# taz.de -- Regisseurin über Matriarchat: „Feminismus heißt für mich, niem… | |
> In ihrem neuen Film „Die geschützten Männer“ erprobt Irene von Alberti | |
> das Matriarchat in Berlin. Sie spricht über lachendes Nachdenken und | |
> Satire. | |
Bild: Matriarchat als Lösung? Bundeskanzlerin Sarah Bedford (Mavie Hörbiger) … | |
Deutschland, kurz vor der Bundestagswahl: Anita Martinelli (Britta | |
Hammelstein) und Sarah Bedford (Mavie Hörbiger) kämpfen mit ihrer | |
Frauenpartei für mehr Gleichstellung und eine neue politische Ordnung. Als | |
ein rätselhaftes Virus ausbricht, das ausschließlich Männer befällt, | |
sexuell erregt und dahinrafft, stürzt die Republik in einen Krieg der | |
Geschlechter. Irene von Albertis Film „Die geschützten Männer“, der zum | |
Teil in der taz gedreht wurde, bietet sehr gegenwärtige politische Satire. | |
taz: Frau von Alberti, Ihr Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von | |
Robert Merle von 1974. Was hat Sie an dem Buch gereizt? | |
[1][Irene von Alberti]: Der Roman ist eine super Vorlage mit der Erfindung | |
eines Virus, das nur männliche Wesen killt. Das wirft die Frage auf, was | |
wäre, wenn die Männer aussterben? Eine schöne Satire auf den ewigen | |
Geschlechterkampf. Allerdings ist der Roman von 1974 und von einem Mann | |
geschrieben. Robert Merle hat ihn als Antwort auf die zweite feministische | |
Welle in Frankreich verfasst. Heute muss die Geschichte anders erzählt | |
werden, aus weiblicher Perspektive. Wir sind im Feminismus ja schon | |
weitergekommen. Wir sehen aber auch, dass [2][#MeToo] eine nie endende | |
Aktualität besitzt und immer wieder Backlashs drohen, wie momentan in den | |
politischen Entwicklungen. | |
taz: Die Mittel sind in „Die geschützten Männer“ stets überhöht. Sie re… | |
die Möglichkeiten von Camp, Farce und Satire maximal aus. Wir sehen etwa | |
Kostüme mit schrillen Farben, Amazonen in Uniformen auf Pferden, und auch | |
die Schauspieler*innen überspielen teils plakativ. Warum haben Sie sich | |
für das Genre der politischen Satire entschieden? | |
von Alberti: Ich finde es wichtig, dass das von mir Erzählte ernst gemeint | |
ist. Politische Satire deckt dies immer ab. Man lacht zwar, aber eigentlich | |
bleibt einem das Lachen im Hals stecken. Eine Satire reißt schnell alle | |
Fassaden ein und enthüllt schonungslos die Wahrheit. Ich mag diese Mischung | |
im Kino: lachend nachdenken. Die satirische Herangehensweise hat uns | |
geholfen, die Geschichte in eine Parallelwelt zu transportieren, um die | |
Jetztzeit zu erzählen. | |
taz: Sie haben das Drehbuch 2019 geschrieben. Kurz danach holte Sie die | |
Realität ein, als 2020 das Coronavirus ausbrach. Wie hat dies die | |
Produktion verändert? | |
von Alberti: Der Effekt war, dass ich viel von den fachlichen Erklärungen | |
rausnehmen konnte. Letztlich habe ich dreieinhalb Seiten im Drehbuch | |
gekürzt. Vor fünf Jahren wussten viele Menschen noch nicht, was eine | |
Pandemie im Gegensatz zu einer Epidemie oder ein Vektorimpfstoff ist. Vor | |
Corona musste ich solche Begriffe in Szenen erklären. Dann ist Corona | |
ausgebrochen und ich dachte, ich kann erst mal keine Satire über ein Virus | |
machen. Nach ein paar Wochen war dann aber klar, es gibt bald einen | |
Impfstoff. | |
taz: Ihr Film kreist um die Frage, wie Geschlechtergerechtigkeit | |
hergestellt werden kann, und stellt zwei Ansätze gegenüber. Kanzlerin Sarah | |
Bedford will die Machtverhältnisse radikal umdrehen und manipuliert etwa | |
