| # taz.de -- Psychologie beim Arzt und im Konzert: Die richtigen Worte | |
| > Das Institut für Medizinische Psychologie der Uni Lübeck berät Musiker | |
| > mit Angst vor Auftritten und schult angehende Ärzte für | |
| > Patientengespräche. | |
| Bild: Mitentscheidend für den Behandlungserfolgs: das Patientengespräch | |
| Lübeck taz | Der Arzt schaute sich meinen schmerzenden Rücken an. Dann | |
| sagte er: „Schreibtischarbeit ist eine Extrembelastung für den Rücken, sehr | |
| unnatürlich. Unsere Vorfahren sind ja den ganzen Tag gelaufen. Ich könnte | |
| Ihnen Massagen aufschreiben oder Physio, aber dann sind Sie in einem halben | |
| Jahr wieder da. Machen Sie jeden Tag Sport.“ | |
| Das Gespräch ist 15 Jahre her. Ich fand den Arzt damals etwas rüde, aber | |
| von heute aus gesehen brauchte ich genau diese Worte. Immer, wenn mein | |
| Rücken sich meldet, weiß ich, dass ich mich bewegen sollte. Beim Orthopäden | |
| war ich wegen des Rückens seitdem nicht mehr. | |
| Nicht immer finden Ärzte die richtigen Worte. Dabei sind Arztgespräche | |
| wichtig für den Erfolg einer Behandlung, sagt die Professorin für kognitive | |
| Neurowissenschaften der Uni Lübeck, Ulrike Krämer. Deshalb hat ihr Kollege | |
| Daniel Wiswede eine Reihe von Lehrveranstaltungen entwickelt, in denen | |
| Medizin-Studierende [1][Psychologie] lernen und in Rollenspielen | |
| Arztgespräche üben, teils mit Schauspielern. Das Thema begleitet sie im | |
| ganzen Studium und wird am Ende geprüft. | |
| Die psychologische Ausbildung von Mediziner:innen ist ein wichtiger | |
| Bereich des Instituts für medizinische Psychologie, dessen Sprecherin | |
| Krämer ist. Das Institut wurde im August 2024 gegründet. | |
| Alle 18 Mitarbeitenden haben schon vorher in verschiedenen Bereichen in | |
| Lübeck gearbeitet, die Gründung war deshalb „kostenneutral“, sagt Krämer. | |
| Was sich durch die neue Struktur ändert, ist „eine viel stärkere Verzahnung | |
| zwischen Forschung und Lehre“. Das Institut fasst die Bereiche Baby- und | |
| Kleinkindentwicklung, kognitive [2][Neurowissenschaften], sexuelle und | |
| hormonelle Diversität sowie MRT (Bildgebung) zusammen. | |
| Neu ist auch eine Schnittstelle zu einer anderen Lübecker Universität, der | |
| Musikhochschule. Einer der Direktoren des Instituts ist der Psychologe und | |
| Jazzkomponist Daniel Scholz, Deutschlands einziger Professor für | |
| Musizierendengesundheit. | |
| Früher oder später müssen Profimusiker:innen auf eine Bühne. Manche | |
| von ihnen bekommen auf dem Weg dorthin schweißnasse Hände und Herzrasen, | |
| wollen am liebsten weglaufen. | |
| Auftrittsangst ist viel mehr als [3][Lampenfieber], es ist eine Art | |
| unverhältnismäßige, archaische Todesangst, sagt Scholz. In seinen Trainings | |
| lernen Studierende, diese Angst zu überwinden. „Wir fragen uns zum | |
| Beispiel: Warum gehen Menschen in ein Konzert? Musiker:innen werden | |
| darauf trainiert, ihre Fehler zu hören. 97 Prozent der Zuhörenden merken es | |
| aber gar nicht, wenn sie einen Fehler machen.“ | |
| Das Institut für medizinische Psychologie bietet außerdem das Seminar | |
| „Music and the Brain“ an, „da rennen uns die Studierenden die Bude ein“, | |
| sagt Scholz. Psychologie sei auch wichtig für Musik-Studierende, „die | |
| später Musik unterrichten“, sagt Sarah Jessen. Zusammen mit Krämer und | |
| Scholz leitet sie das neue Institut. Auch ihre Seminare über die | |
| Entwicklung von Babys und Kleinkindern sind gut besucht. „Soziale | |
| Erfahrungen sind wichtig, von Anfang an.“ | |
| Das Soziale präge die Gesundheit, sagt Ulrike Krämer. Unfreiwillige | |
| Einsamkeit zum Beispiel sei ein echtes Krankheitsrisiko. Soziale | |
| Beziehungen beeinflussten auch den Hormonhaushalt. „Hormone sind ja nichts | |
| Fremdbestimmtes. Sie sind Teil eine Prozesses, den wir steuern können.“ Zum | |
| Beispiel, indem wir Sport treiben. Das ist dann nicht nur gut für den | |
| Rücken, sondern auch für die Psyche. | |
| 20 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Friederike Grabitz | |
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