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# taz.de -- Lachgaskonsum bei Jugendlichen: Kaputtlachen statt Selbstoptimierung
> Seit Anfang 2025 ist in Hamburg und Osnabrück der Verkauf von Lachgas an
> Minderjährige verboten. Das ist falsch, weil es Jugendlichen nichts
> bringt.
Bild: Alle wollen Lachgas. Gibt's beim Späti oder wie hier in Amsterdam direkt…
Lachgas ist eine super Sache. Man kann damit alles Mögliche machen.
Raketentreibstoff verbessern, Sprühsahnedosen auf Druck bringen,
Zahnarztpatient:innen betäuben. Und man kann es durch Luftballons
einatmen, um high zu werden. Das High hält zwischen 30 Sekunden und ein
paar Minuten. Es fühlt sich gut an, irgendwie warm, bisschen euphorisch,
manchmal richtig lustig.
Bei Jugendlichen ist [1][Lachgas voll im Trend, Tendenz steigend]. Kein
Wunder: Die Kartuschen kriegt man easy am Späti oder online und braucht
nicht mal einen Ausweis. Als „Sahnebereiter“ deklariert, ist der Verkauf
von Lachgas in den meisten Orten in Deutschland legal und unterliegt keiner
Altersbeschränkung.
Seit dem 1. Januar 2025 ist das in Hamburg und Osnabrück anders. Die beiden
Städte verbieten den Verkauf von Lachgas an Minderjährige. Das Verbot kommt
nicht überraschend. Einige Landkreise sind schon so weit, über eine
bundesweite Regelung wird diskutiert.
In Frankreich ist der Verkauf an unter 18-Jährige schon verboten,
Großbritannien, Dänemark und die Schweiz haben Lachgas als Droge
eingestuft. Schon lange fordern Expert:innen auch für Deutschland ein
Verkaufsverbot für Minderjährige. Und sie haben [2][dafür gute Argumente].
Erstens ist Lachgas nicht gerade billig. Eine Zwei-Kilo-Flasche, die man an
einem Abend leeren kann, kostet 70 Euro. Den meist jungen
Konsument:innen ist es das wert. Der Umsatz hat sich in den letzten
Jahren fast verdoppelt. 17 Prozent der Schüler:innen in Frankfurt/M. zum
Beispiel haben Lachgas schon mal probiert.
Noch mehr als um ihr Taschengeld sorgen sich die Expert:innen um die
Gesundheit der Inhalierenden. Für diese ist [3][Lachgas auf die Dauer
extrem schädlich]. Es wirkt auf das zentrale Nervensystem und hemmt die
Aufnahme von Vitamin B12, das unsere Nerven brauchen, um zu funktionieren.
Wenn man regelmäßig konsumiert, kann das Nervensystem nachhaltig zerstört
werden, mit Folgen für Körper und Psyche. Manche Betroffene spüren ihre
Extremitäten nicht mehr richtig, können nicht mehr laufen, nässen ein oder
entwickeln Paranoia. Lachgas kann psychisch abhängig machen.
Den Lachgas-Verkauf an Minderjährige zu verbieten, ist trotzdem falsch.
Erstens bringen Verbote selten etwas. [4][Es ist gut belegt, dass der
Konsum von Drogen nicht durch Verbote verhindert wird]. Bei Jugendlichen
erhöhen Verbote bisweilen sogar den Reiz. Jugendliche werden sich Lachgas
also trotzdem besorgen.
## Lachen gegen Leistungszwang
Ein Verkaufsverbot beruhigt also höchstens besorgte Erwachsene, die hoffen,
dass Teenies dann endlich ihre Zimmer aufräumen oder Hausaufgaben machen.
Den jugendlichen Konsument:innen bringt das überhaupt nichts, außer
[5][Stigmatisierung und Kriminalisierung].
Außerdem bekämpft das Verbot bloß die Symptome. Würde man wirklich was für
Jugendliche tun wollen, müsste man nach den Ursachen des zunehmenden
Lachgas-Konsums fragen. Warum nehmen immer mehr Jugendliche in Kauf, nicht
mehr laufen zu können, nur um für 30 Sekunden ihre Probleme zu vergessen?
Weil es ihnen mies geht. Jugendliche fühlen sich zunehmend vereinzelt,
gestresst und traurig. [6][Das belegen Studien]. Spätestens seit der
Coronapandemie haben Belastungen noch mal zugenommen.
Auch ohne Pandemie stehen junge Menschen im Spätkapitalismus stärker unter
Druck als eine Sprühsahneflasche. Die neoliberale Ideologie der
Selbstverantwortung ist omnipräsent, vor allem auf Social Media. Erfolg ist
eine Frage des richtigen Lifestyles. Wer fett, hässlich oder arm ist, hat
sich nicht genug angestrengt. Leistung ist alles und Scheitern ein Zeichen
der eigenen Wertlosigkeit. [7][Das knallt besonders rein, wenn man jung und
unsicher ist].
Mit Lachgas kann man diesen Leistungszwang mal kurz abschalten. Überhaupt
gehört Kontrollverlust zur Jugend dazu. Das war schon immer so, Verbote hin
oder her. Also, Erwachsene: Wenn ihr euch wirklich für Jugendliche
interessiert, denkt euch was Besseres aus als ein Lachgas-Verkaufsverbot.
Eine bessere Gesellschaft zum Beispiel, die nicht an Profitmaximierung
ausgerichtet ist.
4 Jan 2025
## LINKS
[1] /Das-Lachgas-ist-zurueck/!5979179
[2] /Debatte-um-Lachgas-in-Berlin/!6047978
[3] /Debatte-um-Lachgas-in-Berlin/!6047978
[4] https://www.globalcommissionondrugs.org/wp-content/uploads/2021/12/Time_to_…
[5] https://www.blaetter.de/dokumente/die-prohibition-schadet-der-gesellschaft
[6] https://www.malteser.de/aware/hilfreich/krisenzeiten-junge-menschen-sind-ps…
[7] https://jacobin.de/artikel/der-neoliberalismus-untergraebt-unser-selbstwert…
## AUTOREN
Amira Klute
## TAGS
Drogenpolitik
Jugendschutz
Prohibition
Grüne Berlin
Rausch
Spaß
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