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# taz.de -- Reichsbürger-Prozess in Celle: Doch keine Kaiserreichs-Terroristin
> In Celle geht der Prozess gegen eine mutmaßliche Mitverschwörerin der
> „Kaiserreichstruppe“ zu Ende. Selbst die Anklage fordert einen
> Freispruch.
Bild: Da war der Ausgang noch nicht absehbar: Die Angeklagte (l.) und ihr Verte…
Update (mit Material von dpa): Am 21. März hat das Oberlandesgericht sein
Urteil verkündet. Es sprach die Angeklagte überraschenderweise schuldig,
verzichtete aber auf die Verhängung einer Strafe. Für die 39-Jährige
bedeutet das allerdings, dass sie die Prozesskosten zu tragen hat.
Das Gericht nahm ihr die tätige Reue ab, hieß es. Es hat ihr auch
zugutegehalten, dass sie gegen die Rädelsführer ausgesagt hat, die vom
Oberlandesgericht Koblenz zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.
In den Augen des Gerichts ändert dies aber nichts daran, dass die
angeklagten Tatbestände – Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen
den Bund – eben doch erfüllt sind.
Das gilt zumindest für den kurzen Zeitraum, in dem sie sich 2022 an Treffen
und Planungen beteiligt hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Über
eine eventuelle Revision müsste der Bundesgerichtshof entscheiden.
Celle taz | Sie hat es noch nicht überstanden, aber fast. Die 39-jährige
Friseurin aus dem Landkreis Hildesheim wirkt erleichtert, als am Ende ihres
Prozesses vor dem Oberlandesgericht Celle selbst der Generalstaatsanwalt
einen Freispruch fordert.
[1][In der Anklage] hatte das alles noch ganz anders geklungen. Man
beschuldigte sie der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung,
der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens und eines Verstoßes
gegen das Waffengesetz.
Die Mutter von drei Kindern hat – und das bestreitet sie auch nicht –
mehrere Telegram-Gruppen verwaltet, in der sich zunächst
Bundeswehr-Veteranen und Ahrtal-Helfer tummelten, später aber auch
Coronaleugner, Reichsbürger und Rechtsextreme.
Daraus rekrutierten sich Mitglieder jener Truppe, die [2][als sogenannte
„Kaiserreichsgruppe“] unter dem Namen „Vereinte Patrioten“ irrwitzige P…
schmiedeten: Sie wollten bundesweite Stromausfälle herbeiführen, mit
Anschlägen auf die kritische Infrastruktur, Gesundheitsminister Karl
Lauterbach (SPD) aus einer Talkshow entführen, mithilfe einer ausländischen
Allianz die Bundesregierung stürzen und eine Rückkehr zur konstitutionellen
Monarchie einleiten.
## Einsatz als Nahkampf- und Internetspezialistin?
Vor den Oberlandesgerichten in Frankfurt, Stuttgart, München und Koblenz
laufen zum Teil noch die aufwändigen Mammutprozesse gegen die mutmaßlichen
Köpfe der Bewegung, darunter [3][Prinz Reuß] und die Ex-AfD-Abgeordnete und
-Richterin [4][Birgit Malsack-Winkemann].
Auch dort finden sich verschiedene Angeklagte aus Norddeutschland auf der
Anklagebank, wie der Ex-Hauptkommissar [5][Michael Fritsch], ein
Rechtsanwalt aus Hannover, eine Ärztin aus Vechelde (Kreis Peine). Schon
verurteilt wurden etwa ein Kleinkünstler aus Bad Zwischenahn in Koblenz und
[6][ein 67-jähriger Reichsbürger] vor dem Oberlandesgericht in Hamburg.
Dass die 39-Jährige in dieser Bewegung keine herausragende Rolle gespielt
hat, hatte sich in Celle schon früh angedeutet. Es gebe allerdings, erklärt
der Generalstaatsanwalt, eine Reihe von Vorwürfen, die sich in den Akten
ein wenig anders lasen und die erst die Beweiserhebung vor Gericht
ausräumen konnte.
Dazu zählen insbesondere die Dienste der Angeklagten. Die
Hobby-Kampfsportlerin hätte, so geht es aus Chats und den Aussagen eines
V-Mannes hervor, für die Nahkampfausbildung und Schulungen zur
Internetsicherheit eingesetzt werden sollen. Sie sollte außerdem
ausländische SIM-Karten besorgen, was sie zwar zusagte, aber dann nicht
mehr tat.
