| # taz.de -- Prozess gegen mutmaßliche Reichsbürgerin: Des Kaisers neue Telegr… | |
| > Am Oberlandesgericht Celle hat der Prozess gegen ein mutmaßliches | |
| > Mitglied der „Kaiserreichsgruppe“ begonnen. Die Angeklagte distanziert | |
| > sich. | |
| Bild: Preußen ist überall, meint die Kaiserreichsgruppe. Hier zu sehen in Dre… | |
| Celle taz | Es ist ein absurder und vermeintlich ausgeklügelter Plan von | |
| Personen, die sich in der „Kaiserreichsgruppe“ zusammengetan haben. Ihr | |
| Ziel war kein geringeres als der Sturz der Bundesrepublik und die | |
| Wiederherstellung der Reichsverfassung von 1871. Eine 39-Jährige muss sich | |
| nun vor dem Oberlandesgericht Celle für die mögliche Beteiligung an den | |
| Umsturzplänen verteidigen. | |
| Die Angeklagte B. soll sich um technische Angelegenheiten und die Planung | |
| der Nahkampfausbildung von Rekrut*innen gekümmert haben. So verliest es | |
| am Mittwochmorgen der Staatsanwalt zu Beginn der Verhandlung. [1][Die | |
| „Kaiserreichsgruppe“] habe sich laut dem Staatsanwalt infolge der | |
| Corona-Restriktionen und der Flut im Ahrtal zusammengefunden und | |
| radikalisiert. Im Fall von B. lautet die Anklage auf mitgliedschaftliche | |
| Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines | |
| hochverräterischen Unternehmens. Auch der Besitz eines Schlagrings wird ihr | |
| zur Last gelegt. | |
| Die Gruppe, die sich auch [2][die „Vereinten Patrioten“ nannte], habe es | |
| für notwendig gehalten, die grundgesetzliche Ordnung des Bundes zu | |
| beseitigen. Eine erste Phase des Umsturzplanes habe unter dem Schlagwort | |
| „Silent Night“ gestanden. Es seien Sprengstoffanschläge geplant gewesen, um | |
| einen bundesweiten Stromausfall zu erzeugen, die Bundesregierung | |
| handlungsunfähig zu machen und „die Medien“ an Einflussnahme zu hindern. | |
| Dass dabei Menschenleben gefährdet worden wären, sei als Kollateralschaden | |
| in Kauf genommen worden, so die Staatsanwaltschaft. Eine zweite Phase des | |
| Plans soll unter dem Titel „Klabautermann“ gelaufen sein. Bewaffnete hätten | |
| eine Talkshow stürmen und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) | |
| entführen sollen. So sollten „bürgerkriegsähnliche Zustände“ provoziert… | |
| der dritte Schritt des Plans vereinfacht werden: der Sturz der | |
| Bundesregierung. | |
| ## SIM-Karten und Nahkampfausbildung | |
| B. soll die Telegram-Gruppen der „Vereinten Patrioten“ verwaltet haben. Um | |
| eine Kommunikation unter dem Radar von Ermittlungsbehörden sicherzustellen, | |
| soll sich die Angeklagte aus Hildesheim auch mit der Beschaffung von | |
| kroatischen SIM-Karten befasst haben. Darüber hinaus sei es ihre Aufgabe | |
| gewesen, eine Nahkampfausbildung zu arrangieren. | |
| Der Staatsanwalt beschreibt das Verhältnis von B. zum Kern der Gruppe als | |
| „loyal“. B. sei nicht nur Mitwisserin des Plans gewesen, der so abstrus | |
| klingt – vom Gericht aber sehr ernst genommen wird. Vor dem Gerichtsgebäude | |
| beziehen Polizeibeamte in voller Montur an mehreren Eingängen Stellung. Als | |
| die Beschuldigte das Gericht in einer Verhandlungspause verlässt, tut sie | |
| das – zumindest dem Anschein nach – jedoch in aller Ruhe. | |
| Eine als erste Zeugin vernommene Polizeibeamtin schildert eine Begegnung | |
| mit der Angeklagten am Rande einer Demo gegen Corona-Maßnahmen im Februar | |
| 2022. B. sei auf sie zugekommen, um von einer bevorstehenden Straftat zu | |
| berichten. Sie soll aufgeregt gewirkt haben und hektisch und durcheinander | |
| gesprochen haben. Dabei soll B. betont haben, „Angst um ihr Leben und das | |
| ihrer Kinder“ gehabt zu haben. | |
| B. habe gegenüber der Polizistin angegeben, aufgrund ihrer Kenntnisse in | |
| der Administration von Chat-Gruppen eine Einladung zu einem Treffen von | |
| „Veteranen“ erhalten zu haben. Der Einladung sei sie gefolgt und nach | |
| Schlotheim in Thüringen gefahren. Dort sei ihr bewusst geworden, dass es | |
| sich um kein gewöhnliches Treffen zum Austausch, sondern ein | |
| Rekrutierungstreffen von Personen handele, die Deutschland in den Zustand | |
| des Kaiserreichs zurückversetzen wollten. Sie selbst sei für technische | |
| Aspekte der Umsetzung des Plans rekrutiert worden. | |
| ## B. soll der Polizei ein Angebot gemacht haben | |
| Gegenüber der Beamtin habe die Beschuldigte erklärt, nicht mit der | |
| Ideologie der Gruppe übereinzustimmen, weshalb sie sich proaktiv an die | |
| Polizei gewandt habe. Der Polizeibeamtin soll B. auch ein Angebot gemacht | |
| haben. Sie habe sich vorstellen können, erneut zu einem Treffen eingeladen | |
| zu werden. Dann sei es denkbar, eine Begleitperson mitzunehmen – und auf | |
| diese Weise eine*n Ermittler*in einzuschleusen. | |
| Tatsächlich wird B. die Teilnahme an mindestens zwei Treffen vorgeworfen. | |
| Dem in Schlotheim – und einem in Verden. Bei beiden Treffen sollen laut der | |
| Staatsanwaltschaft schon bestehende Pläne weiter konkretisiert worden sein. | |
| Sie hätten auch die Idee beinhaltet, einen Schauspieler einzusetzen, der | |
| entweder Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier oder [3][Bundeskanzler | |
| Olaf Scholz] (beide SPD) spielen und erklären sollte, dass die Verfassung | |
| des deutschen Kaiserreichs wieder in Kraft trete. So sollte sichergestellt | |
| werden, dass die „Übergabe der neuen Staatsform anerkannt“ würde. Die | |
| Ausrufung eines Kaisers sei aber als nicht zwingend erforderlich angesehen | |
| worden. | |
| Der Prozess gegen B. gehört zu einer Reihe von Verfahren gegen mutmaßliche | |
| Mitglieder der Gruppe. Weitere Verhandlungen haben in Koblenz, Frankfurt am | |
| Main, München, Düsseldorf und Hamburg stattgefunden und sind teilweise | |
| schon abgeschlossen. Für die Celler Richter wird die Urteilsfindung ein | |
| intensives Projekt für die kommenden Wochen und Monate. Bis April sind | |
| allein rund zwanzig Verhandlungstermine angesetzt. | |
| 22 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katja Spigiel | |
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