die Impfstoffentwicklung. Anita Martinelli sieht die Dinge nicht so | |
einfach. Sollte man die Strukturen kopieren und umdrehen, wenn man dem | |
patriarchalen System an den Kragen will, oder anders lösen? | |
von Alberti: Wenn man das Patriarchat in ein Matriarchat umwandeln könnte, | |
glaube ich nicht, dass die Bedingungen in der Gesellschaft besser wären. Im | |
Grunde heißt Matriarchat bereits im Wortstamm, dass damit die Unterdrückung | |
der anderen Seite mit inbegriffen ist. Feminismus heißt für mich, niemanden | |
zu unterdrücken, also die Machtdynamiken aufzulösen. Über eine | |
Geschlechtergerechtigkeit nachzudenken, finde ich wichtig, was ich in den | |
Film übertragen habe. Der Film endet mit vielen Fragezeichen und gibt keine | |
fertigen Antworten vor. Ich komme zudem aus der Zeit des Feminismus, die | |
Alice Schwarzer geprägt hat. Allein dass in dieser Zeit Feminismus weiß war | |
und soziale Klassen nicht mitdachte, finde ich schwierig. | |
taz: Sie machen in Ihrem Film deutlich, dass Machtmissbrauch unabhängig vom | |
Geschlecht ist und kritisieren, die Machtverhältnisse einfach umzudrehen. | |
Dann zeigen sie jedoch binäre Szenen wie das victim blaming eines Mannes | |
oder Bauarbeiterinnen in der sozial männlich konnotierten Rolle. Warum? | |
von Alberti: Das Umdrehen hängt mit dem Genre zusammen, denn Satire ist | |
plakativ und hat wenig Platz für Zwischentöne. Satire darf nicht zu | |
kompliziert werden, sonst funktioniert sie nicht. Ich finde es immer | |
interessant, die Strukturen fiktiv in einem Film umzukehren, auch wenn die | |
Realität nicht so funktioniert: Das Publikum lacht zwar, merkt aber | |
letztlich, dass es genauso sexuelle Belästigung ist, wenn man die | |
Geschlechterrollen tauscht. Zudem ist vieles in unserer Gesellschaft noch | |
binär, wie etwa der Gender-Pay-Gap. | |
taz: Der Hass kommt in „Die geschützten Männer“ auch von innen heraus. De… | |
aus Anitas und Sarahs Freundschaft entsteht im Laufe des Films eine | |
Feindschaft, da sie verschiedene Systemwechsel erzielen wollen. Warum haben | |
Sie sich für so eine Figurenentwicklung entschieden? Läuft diese nicht | |
konträr zur feministischen Bandenbildung zwischen Frauen? | |
von Alberti: Am Anfang sind die beiden Hauptfiguren Freundinnen, aber sie | |
gehen auseinander, weil sie verschiedene psychologische Hintergründe haben | |
und Erfahrungen machen. Die Kanzlerin, Sarah Bedford, wird zur | |
Männerhasserin, weil sie in einer Szene einen sexuellen Übergriff erlebt | |
und Ähnliches in der Vergangenheit erfuhr. Die Bandenbildung findet schon | |
statt, aber nicht zwischen den zwei Hauptfiguren, sondern zwischen Anita | |
und Jeanette, der Medienberaterin von Sarah, und anderen Frauen aus der | |
Regierung. | |
taz: Laut einer Studie des Statistischen Bundesamts ist nur knapp jede | |
dritte Führungskraft in Deutschland weiblich. Glauben Sie, dass eine | |
weiblich dominierte Führung patriarchale Strukturen nachhaltig ändern | |
könnte? | |
von Alberti: Ich glaube, dass wenn Frauen solidarisch sind, man die | |
Strukturen verbessern kann. Wenn sich Frauen im patriarchalen System nach | |
oben arbeiten, wird, glaube ich, aber nichts besser. Aber wenn sich Frauen | |
mit einem Bewusstsein für andere Frauen hocharbeiten, können sie | |
mitbestimmen und die patriarchalen Regeln aushebeln und vielleicht dann | |
auch Hierarchien abschaffen und neue Strukturen entwickeln. | |
10 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Wenke Bruchmüller | |
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