# taz.de -- Urteil gegen „Reichsbürger“ in Koblenz: Hohe Haftstrafen für … | |
> Die „Vereinten Patrioten“ wollten Gesundheitsminister Karl Lauterbach | |
> entführen und einen wochenlangen Stromausfall herbeibomben. Nun wurden | |
> sie verurteilt. | |
Bild: Angeklagte Elisabeth im Gericht in Koblenz, Archivfoto 2023 | |
Koblenz taz | Als Elisabeth R. zu ihren letzten Worten vor dem Urteil | |
anhob, war es noch einmal, wie so oft in den vergangenen fast zwei Jahren: | |
Belehrend, von oben herab, unverbesserlich. Ihr Vorhaben, die | |
Bundesrepublik abzuschaffen und das Deutsche Reich wiederzubeleben, sei | |
„legitim und rechtsgültig“, dozierte die 77-Jährige. | |
Den Prozess geißelte sie als „Boykott“ ihrer Pläne, die „Preußin“ �… | |
nennt sie sich selbst – werde von der Justiz missbraucht. Nur die | |
antisemitischen Tiraden, die sie sonst gerne bis an den Rand der | |
Holocaust-Leugnung zu treiben pflegt, verkniff sich die promovierte | |
Theologin und fleißige Autorin verschwörungsideologischer Kampfschriften | |
ausnahmsweise. | |
[1][Seit Mai 2023 wurde vor dem Oberlandesgericht im rheinland-pfälzischen | |
Koblenz] gegen Elisabeth R. und vier ihrer Mitstreiter der | |
Reichsbürger-Truppe „Vereinte Patrioten“ verhandelt. Der Vorwurf: | |
Terrorismus und Hochverrat. Am Donnerstag wurden die rechten | |
Möchtegern-Umstürzler*innen nach 106 Verhandlungstagen zu Haftstrafen von | |
bis zu acht Jahren verurteilt. „Wir gehen davon aus, dass sich die | |
Angeklagten zusammentaten, um das System der Bundesrepublik zu stürzen“, | |
sagte die Senatsvorsitzende Anne Kerber. | |
Die „Vereinten Patrioten“ wollten Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) | |
entführen, mit Waffengewalt aus einem Fernsehstudio. Sie wollten mit | |
Sprengstoffanschlägen für einen mehrwöchigen Stromausfall im ganzen Land | |
sorgen. „Bei alledem wurden auch Tote in Kauf genommen“, sagte die | |
Richterin. Und sie suchten 277 Männer deutscher Abstammung für eine | |
konstituierende Versammlung, die die Verfassung des Deutschen Kaiserreichs | |
von 1871 wieder in Kraft setzen sollte. | |
## Voll schuldfähig | |
Als neues Staatsoberhaupt war der greise Neonazi und notorische | |
Holocaust-Leugner Rigolf Hennig vorgesehen. Er starb allerdings noch | |
während der Planungen. Um sich Rückendeckung für ihre Rückkehr zum Reich zu | |
holen, sollte zudem eine Delegation über die Ostsee schippern und bei | |
Russlands Präsident Wladimir Putin vorsprechen. Und ja, die Angeklagten | |
hätten das alles ernst gemeint, betonte Kerber. | |
Elisabeth R., die die Urteilsbegründung mehrfach mit wütenden Zwischenrufen | |
unterbrach, wurde als Chefideologin, treibende Kraft und Verfasserin des | |
„kriegsrechtlichen Haftbefehls“ für Lauterbach zu sieben Jahren und neun | |
Monaten Haft verurteilt. Die höchste Strafe kassierte mit acht Jahren | |
jedoch der als Einziger bereits vorbestrafte Verkäufer und | |
Kleinstadt-Comedian Michael H. (46). | |
In einem verzweifelten Last-minute-Manöver hatte er das Ende des Prozesses | |
um mehrere Wochen verzögert, indem er geltend machte, an einer | |
narzisstischen Persönlichkeitsstörung zu leiden. Vergeblich: Ein | |
psychiatrischer Gutachter befand ihn für voll schuldfähig. Das Gericht sah | |
in ihm nun sogar denjenigen, „bei dem die Fäden zusammenliefen“, wie Kerber | |
sagte. | |
Sven B. (57), Bilanzbuchhalter, rechter Wutbürger und Ex-NVA-Offizier, | |
hatte schon früh ein umfassendes Geständnis abgelegt und im Prozess immer | |
wieder bereitwillig Auskunft gegeben – nicht aus Reue, sondern aus Stolz. | |
„Ich würde wieder so handeln“, erklärte er trotzig und verglich sich in | |
seinem „Widerstand“ gar mit den Geschwistern Scholl und dem | |
Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg. Ihn schickte das Gericht für fünf | |
Jahre und neun Monate hinter Gitter. | |
## Auch die Tochter vor Gericht | |
Der Frührentner Thomas O. (58), ebenfalls ein Mann mit NVA-Vergangenheit, | |
hatte dagegen lange geschwiegen. Als er dann doch redete, bekannte er sich | |
dazu, wie besessen gewesen zu sein von seinem Hass auf den Staat. Er räumte | |
ein, sich insbesondere um die geplanten Anschläge auf die Stromversorgung | |
und um die Beschaffung von Schusswaffen bemüht zu haben. | |
Und er sprach von einem „großen Fehler“. Wohl nicht zuletzt, weil in einem | |
der zahlreichen Parallelverfahren, die bundesweit gegen weitere mutmaßliche | |
Mitglieder der „Vereinten Patrioten“ angestrengt wurden, auch seine Tochter | |
vor Gericht steht. Er muss für sechseinhalb Jahre ins Gefängnis und nahm | |
als einziger Angeklagter das Urteil noch im Gerichtssaal an. | |
Am glimpflichsten kam mit zwei Jahren und zehn Monaten Haft der | |
Bahnarbeiter Thomas K. (53) davon. Ihm bescheinigte das Gericht zwar eine | |
„deutliche Tendenz zum Rechtsextremismus“ und den Besitz etlicher Waffen. | |
Bei den „Vereinten Patrioten“ hatte er aber nur eine untergeordnete Rolle | |
gespielt. | |
Mit den verhängten Strafen blieb das Gericht leicht unter den Forderungen | |
der Bundesanwaltschaft. Die Verteidiger hatten um Milde gebeten oder sogar | |
Freisprüche gefordert. Sie verwiesen vor allem darauf, [2][wie hanebüchen, | |
unausgegoren und damit ungefährlich die Pläne gewesen seien] – zumal die | |
Polizei auch noch einen verdeckten Ermittler in die Gruppe eingeschleust | |
hatte. | |
Ohne ihn, argumentierten sie, wären die Angeklagten nicht einmal in die | |
Nähe von Waffen gekommen. Das Gericht wollte das nicht gelten lassen: Trotz | |
der Absurdität der Pläne, sagte Anne Kerber, habe es sich „nicht um eine | |
bloße Kasperletruppe“ gehandelt. | |
6 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Joachim F. Tornau | |
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