen entsprechenden Gesetzentwurf ihrer Fraktion geworben. | |
„Parks und Straßen bleiben nachhaltig sauber, der Haushalt wird finanziell | |
entlastet und Ressourcen werden geschont.“ | |
## Senat will keinen Alleingang | |
Doch der Senat bleibt stur. Kein Alleingang wie in Tübingen, stattdessen | |
der Hinweis auf den Bund, der das Thema für alle Bundesländer regeln möge. | |
Gegen den Antrag der Grünen stimmten CDU, SPD und AfD, die Linke enthielt | |
sich. | |
Damit folgte das Plenum einer Beschlussempfehlung des Umweltausschusses vom | |
November. [4][Dort hatte sich auch Umweltsenatorin Ute Bonde (CDU) zu Wort | |
gemeldet]. „Aus unserer Sicht braucht es eine länderübergreifende Lösung, | |
um bei allen Verbraucherinnen und Verbrauchern ein Bewusstsein dafür zu | |
schaffen, dass Ressourcenschutz stattfinden soll“, hatte Bonde ihre | |
Ablehnung begründet. | |
Dass die Verpackungssteuer sehr wohl ein probates Mittel ist, die Flut an | |
Verpackungsmüll einzudämmen, hatte zuvor Claudia Patzwahl geschildert. | |
Patzwahl, die für die Steuer in Tübingen zuständig ist, war von den Grünen | |
eingeladen worden und berichtete, dass Einwegbecher aus Pappe und Plastik | |
aus dem Stadtbild verschwunden seien. | |
Auch Eisbecher seien im Sommer nicht mehr zu sehen, denn die Eisdielen | |
hätten umgestellt. Nun gebe es das Eis auf Waffeln, sagte Patzwahl. Mit 50 | |
Cent besteuert Tübingen die gastronomischen Einrichtungen für Einwegbecher, | |
20 Cent sind für Einwegbesteck fällig. Die Einnahmen von 700.000 Euro im | |
Jahr werden in die Entsorgung von trotzdem anfallendem Verpackungsmüll | |
gesteckt. In Berlin, so hat es der BUND ausgerechnet, [5][könnte der Senat | |
40 Millionen Euro im Jahr mit einer Verpackungssteuer einnehmen]. | |
All die Argumente hatten bereits den Ausschuss im November nicht überzeugen | |
können, auch nicht die oppositionelle Linke. „Den meisten Müll produzieren | |
nicht die Berlinerinnen und Berliner, sondern die Touristen“, sagt die | |
umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion Katalin Gennburg. Anders als | |
Tübingen gebe es in Berlin auch ein Problem mit Overtourism und | |
Partytouristen. „Berlin ist nicht Tübingen.“ | |
Die Linken-Politikerin ist ohnehin skeptisch, ob eine Verpackungssteuer | |
umsetzbar sei. „Die Berliner Bezirke schaffen es noch nicht einmal, die | |
Mehrwegangebotspflicht durchzusetzen, die in den Coronajahren beschlossen | |
wurde“, sagt Gennburg. „Da ist eine zusätzliche Steuer, die vor allem | |
Kleingewerbetreibende treffen würde, keine Lösung des Problems.“ | |
Etwas Bewegung ist nun immerhin in die Reihen der Sozialdemokraten | |
gekommen. „Natürlich haben wir ein großes Problem mit dem Müll in Berlin�… | |
sagt Linda Vierecke am Mittwoch der taz. Auf der Sitzung des | |
Umweltausschusses im November hatte die Sprecherin für Umwelt- und | |
Klimaschutz der SPD-Fraktion angekündigt, nach dem Urteil des | |
Bundesverfassungsgerichts noch einmal über das Thema diskutieren zu wollen. | |
Weil nun der Richterspruch aus Karlsruhe nach der abschließenden Lesung des | |
Grünen-Antrags und damit eine Woche zu spät kommt, redet die SPD nun dem | |
Koalitionspartner ins Gewissen. [6][„Der Senat sollte die Möglichkeit einer | |
Verpackungssteuer ernsthaft prüfen und nicht einfach ablehnen“, fordert | |
Vierecke nun]. „Denn der stetig ansteigende Müll ist für die Berlinerinnen | |
und Berlinern nicht mehr tragbar und erfordert neue Lösungen.“ | |
Einen entsprechenden Prüfauftrag an den Senat hat die SPD-Fraktion | |
beschlossen. Von der Senatsverwaltung für Umwelt hieß es am Mittwoch, dass | |
„Einwegprodukte nicht kostenlos abgegeben werden sollten“. Die Verwaltung | |
bekräftigte aber ihre Auffassung, dass „eine solche Regelung auf | |
Bundesebene erfolgen muss“. | |
22 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tuebingen.de/verpackungssteuer | |
[2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/20… | |
[3] https://gruene-fraktion.berlin/pressemitteilungen/karlsruhe-macht-den-weg-f… | |
[4] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2024/11/berlin-verpackungssteuer-muell… | |
[5] https://www.bund-berlin.de/service/presse/detail/news/verpackungssteuer-kan… | |
[6] https://www.spdfraktion-berlin.de/pressemitteilungen/2025/januar/verpackung… | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
## TAGS | |
Schwarz-rote Koalition in Berlin | |
Grüne Berlin | |
Tübingen | |
wochentaz | |
McDonald's | |
Manja Schreiner | |
Nachhaltigkeit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vorbild Tübingen: Kampf dem Wegwerfmüll | |
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat eine Steuer auf | |
Einwegverpackungen eingeführt – andere Städte wollen nun nachziehen. | |
Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Tübingens Steuer auf Einwegverpackungen … | |
Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Klage einer McDonald’s-Filiale ab. | |
Tübingen erhebt die Abgabe beim Verkauf von Speisen und Getränken. | |
Mehrwegkampagne des Senats: Immer nur aufklären hilft nicht | |
Die Umweltverwaltung trommelt mal wieder gegen müllproduzierendes „To go“. | |
Gut gemeint, aber ohne weitergehende Maßnahmen leider zwecklos. | |
Verpackungssteuer in Tübingen: DUH will bundesweite Einwegabgabe | |
Die Verpackungssteuer in Tübingen ist rechtmäßig, sagt das | |
Bundesverwaltungsgericht. Laut der Deutschen Umwelthilfe sollen andere | |
Kommunen folgen. |