## Als Fast-V-Frau wird von einem V-Mann belastet
Denn der 39-Jährigen, das legte sie vor Gericht überzeugend dar, war
relativ schnell mulmig geworden als ihr klar wurde, in was für einer
Gesellschaft sie sich da bewegte. Sie sei da so reingerutscht, sagt sie.
Ihr gingen viele Corona-Maßnahmen zu weit.
Zwei Treffen hat sie mitgemacht, eines im thüringischen Schlotheim und
eines in Verden an der Aller. Da stand sie aber schon in Kontakt mit der
Polizei. Am Rande einer Montagsdemo in Sarstedt bei Hannover im Februar
2022 hatte sie eine Polizeibeamtin angesprochen und ihr gesagt, sie habe
Angst um ihr Leben und das ihrer Kinder.
Trotzdem – und das hatte man ihr anfangs vorgeworfen – blieb sie in Kontakt
mit der unheimlichen Truppe, fuhr sogar zu einem weiteren Treffen. Wenn er
gewusst hätte, dass es in der Zwischenzeit mindestens eines, wahrscheinlich
aber mehrere Treffen mit dem Landeskriminalamt gegeben hatte, dass das LKA
erwogen hatte, sie als V-Person einzusetzen, dann hätte er dieses Verhalten
wohl anders beurteilt, erklärte der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft
in seinem Plädoyer.
Einer, der tatsächlich als V-Mann eingesetzt war, hatte die Frau erheblich
belastet. Er war es, der auf ihre Funktion als Nahkampftrainerin und
Internetspezialistin hinwies. Auch seine Aussage vor Gericht habe die Dinge
im Nachhinein aber sehr viel unschärfer erscheinen lassen, beklagte der
Anklagevertreter.
Da hatte der Mann dann nämlich doch gar kein Nahkampftraining direkt
beobachtet und konnte sich auch an sonstige Schulungsauftritte nicht so
richtig erinnern. Mit anderen Worten: Das Ganze war vielleicht auch eher
Hörensagen.
## Bewaffnung: Ein Schlagring in Form eines Katzenkopfes
Auch der Verstoß gegen das Waffengesetz entpuppte sich als vergleichsweise
harmlos: Man hatte einen Schlagring in Form eines Katzenkopfes bei der Frau
beschlagnahmt. Den habe sie aber einfach immer am Schlüsselbund bei sich
geführt – einen engeren Zusammenhang zu den Umsturzplänen gab es da nicht.
Überhaupt, sagte der Staatsanwalt, traue er Frau B. nach all ihren
Einlassungen auch nicht zu, dass sie ernsthaft geglaubt hätte, sie könne
Leute dazu ausbilden, die professionellen Personenschützer von Karl
Lauterbach auszuschalten.
Ihrem Verteidiger blieb da am Ende kaum noch Material übrig für sein
Plädoyer, auch er forderte einen Freispruch. Die Angeklagte nutzte das ihr
zustehende letzte Wort, um sich für die faire Behandlung durch das Gericht
zu bedanken. Ein Urteil wird erst in der kommenden Woche, am 21. März,
ergehen.
Als Beleg dafür, dass es sich bei der Kaiserreichsgruppe um eine
irrlichternde Vereinigung von Fantasten handelt und die Justiz auch in den
anderen Verfahren mit Kanonen auf Spatzen schießt, taugt der Fall
allerdings nicht. Sie habe immer noch Angst vor ihren ehemaligen
Mitverschwörern, sagte die 39-Jährige am Rande des Prozesses.
„Die sind völlig gewissenlos gewesen, denen war völlig egal, dass Menschen
sterben werden“, hatte sie schon bei ihrer ersten Aussage vor Gericht im
Februar gesagt. Sie überlege nun, mit ihren Kindern ein weiteres Mal
umzuziehen.
14 Mar 2025
## LINKS
[1] /Prozess-gegen-mutmassliche-Reichsbuergerin/!6060099
[2] /Urteil-gegen-Reichsbuerger-in-Koblenz/!6074014
[3] /Reichsbuerger-Prozess-in-Frankfurt/!6070325
[4] /Reichsbuerger-wollten-Bundestag-stuermen/!5951873
[5] /Aus-dem-Dienst-geklagt/!5847390
[6] /Prozess-gegen-Terror-Unterstuetzer/!6010182
## AUTOREN
Nadine Conti
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