# taz.de -- Kürzungspolitik in Berlin: Die Gesellschaft schafft sich ab | |
> CDU und SPD haben die Kürzungen verabschiedet. Gelöst wird damit kein | |
> einziges gesellschaftliches Problem – im Gegenteil. | |
Bild: Protestiert wurde viel, gekürzt wird trotzdem | |
Am Ende kam es zu keinen Überraschungen mehr: Das Abgeordnetenhaus hat am | |
Donnerstag den Nachtragshaushalt für das Jahr 2025 beschlossen. Damit sind | |
die von Schwarz-Rot geplanten Kürzungen im Umfang von drei Milliarden Euro | |
durchgewunken. Es ist das größte Kürzungsprogramm in Berlin, seit Thilo | |
Sarrazin als Finanzsenator unter Klaus Wowereit (beide SPD) Anfang der | |
2000er-Jahre die Stadt ins Chaos gestürzt hat. | |
Über die Brutalität auch der zuletzt noch mal aktualisierten Sparliste, die | |
CDU und SPD als Entschärfung verkaufen wollten, ist in den vergangenen | |
Wochen viel geschrieben worden. Gekürzt wird [1][bei Knast- und | |
Resozialisierungsprojekten], während Justizbeamte [2][mit Drogenspürhunden | |
hochgerüstet werden]. Die [3][Gewaltprävention und Opferhilfe] wird | |
zusammengestrichen, während die Koalition für [4][drei Spiele der | |
US-amerikanischen Footballliga NFL] über 10 Millionen locker macht. In der | |
Kultur wird [5][die freie Szene zugunsten der großen Häuser dem Spardiktat | |
geopfert]. Die Liste der Ungerechtigkeiten ließe sich ewig fortführen. | |
Es ist wichtig, sich den großen Kontext dieser Maßnahmen vor Augen zu | |
führen. Der soziale Zusammenhalt erodiert seit Jahren: Kriege, | |
Wirtschaftskrisen und Klimawandel haben die bürgerliche Gesellschaft in | |
eine tiefe, systemische Krise gestürzt. Die Gesellschaft verroht. Die | |
Skinheads sind zurück, [6][die Lokalpolitiker:innen auf der Straße | |
zusammenprügeln]. Doch statt die sozialen Probleme anzugehen – teure | |
Mieten, stagnierende Löhne und Inflation –, hat sich die bürgerliche | |
Politik in den vergangenen Jahren darauf eingeschossen, geflüchtete | |
Menschen zum Sündenbock für alles zu erklären. | |
## Kurzsichtige Politik | |
Auch die Sparpolitik wird kein einziges gesellschaftliches Problem lösen, | |
sondern die gesellschaftlichen Risse nur vertiefen. Wer einfach so | |
kostenlose Museumssonntage streicht, den öffentlichen Nahverkehr verteuert, | |
wer Jugendarbeit, Flüchtlingshilfe und Frauenhäuser für verzichtbar hält – | |
der hat offensichtlich gar kein Interesse mehr an einer langfristigen | |
Pazifizierung der Gesellschaft, wie es durchaus mal ein konservatives | |
Politikideal war. Stattdessen hat in der Politik eine extrem kurzsichtige | |
Logik übernommen, der es nur noch darum geht, sich trotz der vielen Krisen | |
als handlungsfähig zu inszenieren, als harter Hund, der durchzugreifen in | |
der Lage ist. | |
Gerechtfertigt wird diese Politik mit dem alten Argument der angeblich | |
unverrückbaren Sachzwänge. Und tatsächlich ist der große Kontext der | |
gegenwärtigen Geldknappheit natürlich die Schuldenbremse, also | |
Bundespolitik. Aber auch auf Berliner Ebene legen die beiden | |
Koalitionspartner CDU und SPD keinen Enthusiasmus an den Tag für kreative | |
Lösungen mit Blick auf die Steigerung der Einnahmeseite und so vielleicht | |
mal die sozialen Schieflagen anzugehen. Dann wird eben doch wieder lieber | |
die Polizei hochgerüstet. Genau das ist die Politik einer bürgerlichen | |
Gesellschaft, die sich lieber selbst abschafft, statt die Ursachen der | |
Verteilungskrise anzugehen. | |
20 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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