| # taz.de -- Untergang russischer Tanker: Mit Schaufeln gegen Ölklumpen | |
| > Noch immer sickern Tonnen von Schweröl der verunglückten Tanker ins | |
| > Schwarze Meer. Freiwillige beseitigen die Folgen der Ölpest vor Russlands | |
| > Küste. | |
| Bild: Seit Wochen werden Ölklumpen angeschwemmt, hier Aufräumarbeiten an eine… | |
| Moskau taz | Eigentlich hätte Denis Dawydow weiter die Neujahrsfeiertage in | |
| Moskau verbringen können. Sie sind sehr lang in Russland. Doch der | |
| 40-Jährige konnte nicht mehr länger zuschauen, wie mehr als 1.200 Kilometer | |
| von ihm entfernt Tiere verendeten. Wie sich die Sandstrände, an denen viele | |
| russische Kinder zum ersten Mal das Meer sehen, in ölverpestete Müllhalden | |
| verwandeln. | |
| Dawydow machte sich auf in den Süden. „Es ist doch unser aller Unglück. | |
| [1][Das Meer braucht unsere Hilfe]. Es gibt so viel Arbeit“, sagt der | |
| Lebensmitteltechniker. In diesen Tagen koordiniert er einen | |
| Freiwilligenstab, der sich um ölverschmutzte Vögel in der | |
| Schwarzmeer-Kurstadt Anapa kümmert. | |
| Seit Wochen werden in der Region Krasnodar im Süden Russlands Ölklumpen | |
| angeschwemmt. Mitte Dezember waren in der Meerenge von Kertsch zwischen | |
| Russland und der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim zwei | |
| russische Tanker in Seenot geraten. | |
| [2][Tanker, die gar nicht erst hätten in See stechen dürfen], da ihre | |
| Nutzungsdauer laut russischen Gesetzen 25 Jahre beträgt. Das 1969 gebaute | |
| Schiff „Wolgoneft 212“ war im Sturm auseinandergebrochen und sank, | |
| „Wolgoneft 239“, 1973 gebaut, lief auf Grund. Die Tanker waren für den | |
| Einsatz auf Flüssen gebaut und zum Beladen anderer Schiffe konzipiert | |
| worden. Wellen von über zwei Metern halten sie nicht stand. | |
| ## „Masut“ nennen es die Russ*innen, ein minderwertiges zähflüssiges | |
| Schweröl | |
| Doch die Schiffe waren trotz Sturmwarnungen ausgelaufen. Sie hatten | |
| insgesamt 9.200 Tonnen Öl geladen. „Masut“ nennen es die Russ*innen, ein | |
| minderwertiges, zähflüssiges Schweröl, das in postsowjetischen Ländern und | |
| auch in Iran noch als Heizöl verwendet wird. | |
| Im Wasser bildet es Klumpen und sinkt ab. Russische Behörden, die mehrere | |
| Wochen gebraucht haben, um einen nationalen Notstand auszurufen, sehen | |
| keine weiteren Methoden, das Öl aus dem Wasser zu entfernen, als das | |
| schlichte Aufsammeln dieser Klumpen, sobald sie an der Küste angeschwemmt | |
| werden. Mehr als 65 Kilometer Küste sind mittlerweile von der Ölkatastrophe | |
| betroffen. | |
| Die Schuldigen hatte Wladimir Putin bei seiner groß inszenierten | |
| Pressekonferenz im Dezember schnell ausgemacht: Es seien die Kapitäne, die | |
| den Anker an falscher Stelle geworfen hätten, behauptete Russlands | |
| Präsident. Die beiden Kapitäne wurden festgenommen. Vor wenigen Tagen gab | |
| der Kremlchef die Order aus, „eine der größten ökologischen | |
| Herausforderungen für Russland“ zu beseitigen. Die Beamten vor Ort | |
| begannen, sich öffentlichkeitswirksam zu rühren. Nicht immer zur Freude der | |
| Freiwilligen. | |
| „Die Verwaltung versucht nun mit allen Mitteln zu zeigen, dass sie alles | |
| unter Kontrolle hat. Doch im Moment sieht es eher nach einem Bärendienst | |
| aus“, sagt Dawydow. Die Behörden ließen Freiwillige, die Vögel putzen, | |
| festnehmen und hätten ein von Freiwilligen organisiertes | |
| Rehabilitationszentrum für Vögel geschlossen. | |
| „Ein Skandal. Nun ist es von Offiziellen wieder eröffnet worden, aber die | |
| Arbeit ist schlecht organisiert“, erzählt der Helfer weiter, der sich | |
| selbst als Kommunist bezeichnet. Wie viele andere fordert er die Regierung | |
| auf, die Schiffe zu heben: „Solange die Schiffe im Wasser bleiben, werden | |
| noch weitere Tonnen Masut ins Wasser und in die Erde sickern.“ | |
| ## „Je mehr Menschen hier anpacken, desto schwieriger wird es mögliche | |
| Sabotageaktionen der örtlichen Verwaltung zu verbergen“ | |
| In Beschwerdebriefen der Helfer*innen heißt es: „Die bereitgestellten | |
| Ressourcen und Arbeitskräfte sind äußerst unzureichend. Statt Bulldozer zu | |
| verwenden, sind die Menschen gezwungen, das Öl mit Schaufeln und | |
| Schöpfkellen zu entfernen und dabei giftige Dämpfe einzuatmen.“ Das in | |
| Säcken gesammelte Öl werde nicht rechtzeitig abtransportiert, sondern lande | |
| wieder im Sand. „Die Ölklumpen breiten sich weiter aus, Vögel und | |
| Meerestiere sterben, die Menschen sind erschöpft.“ | |
| Gleich nach Bekanntwerden des Tankerunglücks waren Tausende von | |
| Freiwilligen an die russische Schwarzmeerküste aufgebrochen. Die | |
| Organisation erfolgt bis heute über Chats. „Wer hat ein Auto?“, „Ich kann | |
| heute um acht Uhr am Strand sein“, „Ich bringe Suppe vorbei“, „Ich schi… | |
| Säcke und Masken“, sind Nachrichten, die da ausgetauscht werden. Oder | |
| einfach: „Ich kann nur aus der Ferne helfen. Womit?“ | |
| „Wir brauchen vor allem Leute, die vor Ort anpacken können“, sagt Dawydow. | |
| „Wir arbeiten praktisch rund um die Uhr, das schlaucht. Aber ich sehe auch, | |
| wie viel wir bewirken können, das spornt zum Weitermachen an. Wir sind | |
| Ärzte, IT-ler, Designer, Lehrer, Kleinunternehmer.“ Ihm zufolge kommen die | |
| Helfer*innen aus Moskau, Sankt Petersburg, Rostow, Woronesch, selbst aus | |
| Sibirien. „Aber wir sind zu wenige.“ | |
| „Für die Verwaltung ist es von Vorteil, wenn nicht so viele Freiwillige da | |
| sind, die für Aufsehen sorgen“, berichtet er weiter. „Doch je mehr Menschen | |
| hier anpacken, desto schwieriger wird es, die Folgen dieser Katastrophe und | |
| mögliche Sabotageaktionen der örtlichen Verwaltung zu verbergen.“ | |
| 14 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Inna Hartwich | |
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