# taz.de -- Theater über jüdische Gemeinde in Kreta: Sie kamen mit Fallschirm… | |
> Die Wehrmacht massakrierte und deportierte Menschen von der Insel. Ein | |
> Teil leistete Widerstand. Daran erinnert nun ein deutsch-griechisches | |
> Theaterprojekt. | |
Bild: Das Theaterstück „Die Schatten neben dem Sonnenschirm“ im Leipziger … | |
Die griechische Insel Kreta ist eines der beliebtesten Urlaubsziele der | |
Deutschen. Auf kretischen Stränden voller Sonnenschirme drängen sich | |
Touristen. | |
1941 waren auf Kretas Stränden ganz andere Schirme zu sehen. | |
Fallschirmjäger der deutschen Wehrmacht landeten auf der Insel und nahmen | |
sie ein. Sie terrorisierten die teils widerständige Bevölkerung und | |
verübten Massaker. Chania, die damalige Hauptstadt der Insel, war das | |
Zentrum der jüdischen Gemeinde Kretas. Hier wohnten, vor allem im jüdischen | |
Viertel, fast alle ihrer 300 Mitglieder. | |
Am 21. Mai 1944 wurde die jüdische Bevölkerung Chanias von deutschen | |
Soldaten aus ihren Häusern getrieben und zunächst in ein Gefängnis | |
gebracht. Knapp drei Wochen später wurden sie gemeinsam mit kretischen | |
Partisanen und italienischen Kriegsgefangenen in die engen Lagerräume des | |
Dampfschiffs „Tanaïs“ getrieben. Sie sollten zum Hafen von Piräus gebracht | |
und von dort weiter mit dem Zug nach Auschwitz deportiert werden. | |
Die „Tanaïs“ fuhr unter deutscher Flagge und war nicht als | |
Kriegsgefangenentransport gekennzeichnet. Kurz nach ihrem Auslaufen am 9. | |
Juni 1944 wurde sie von einem britischen U-Boot torpediert und sank | |
innerhalb weniger Minuten. Alle Gefangenen ertranken. | |
## deutsch-griechisches Projekt | |
2024 jährte sich der Untergang der „Tanaïs“ zum 80. Mal. Nachdem der | |
Gefangenentransport lange in Vergessenheit geraten war, bemüht sich nun | |
ein deutsch-griechisches Projekt, dem Ende der jüdischen Gemeinde Kretas | |
und ihrer 2.300 Jahre andauernden Geschichte ein lebendiges Denkmal zu | |
setzten. | |
Die Kooperation zwischen dem [1][Leipziger Kultur- und Begegnungszentrum | |
Ariowitsch-Haus] und der kleinen Etz-Hayyim-Gemeinde, die heute die | |
Synagoge in Chania nach langem Leerstand wieder nutzt, kombiniert | |
Recherche, Theater und Pädagogik an kretischen Schulen, um die | |
unwiederbringliche Zerstörung, die die deutsche Besatzung für das jüdische | |
Leben auf Kreta bedeutete, sichtbar zu machen. | |
Aus dem Projekt entstand die Theaterperformance „Die Schatten neben dem | |
Sonnenschirm“. In der Synagoge in Chania spielen sieben | |
Schauspieler:innen aus Deutschland und Griechenland Szenen aus dem | |
Leben der Gemeindemitglieder, kurz vor ihrer Deportation. Aggressive | |
Wehrmachtssoldaten sprengen gemeinschaftliche Momente und verbreiten | |
Verzweiflung und Entsetzen. | |
Die fiktiven Szenen entstanden auf der Basis von Anhaltspunkten, die sich | |
bei der Recherche ergaben, wie Fotografien oder konkrete Orte in Chania. | |
Trotz der Suche nach Informationen ist von vielen kretischen Juden | |
allerdings einzig ihr Name auf der Deportationsliste bekannt. | |
## Ignoranz deutscher Urlauber:innen heute | |
Diese Leerstelle bleibt in der Performance spürbar. Durchdrungen von | |
Sprechchören, Kommentarebenen und Sprüngen in die Gegenwart fügen sich die | |
Szenen zu einer immer wieder brechenden Collage zusammen. Das Publikum | |
folgt den Schauspieler:innen und dem Chor aus sieben kretischen | |
Schüler:innen im Verlauf der Aufführung durch die [2][Räume der | |
Synagoge] und hinaus in den Innenhof. | |
Bei einer Vorstellung des Projekts im Ariowitsch-Haus in Leipzig am Montag | |
betonte Jürgen Zielinski, künstlerischer Leiter der Performance, es sei | |
auch darum gegangen, einen Blick auf die Dissonanz zwischen dem Geschehenen | |
und der Ignoranz deutscher Urlauber:innen heute zu lenken. | |
So werden in einer Szene deutsche Touristen parodiert, die von alledem, was | |
schon so lange her ist, einfach mal nichts mehr wissen wollen. Getreu dem | |
Motto: „Genug ist genug!“ | |
Das historische jüdische Viertel Chanias ist heute ein beliebtes | |
Touristenviertel. Auf dem ehemaligen Gelände des jüdischen Friedhofs, auf | |
dem die Gefangenen der „Tanaïs“ nie begraben wurden, steht jetzt ein Hotel. | |
17 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Rosa Budde | |
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