Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Probleme mit Lachgas in Berlin: Orange findet’s nicht lustig
> Die frei erhältliche Droge Lachgas wird bei Jugendlichen immer beliebter.
> Das sorgt in der Müllverbrennung der Berliner Stadtreinigung für
> Probleme.
Bild: Nur bedingt witzig: Lachgasspender mit Inhalierballons
Berlin taz | Die BSR hat ein Problem mit Sprengkraft: Lachgaskartuschen,
die in den Kesseln der Müllverbrennung in Ruhleben explodieren. Rund 250
der Metallflaschen landen laut BSR mittlerweile jeden Tag in der
Müllverbrennung, täglich kommt es im Schnitt zu vier bis fünf Explosionen
von Behältern, die nicht vollständig geleert sind. Das stark gestiegene
Aufkommen ist aber auch ein Anzeichen dafür, wie sehr der Konsum von
Lachgas als Partydroge zugenommen hat.
Lachgas – wissenschaftlicher Name: Distickstoffmonoxid – ist ein
hochproblematisches Treibhausgas aus natürlichen und menschengemachten
Quellen. Genutzt wird es schon seit Langem als mildes Anästhetikum, aber
auch als Droge, die beim Inhalieren einen kurzen euphorisierenden Rausch
auslöst. In Deutschland ist es leicht erhältlich: Im Gegensatz etwa zu den
Niederlanden, wo der private Besitz von Lachgas seit 2023 verboten ist,
kann man hier die Substanz im Supermarkt, im Späti oder online erwerben –
offiziell immer zum Aufschäumen von Sahne.
Seit Kurzem bieten Hersteller auch Großzylinder mit 500 oder gar 2.000
Gramm aromatisiertem Lachgas an. Letztere Menge entspricht über 250 der
kleinen Kartuschen, die tatsächlich manchmal noch in Sahnespendern landen.
„Sie werden sich beim Zubereiten von Desserts, Cupcakes usw. wohl fühlen“,
heißt es auf einer Onlineproduktseite verschwörerisch. Es sind diese
Gasflaschen – in knalligen Farben und manchmal sogar mit trendiger
Trageschlaufe –, die der BSR nun Probleme bereiten.
„Wir haben Risse in den Flächen, durch die die Leitungen zur Dampferzeugung
gehen“, erklärt BSR-Sprecherin Kirstin Härtig, „dadurch haben wir auch
Risse in den Leitungen selbst und dadurch tritt Wasserdampf in den
Verbrennungsraum aus.“ [1][Die BSR erzeugt mit der Verbrennung gemischten
Mülls Hochdruckdampf], der im benachbarten Kraftwerk Reuter zur Strom- und
Fernwärmeerzeugung genutzt wird. Bei Austreten des Dampfes verliert das
System Wasser, und der Kessel muss zur Reparatur heruntergefahren werden.
Dass Lachgas überhaupt zu Explosionen führt, scheint auf den ersten Blick
widersprüchlich, denn das Gas ist an sich nicht brennbar. Allerdings
spaltet es sich bei hohen Temperaturen, wie sie in einem Verbrennungskessel
entstehen, in Stickstoff und Sauerstoff auf – und der sorgt dann für eine
heftigere Oxidation, sprich: Verbrennung anderer Stoffe. Es gibt sogar
Motoren und Raketentreibsätze, die Lachgaseinspeisung für einen erhöhten
Schub nutzen.
Die BSR hat nun einen Antrag bei der Senatsumweltverwaltung gestellt,
Lachgasbehälter aus den Straßenmüllbehältern heraussammeln zu dürfen, um zu
verhindern, dass diese in der Verbrennung landen. Die Senatsverwaltung hat
eine schnelle Genehmigung in Aussicht gestellt.
## Immer eine Flasche parat
Ebenso problematisch wie diese technischen Herausforderungen dürfte die
Tatsache sein, dass Lachgaskonsum gerade bei Jugendlichen immer
verbreiteter ist. Laut einer Studie hatten schon 2022 etwa [2][17 Prozent
der deutschen Schüler*innen zwischen 15 und 18 mindestens einmal Lachgas
probiert]. Jugendliche berichten von Partys, auf denen eine
Lachgaskartusche mit Luftballons ganz selbstverständlich dazugehört.
Die Senatsgesundheitsverwaltung verfolgt nach eigener Aussage „sehr
aufmerksam die Berichterstattung“, nach der sich Fälle gesundheitlicher
Schäden häuften. Es lägen allerdings noch zu wenige Daten in Bezug auf die
Risiken vor, sagte ein Sprecher zur taz.
Im Prinzip ist eine Lachgasinhalation zwar ungiftig, durch unkontrollierte
Anwendung kann es aber zu einem Sauerstoffmangel mit Bewusstlosigkeit
kommen. Bei häufigem Konsum drohen zudem Schäden von Knochenmark und
Nervensystem, da Lachgas die Aufnahme des lebensnotwendigen Vitamins B12
verhindert. Die Senatsverwaltung befürwortet deshalb neben mehr Aufklärung
die Prüfung von Abgabeverboten oder Warnhinweisen. Dies müsse aber auf
Bundesebene passieren, so der Sprecher.
15 Aug 2024
## LINKS
[1] /die-ortsbegehung/!5997982
[2] https://download.taz.de/MoSyD-Studie_2022.pdf
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Rausch
Drogenkonsum
Müll
Drogenkonsum
Drogenpolitik
Grüne Berlin
wochentaz
Spaß
## ARTIKEL ZUM THEMA
Lachgaskonsum bei Jugendlichen: Bis das Lachen vergeht
Lachgas ist als Droge bei Jugendlichen immer beliebter, teils mit
gravierenden Folgen. Experten unterstützen ein Abgabeverbot an
Minderjährige.
Lachgaskonsum bei Jugendlichen: Kaputtlachen statt Selbstoptimierung
Seit Anfang 2025 ist in Hamburg und Osnabrück der Verkauf von Lachgas an
Minderjährige verboten. Das ist falsch, weil es Jugendlichen nichts bringt.
Debatte um Lachgas in Berlin: Wer zu lang zieht, hat nichts mehr zu lachen
Lachgas wird unter jungen Menschen immer populärer, birgt aber große
Risiken für sie selbst und andere. Noch ist es legal verkäuflich.
die ortsbegehung: Was vom Berliner Müll übrig bleibt
Im Müllheizkraftwerk Ruhleben landen angebrochene Milchtüten genauso wie
verschimmelte Kühlschränke. Wie es damit weitergeht und was übrigbleibt.
Das Lachgas ist zurück: Haha, na klar, Sahne
Großmutter, warum hast du so große Sahnesprüher? Damit die Enkel das
Lachgas einatmen können! Die erstaunliche Karriere eines Betäubungsgases.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.