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# taz.de -- Terminvergabe beim Facharzt: Kein Bock auf Patienten
> Wegen akuter Probleme brauchte ich einen Termin bei einem Neurologen. Es
> begann eine Odyssee an deren Ende ein Dringlichkeitscode stand.
Bild: Kein Durchkommen: Das Phänomen kennen Kassenpatient*innen gut
Falls man mal gesundheitliche Probleme haben möchte, die einen Besuch in
einer neurologischen Praxis nötig machen, sollte man das unbedingt ein
halbes Jahr im Voraus planen. Ich verbrachte schon allein zwei Wochen
täglich mehrere Stunden damit, in der mir bekannten Praxis anzurufen. Es
nahm niemand ab, es war besetzt oder es lief ein Band. Für
Privatversicherte gab es freilich eine andere Nummer, ansonsten aber keine
Möglichkeit, eine E-Mail zu schreiben oder digital einen Termin zu
vereinbaren.
Mein Leidensdruck war so hoch, dass ich schließlich direkt in die Praxis
fuhr. Dort wurde ich erst mal barsch in den Regen zurückgeschickt, weil vor
mir noch eine Person am Tresen stand. Als ich eintreten durfte, bekam ich
demonstrativ vorgeführt, wie beschäftigt man war. Die Sprechstundenhilfen
meckerten über die vielen Patienten und ich fühlte mich schuldig.
Beim Warten hatte ich Zeit, eine goldgerahmte Auszeichnung zu betrachten.
Unter den Worten „Praxis+Award Qualitätssiegel“ stand: „Vorbildliche
Service Qualität und Praxiskultur“. Irgendwann gestattete man mir, an den
Tresen zu treten, wo ich unterwürfig meine Hoffnung auf einen baldigen
Termin aufgrund starker Schmerzen äußerte. Ich bekam keinen, auch nicht in
den nächsten acht Monaten. Ich sei schon zu lange nicht da gewesen.
Ich begann also die Suche nach einer neuen neurologischen Praxis. Wieder
verbrachte ich Stunden erfolglos am Telefon und lud mir dann sogar zwei
Apps herunter, um eine Umkreissuche nach buchbaren Termine zu machen,
obwohl ich keinen Plan habe, was dort [1][mit meinen Daten passiert]. Doch
außer für Selbstzahlende war auch auf diesem Weg kein Termin innerhalb
Hamburgs zu haben. Bei Google stieß ich immer wieder auch auf den
Scheißladen, der mich vor die Tür gesetzt hatte.
Die stets höchste Auszeichnung für vorbildlichen Service aus dem
Goldrahmen, die mir in der Praxis im krassen Kontrast zur Wirklichkeit
aufgefallen war, erhält man übrigens gegen 690,00 Euro für ein Jahr von
einer Hamburger Agentur verliehen. Sie bezeichnen es „als unabhängiges,
objektives und neutrales Gütesiegel“. Die Praxis muss lediglich 100 Fragen
beantworten, benötigt aber eine Nominierung für den Award. Zum Beispiel
durch einen Arzt, Apotheker oder die Agentur selber, dafür reicht ein Klick
auf deren Website – ganz unabhängig, objektiv und neutral eben.
Ich jammerte überall so lange herum, bis mir jemand riet, den
[2][Patientenservice der Kassenärztlichen Bundesvereinigung] 116117
anzurufen. Mit einem Dringlichkeitscode von meiner Hausärztin konnte ich
dort tatsächlich kurzfristig einen Termin ganz in der Nähe bekommen, wo
sogar die medizinischen Mitarbeiterinnen richtig nett waren. Nur warum mich
weder der Orthopäde noch der Chirurg über diese Möglichkeit aufgeklärt
hatten, das verstehe ich genau so wenig, wie den Grund dafür, sich extra
einen Praxis-Award zu kaufen, wenn man gar keinen Bock auf [3][Patienten]
hat.
7 Jan 2025
## LINKS
[1] /Big-Brother-Award-fuer-Online-Plattform/!5778302
[2] /Bereitschaftshotline-116117/!5980307
[3] /Patienten/!t5018787
## AUTOREN
Birte Müller
## TAGS
Schwer mehrfach normal
Ärztemangel
Gesundheitswesen
Patienten
Hamburg
Social-Auswahl
Digitale Patientenakte
Ärzte
Janine Wissler
Fachärzte
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