# taz.de -- Die Wahrheit: Das große Carport-Massaker | |
> Niedersachsen untersagt per Verordnung das Parken von Kraftfahrzeugen auf | |
> privatem Grund. Erboste Bürger protestieren mit allen Mitteln. | |
Bild: Im Wasser parken ist ganz sicher auch keine Lösung | |
Jürgen Kufink aus Trostlosen i. d. Südheide versteht die Autowelt nicht | |
mehr. Der 61-jährige Sprudelgerätewart soll seinen Carport abreißen. | |
Stattdessen, so heißt es in einer Verfügung des Landkreises Welfenbüttel, | |
muss er den freigewordenen Grund „insektenfreundlich gestalten“, indem er | |
auf ihm „eine arten- und strukturreiche Vegetation“ anlegt. Oder mindestens | |
eine „wilde Ecke“, in der sich „Moose und Moore natürlich ausbreiten“ … | |
„neue Lebensräume für Käfer, Mücken, Wespen, Schnecken, Asseln, Kreuzler, | |
Unken, Wachteln, Sotteln, Tröten und Schmetterlinge entstehen“ können. | |
„Tröten?“ Kufink schüttelt fassungslos den Kopf. Alternativ könne er auch | |
eine Faulobstwiese pflanzen, schlägt ihm die Behörde vor. Nur sein privates | |
Kfz abstellen dürfe er dort, wo jetzt noch sein ID.3 parkt, nicht mehr. | |
„Und wo, bitteschön, soll ich dann hin mit meinem Stromer?“ Der bullige | |
Mann im grün-beigen Breitcord-Outfit mit der doppelläufigen Flinte im | |
Anschlag kann das alles nicht mehr begreifen. Zumal Niedersachsen demnächst | |
auch das Parken auf Straßen verbietet. Über einen Kilometer würde er dann | |
von der nächstgelegenen Parkmöglichkeit zu Fuß nach Hause gehen müssen. | |
„Da verlaufe ich mich doch!“ Obendrein ist der Abstellplatz | |
gebührenpflichtig. Wolle er die 450 Euro sparen, müsse er noch weiter weg | |
einparken: auf einem Acker an der Ortsgrenze. Kufinks Nachbarn, durch das | |
Wutgeschrei des Kfz-Eigners aufgeschreckt, zeigen sich alarmiert. Blüht | |
ihnen etwa das Gleiche? | |
Jost Drosselmann zum Beispiel mit seinen fünf Fahrzeugen, die der | |
43-jährige Fallensteller, „seit ich lenken kann“, auf seinem Grundstück | |
parkt – so er nicht gerade mit einem „zur Arbeit fährt“, wie der chronis… | |
krank Geschriebene augenzwinkernd anmerkt. Er besitzt ein Wohnmobil, ein | |
Sport-Coupé, einen SUV, einen Mähdrescher und einen historischen | |
Möbelwagen; letzterer steht in einer beheizbaren Garage. „Damit ich mich | |
auch mal im Winter rein setzen kann,“ erklärt uns Drosselmann. | |
## Kadaver gegen Politiker | |
„Sorry, aber die Garage muss weg“, eröffnet ihm Landrat Reiner Rampe (CDU), | |
der Drosselmann den Carport-Erlass persönlich überreicht und geschickt dem | |
Waschbären-Kadaver ausweicht, den der erboste Niedersachse in seine | |
Richtung schleudert. Sofort packen die Schutzleute zu, die Rampe als | |
erfahrener Kommunalpolitiker mitgebracht hat zu diesem heiklen Ortstermin. | |
Ein paar Tritte und Knüffe, dann haben die Wachmänner den renitenten Bürger | |
in eine Brombeerhecke geschubst – die schon bald Drosselmanns gesamtes | |
Grundstück überwuchern dürfte. | |
Davon jedenfalls geht „Landschrat“ Rampe aus. Der 56-jährige | |
Verwaltungschef fürchtet zwar viel Arbeit auf sich und seinen Landkreis | |
zukommen, ist aber fest entschlossen, diesen, wie ihn ein paar | |
Uneinsichtige nennen, „linksgrün-versifften Beschluss“ umzusetzen. Dabei | |
ist er selbst betroffen, muss sein architektonisch aufwändig gestaltetes | |
„Carport im Elphie-Style“ für seine beiden Verbrenner abreißen lassen. Und | |
dessen Platz, genauso wie den marmorgefliesten Stellplatz für den E-Mini | |
seiner Frau, in einen mehrjährigen Blühstreifen umwandeln. Wo die Rampes | |
ihre Fahrzeuge künftig abstellen, ist ihnen noch ein Rätsel. | |
Über solche „Schicksalsschläge“, wie er das nennt, kann sich Niedersachse… | |
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) „köstlich beömmeln“. Als Nutzer ein… | |
Dienstwagens mit Chauffeur und Nackenmasseurin habe er persönlich zwar | |
keine Parkplatzprobleme zu bewältigen, begrüße es aber grundsätzlich, „we… | |
künftig die Scheißautos nicht mehr überall parken und die Optik versauen“. | |
Den paar Querulanten, „die jetzt rumjammern“, müsse man nur deutlich | |
machen, dass sie, „schon weil sie ja gar keinen Park besitzen, der ihnen | |
platzen könnte, gar keine entsprechenden Probleme haben können“, lacht | |
Weil. | |
Letztlich aber ist sie es, der die Niedersachsen den nach ersten Umfragen | |
mehrheitlich begrüßten Carport-Erlass zu verdanken haben: Julia Willie | |
Hamburg (Bündnis 90/Die Grünen). Die stellvertretende Ministerpräsidentin | |
hatte sich auf einer ihrer sonntäglichen Lastenradtouren immer wieder an | |
den vielen privat abgestellten Kraftfahrzeugen gestört: „Kaum ein | |
Grundstück ohne Garage, Carport oder wasserdicht versiegelte Stellfläche. | |
Was für eine Vergeudung wertvollen Garten- und Mutterbodens“, habe sie da | |
in durchaus korrektem Genitiv gedacht und bei nächster Gelegenheit ihrem | |
Ministerpräsidenten zugerufen: „Ich will fortan Humbug heißen, wenn wir das | |
nicht mit einer schönen Verordnung geregelt kriegen.“ Stephan Weil, der | |
„immer für eine schöne Verordnung zu haben ist“, hat sofort eine | |
entsprechende Bauordnung anfertigen lassen. Und darin diese Präambel | |
einrücken lassen: „Wo jetzt noch fahrbarer Schrott abgestellt ist, soll | |
künftig die Natur freiweg schalten und walten. Auf dass wieder mehr | |
Wachstum sei in unserem schönen Niedersachsen.“ | |
20 Sep 2024 | |
## AUTOREN | |
Fritz Tietz | |
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