# taz.de -- Die Wahrheit: Mutterherzens Wärmepumpe | |
> Mit Jens Spahn ist erstmals ein CDU-Politiker Protagonist eines | |
> New-Adult-Romans und tritt somit ins sanfte Reich der Fiktion ein. | |
Jens Spahn stieg aus seinem dunklen Audi Q8 und atmete tief durch. Ein Duft | |
von feuchtem Laub und Brennholz schlug ihm entgegen. Es war, wie es immer | |
war, wenn er nach Ottenstein kam, sein Heimatdorf nahe der holländischen | |
Grenze. Die Welt schien sich langsamer zu drehen hier im westlichen | |
Münsterland, der Himmel wirkte um so viel weiter als im grauen Berlin. | |
Doch dieses Jahr lag ein Hauch von Nervosität in der Luft. Denn Spahn war | |
nicht nur aus sentimentalen Gründen nach Hause gekommen. Er hatte auch eine | |
Mission zu erfüllen. Die Wintersonne hing bereits tief über den Feldern, | |
als er auf den vertrauten roten Klinkerbau zuging. Es war Heiligabend. | |
## Mit einem herzlichen Lächeln begrüßte ihn seine Mutter | |
Die vergangenen Monate in der Politik waren schwer gewesen, und der | |
ehemalige Gesundheitsminister und jetzige Universal-Vize der CDU freute | |
sich auf ein paar ruhige Stunden mit seiner Mutter, die diese Weihnacht | |
erstmals allein verlebte. Der Vater war im April verstorben. Im Haus roch | |
es nach Tannenzweigen und frischen Keksen. Die Mutter begrüßte ihn mit | |
einem herzlichen Lächeln. | |
„Schön, dass du da bist, Jens.“ Er nickte und zog sie in eine Umarmung. | |
„Schön, hier zu sein, Mutti.“ Sie aßen Kartoffelsalat und Würstchen, | |
sprachen über alte Zeiten und über die Nachbarn, die nach wie vor alle | |
„sehr interessiert“ waren, was „der Jens“ so machte im fernen Berlin. D… | |
als die Mutter Kaffee und Stollen brachte, lenkte dieser Jens das Gespräch | |
plötzlich in eine ganz andere Richtung. | |
„Du weißt doch, dass deine Heizung nicht mehr lange mitmacht, oder?“, | |
fragte er scheinbar beiläufig. Seine Mutter sah ihn an. „Das weiß ich. Aber | |
ich habe mich schon informiert. Eine Wärmepumpe wäre ideal für das Haus.“ | |
Spahn schnaubte. „Mutti, das ist Quatsch. Diese Pumpen funktionieren im | |
Winter nicht richtig. Du wirst frieren, und die Stromkosten explodieren. | |
Eine neue Ölheizung ist die einzig vernünftige Lösung.“ | |
„Aber ich will nicht weiter auf die Fossilen setzen, Jens. Das ist nicht | |
nachhaltig.“ Spahn beugte sich vor, seine Stimme wurde eindringlicher. | |
„Mutti, sei realistisch. Ich kann dir helfen, die neue Öl-Heizung zu | |
finanzieren. Aber wenn du dich für eine dieser …“ – es schüttelte ihn k… | |
– „… Habeck-Pumpen entscheidest, wirst du auf dich allein gestellt sein.�… | |
„Was meinst du damit?“ Ihre Stimme wurde scharf. „Ich meine, dass ich dann | |
jede finanzielle Unterstützung beenden muss. Und du künftig mit dem | |
bisschen Bürgergeld auskommen müsstest. Aber bedenke: Wenn wir regieren, | |
wird es auch damit vorbei sein. Willst du das riskieren?“ | |
Ein langer Moment des Schweigens folgte. Seine Mutter sah ihn an, | |
Enttäuschung in ihren Augen. Doch am Ende nickte sie langsam. „Gut, Jens.“ | |
Er lächelte nachsichtig. „Ich wusste, dass du mich verstehen würdest.“ | |
Als die Mutter die Kerzen löschte und stumm begann, das Geschirr in die | |
Maschine zu räumen, zog sich Jens in sein Jugendzimmer zurück. Er warf sich | |
auf das schmale Bett und rief auf seinem Phone seine Lieblingsplaylist auf. | |
Bei „Fiesta Mexicana“ wanderte sein Blick zu dem Rex-Gildo-Poster an der | |
Wand und weiter zum Helmut-Kohl-Plakat, das er als Vierzehnjähriger dort | |
aufgehangen hat. Dann kam „Hello Again“. | |
Doch weder die besten Songs seines Lebens noch die altvertraut gemusterte | |
Biberwäsche seines Jugendbetts vermochten Jens zu trösten, sondern | |
bedrängten ihn eher mit ihren Erinnerungen an eine Zeit, in der alles so | |
viel hoffnungsfroher zu sein schien. Wie oft hatte er hier gelegen und | |
Pläne geschmiedet, sich ausgemalt, wie er eines Tages das Land regieren | |
würde. | |
Aber im Moment fühlte sich all das so weit weg an – wie ein Traum, der | |
nicht mehr zu ihm passte. Damals, als er geträumt hatte, die Welt zu | |
verändern, nicht aber davon, Heizungsanlagen zu diktieren. Jens spürte, wie | |
die leise Freude über den kleinen Sieg im Streit mit seiner Mutter | |
