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# taz.de -- Nach Anschlag auf Bremer Jugendzentrum: Braune Brandstifter vor Ger…
> Drei Rechte müssen sich nach dem Anschlag auf die Bremer „Friese“ 2020
> wegen schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung
> verantworten.
Bild: Viele fühlen sich nach dem Anschlag hier nicht mehr sicher: „Die Fries…
Bremen taz | Durch das Erdgeschoss wummern psychedelische Klänge zweier
belgischer DJs. Plötzlich kriecht Rauch an der Rückwand des Konzertraums
entlang. Wenige Augenblicke später schlägt dem Leiter des [1][Bremer
Jugendzentrums „Die Friese“] „beißender, grünlich-bräunlicher Qualm“
entgegen, als er die Brandschutztür zum Backstagebereich im ersten Stock
einen Spalt weit öffnet. „Sofort alle raus!“, brüllt Markus Schulz (Name
geändert) nach unten und die etwa 30 Besucher:innen des experimentellen
Konzerts retten sich im Februar 2020 auf die Straße.
Noch in der Nacht war den Veranstaltenden klar, wovon inzwischen auch die
Bremer Staatsanwaltschaft überzeugt ist: Rechte hatten einen
[2][Brandanschlag auf das selbstverwaltete Jugend- und Kulturzentrum
verübt] – mitten im alternativen Steintorviertel, während sich zahlreiche
Menschen im Haus aufhielten. Drei Männer mit Verbindungen in die
rechtsextreme Szene müssen sich deshalb ab dem 16. Januar vor dem Bremer
Landgericht wegen schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung
in 33 Fällen verantworten.
Nachdem die Feuerwehr den Brand im Obergeschoss gelöscht hat, entdeckt
Schulz vor dem Eingang der Friese frisch geklebte Sticker der
Neonazi-Partei „Die Rechte“. Am nächsten Tag findet die Polizei an der Tür
des völlig verrußten Brandraumes einen weiteren Aufkleber mit
rechtsextremistischem Hintergrund. Die Ermittler:innen gehen von
Brandstiftung aus.
## Brandschutztüren verhindern Schlimmeres
Noch während die Flammen loderten, stürmte Schulz mit seinem dicken
Schlüsselbund bis ins Tonstudio unter dem Dach. „Ich wollte sichergehen,
dass niemand unbemerkt hoch ist“, erinnert er sich heute. Im
selbstverwalteten Jugendzentrum nehmen Nutzer:innen ab 18 Jahren auch
mal spätabends Hip-Hop-Tracks auf. In der Februarnacht 2020 waren die
oberen Etagen jedoch leer. Die Betondecken und Brandschutztüren des
städtischen Gebäudes haben angesichts des vollen Konzertsaals wohl eine
größere Katastrophe verhindert.
Doch der Schock sitzt tief und wirkt bis heute nach. „Es gibt ein Arbeiten
vor und ein Arbeiten nach dem Brandanschlag“, sagt Schulz, der seit 1995 in
der Friese aktiv ist. Mitarbeitende hätten gekündigt, Jugendliche seien
nach der monatelangen Sanierung nicht wiedergekommen. Auch fünf Jahre nach
dem Anschlag merke Schulz veränderte „Feinheiten im Alltag“. Das
Sicherheitsgefühl im einstigen Freiraum sei verschwunden. Andere Betroffene
berichten von Panikattacken, therapeutischer Hilfe und Schulterblicken auf
dem nächtlichen Nachhauseweg.
Die Angeklagten Nico J., Dave S. und Jan E. bewegten sich zur Tatzeit
nachweislich im Umfeld der Partei „Die Rechte“. Nico J. und Dave S. traten
zudem mehrfach mit der damals in Bremen aktiven [3][rechten Männerclique
Phalanx 18] in Erscheinung. Die Gruppe zog von Sommer 2019 bis zum Verbot
durch den Bremer Innensenator im November 2019 regelmäßig durch das
Steintorviertel und suchte die Konfrontation mit Antifaschist:innen.
## Die Tat als Botschaft
Im September 2021, eineinhalb Jahre nach dem mutmaßlichen Anschlag,
durchsuchte die Polizei die Wohnungen der drei Männer, die heute zwischen
29 und 41 Jahre alt sind. Die Innenbehörde sprach damals auch von
Funkzellenauswertungen, Telefonüberwachungen und Observationen.
Dennoch kritisiert Rechtsanwältin Lea Voigt, die im anstehenden Prozess
eine Nebenklägerin vertritt: „Die Ermittlungen wurden in der wichtigen
Phase unmittelbar nach der Tat mit wenig Eifer geführt. Obwohl die Beamten
schon zu Beginn konkrete Hinweise auf einen der heutigen Angeklagten
erhielten, hatte dies zunächst keinerlei Konsequenzen.“ Man müsse sich
klarmachen, dass der Verdacht im Raum stehe, „dass Nazis ein Haus
angezündet haben, während sich darin arglose Menschen aufhielten“, fordert
Voigt.
Die Bremer Beratungsstelle Soliport für Betroffene rechter Gewalt spricht
von „sekundärer Viktimisierung“, wenn die Polizei oder das persönliche
Umfeld die Betroffenen nicht ernst nähmen oder gar eine Mitschuld
unterstellen würden. „Die Verantwortung für Taten tragen allein die
Täter:innen“, stellt eine Sprecherin von Soliport klar. Neben den möglichen
Folgen für die unmittelbar Betroffenen wie Stress, Kontrollverlust oder
Verhaltensänderungen würden rechtsmotivierte Botschaftstaten auch auf
andere Orte mit ähnlichem subkulturellen Hintergrund ausstrahlen.
## Mehrjährige Freiheitsstrafen möglich
Den Vorwurf, die Behörden hätten nicht mit dem nötigen Eifer ermittelt,
weist die Staatsanwaltschaft Bremen zurück. „Ermittlungsverfahren im
Zusammenhang mit Brandstiftungsdelikten gestalten sich für
Ermittlungsbehörden regelmäßig sehr arbeits- und zeitintensiv“, betont
Sprecher Frank Passade. Zwar könne die Staatsanwaltschaft verstehen, dass
Geschädigte dies oftmals für zu lang erachten. Dies ändere aber nichts
daran, „dass bestimmte Ermittlungsmaßnahmen einfach Zeit benötigen“.
Die Staatsanwaltschaft hält für alle drei Angeklagten eine Freiheitsstrafe
von mehr als vier Jahren für möglich und hat deshalb Anklage vor dem
Landgericht statt vor dem Amtsgericht erhoben. Die zuständige Kammer hat 18
Verhandlungstermine bis zum 22. Mai dieses Jahres angesetzt.
7 Jan 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Tom Gath
## TAGS
Jugendzentrum
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