verblasste. Längst war die Ahnung, dass da etwas für immer zerbrochen sein | |
könnte zwischen ihnen, einer bangen Sorge gewichen. | |
Dann lief „Wähle 3-3-3“, und als Graham Bonney „Hast du mal Kummer mit d… | |
Mama“ sang, scrollte Jens durch sein Adressbuch. Wen könnte er um diese | |
Zeit noch anrufen? Ein Name stach ihm ins Auge. Kurz überlegte er, dann | |
drückte er die Hörertaste. Es klingelte nur einmal, bevor die vertraute | |
Stimme erklang. „Jens, was für eine Überraschung!“ Spahn musste lächeln. | |
„Hey Julian, frohe Weihnachten. Ich dachte, es ist Zeit, mal wieder mit | |
jemandem zu reden, der mich versteht.“ | |
„Der mich versteht?“ Julian Reichelt ließ sein keckes Julian-Kichern höre… | |
„Du klingst, als würdest du mir gleich eine große Ankündigung machen. Was | |
ist los, Jens?“ Spahn zögerte. Konnte er sich dem ehrgeizigen | |
Nachrichtenprofi gegenüber wirklich unbesorgt öffnen? „Ach, weißt du, | |
Julian“, er seufzte ergeben, „ich dachte, ich hätte alles im Griff. Aber | |
jetzt sitze ich hier in meinem Jugendzimmer und merke, dass dem gar nicht | |
so ist.“ | |
## Aus dem Telefon erklang ein leises Lachen des ehrgeizigen Machers | |
Er berichtete Reichelt knapp, was geschehen war. Ein leises Lachen ertönte | |
am anderen Ende. „Das ist jetzt aber nicht der Jens, den ich bisher kannte. | |
Der Typ, der sonst stundenlang mit mir diskutierte, ob wir ernsthaft die | |
Welt retten oder einfach nur ein bisschen Spaß haben wollen.“ Spahn | |
erzitterte. „Und was sollte ich deiner Ansicht nach jetzt tun?“ | |
„Vielleicht hörst du einfach mal auf, alles kontrollieren zu wollen. Lass | |
die Dinge sich entwickeln. Und hör auf, gegen Windmühlen zu kämpfen!“ Oder | |
gegen Wärmepumpen, ergänzte Spahn in Gedanken. In diesem Moment öffnete | |
sich die Tür einen Spaltbreit. | |
„Jens?“ Die Stimme seiner Mutter klang fast sanft. „Ich wollte dir nur | |
sagen … – vielleicht ist eine Wärmepumpe wirklich nicht das Beste. Aber | |
weißt du, es geht nicht immer nur darum, was das Vernünftigste ist. | |
Manchmal geht es darum, was sich richtig anfühlt.“ | |
Er wandte den Kopf und sah sie an. Einen Moment lang schien es, als wollte | |
er widersprechen. Doch dann hielt er inne. „Vielleicht hast du recht, | |
Mutti“, flüsterte er schließlich, fast unhörbar. | |
Sie trat an sein Bett und überreichte ihm den Förderantrag für den Einbau | |
einer Wärmepumpe und verließ das Zimmer. Er blieb zurück, das Papier in der | |
einen Hand, sein Phone in der anderen, auf dessen Display noch immer | |
Julians Nummer blinkte. Schließlich atmete er tief durch und drückte auf | |
den roten Knopf. „Später, Julian“, murmelte er. „Heute nicht.“ | |
„Fiesta Mexicana“ erklang erneut, und dieses Mal summte er leise mit. | |
Vielleicht, dachte er, ist Weihnachten der passende Moment, ein paar Karten | |
in meinem Kartenhaus neu zu sortieren. Und vielleicht ist Ottenstein genau | |
der Ort, an dem ich damit beginnen sollte. | |
4 Jan 2025 | |
## AUTOREN | |
Fritz Tietz | |
## TAGS | |
Jens Spahn | |
Roman | |
Kitsch | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Die Wahrheit | |
Autos | |
Der Hausbesuch | |
Friedrich Merz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: Uniforme Unterhaltung | |
Handgestoppt: In den allermeisten Fernsehfilmen nach 19.30 Uhr, taucht | |
ta-tü-ta-ta nach rund fünf Minuten die Polizei auf. Warum ist das so? | |
Die Wahrheit: „Wonderful, Sista!“ | |
Jens Spahn ist als CDU-Politiker erstmals Protagonist eines packenden | |
New-Adult-Romans. Lesen Sie hier den finalen dritten Teil. | |
Die Wahrheit: Mutterherz in Hipsterland | |
Mit Jens Spahn ist erstmals ein CDU-Politiker Protagonist eines packenden | |
New-Adult-Romans – hier Folge zwei. | |
Die Wahrheit: Das große Carport-Massaker | |
Niedersachsen untersagt per Verordnung das Parken von Kraftfahrzeugen auf | |
privatem Grund. Erboste Bürger protestieren mit allen Mitteln. | |
Die Wahrheit: Die Beinharte aus Beinhorn | |
Ein spontaner Hausbesuch bei der faszinierenden obersten Europäerin Ursula | |
von der Leyen kurz vor der Europawahl – mit einem Wolf im Bus. | |
Die Wahrheit: Auf Hörnchenvisite bei Merz | |
Der Wahrheit-Hausbesuch: Alles über den großen CDU-Chef aus dem | |
sauerländischen Brilon, der beim Frühstück mit knallharten Fragen geröstet | |
wird. |