# taz.de -- Utøya-Attentäter vor Gericht: Breivik beantragt Entlassung | |
> Ein Gericht klärt, ob der verurteilte Massenmörder Anders Breivik die | |
> Haft frühzeitig verlassen kann. Ein neues Gutachten spielt eine wichtige | |
> Rolle. | |
Bild: Anders Behring Breivik (2. v. r.) beim Auftakt der Verhandlung zu seinem … | |
Härnösand taz | Er ermordete 77 Menschen, verletzte 90 weitere und stürzte | |
Norwegen in Schock und Trauer. Gut 13 Jahre nach seinen [1][Anschlägen von | |
Oslo und Utøya] lässt Anders Behring Breivik in Norwegen erneut von einem | |
Gericht prüfen, ob er unter Auflagen vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen | |
werden kann. | |
Sein erster Versuch Anfang 2022 war glatt abgeschmettert worden. Aber seit | |
er die im Urteil festgelegte Mindestzeit von zehn Jahren abgesessen hat, | |
ist es sein Recht, jährlich einmal überprüfen zu lassen, ob er sich | |
weiterentwickelt hat. | |
„Eine große Belastung für die Betroffenen“ nannte eine Vertreterin der | |
Hinterbliebenen den erneuten Breivik-Auftritt diese Woche. „Aber wir müssen | |
das Rechtssystem respektieren“, sagte sie dem norwegischen Rundfunk NRK. | |
Am Mittwoch wurde ein neues psychiatrisches Gutachten präsentiert – das | |
erste seit dem Prozess von 2012. Ob Breivik bei seinen Taten psychotisch | |
und damit vermindert schuldfähig war, ob er in die Psychiatrie oder ins | |
Gefängnis geht – das wurde nach den unvorstellbar grausamen Taten zur | |
zentralen Frage, und zwei Gutachten kamen damals zu ganz unterschiedlichen | |
Ergebnissen. Das Gericht entschied letztlich, Breivik als zurechnungsfähig | |
einzuschätzen und zu 21 Jahren Verwahrung im Gefängnis zu verurteilen. | |
## Gutachter bestätigen Zurechnungsfähigkeit | |
Und so sahen es nun auch die neuen Gutachter: „Wir finden keine Anzeichen | |
von Schizophrenie oder anderen psychotischen Zuständen“, erklärten Kåre | |
Nonstad und Pia Jorde Løvgren in einem provisorischen Gerichtssaal in der | |
Turnhalle des Gefängnisses Ringerike, wie der NRK berichtete. | |
Sie attestierten Breivik, wie eines der früheren Gutachten auch, eine | |
narzisstische und dissoziale Persönlichkeitsstörung. Anders als damals | |
unterstrichen die Gutachter aber vor allem die problematische Verbindung | |
mit extremistischen Ideologien. Viele Menschen hätten solche Abweichungen | |
in der Persönlichkeitsstruktur, begingen aber nicht solche Taten. „Deshalb | |
halten wir das als Erklärungsmodell für weniger wichtig als die | |
extremistischen Haltungen selbst“, sagte Løvgren. | |
Die Ideologie sei bei Breivik seit 2011 unverändert. „Das Rechtsextreme ist | |
seine Identität geworden.“ Das Risiko für neue Gewalttaten bei einer | |
Freilassung oder bei gelockerten Haftbedingungen sei deutlich vorhanden. | |
Und es sei kaum vorstellbar, dass es irgendwann besonders eingegrenzt | |
werden könnte. | |
Eine Einschätzung der Gutachter hörte Breiviks Anwalt Øystein Storrvik | |
offenkundig gern: Sie meinten, dass eine Veränderung des Gefangenen ohne | |
Kontakt zu anderen Menschen und anderen Haltungen noch unwahrscheinlicher | |
sei. | |
## Kritik an Haftbedingungen | |
Erst im Januar dieses Jahres war Breivik wegen der Haftbedingungen vor | |
Gericht gezogen – er hat außer zu Gefängnisangestellten, Anwälten und | |
anderen Berufsvertretern keine Kontakte. | |
Storrvik argumentierte nun gegenüber dem Gericht, Kontakte seien zur | |
De-Radikalisierung seines Mandanten notwendig, das sagte er am Donnerstag | |
der Nachrichtenagentur NTB. | |
Breiviks Auftritte vor Gericht werden nicht mehr live gestreamt, seit klar | |
wurde, dass er sie für die Zurschaustellung rechtsextremer Gesten und | |
Botschaften nutzt. Medien verbreiten auch nicht mehr jedes seiner Plakate, | |
jedes Handzeichen und jede Geste auf Fotos – sondern beschreiben sie mit | |
Worten. | |
Dieses Mal hatte Breivik sich den Bildern zufolge ein russlandfreundliches | |
Z in die Frisur rasiert. Er bat eingangs die Hinterbliebenen um Verzeihung, | |
erklärte aber dann, seine Taten seien notwendig gewesen, und schilderte | |
seinen Anteil an der [2][wachsenden Rechtsextremen] weltweit. | |
## Schwerstes Verbrechen Norwegens | |
Staatsanwältin Hulda Olsen Karlsdottir sagte, das Gutachten führe nicht | |
dazu, dass sie die Frage der Entlassung anders bewerte. Sie sehe keine | |
Änderungen bei Breivik, die sie anders auf die Wiederholungsgefahr blicken | |
lasse. Niemand vor ihm habe in Norwegen je ein derartig schweres Verbrechen | |
begangen. Das Urteil wird für Anfang Dezember erwartet. | |
22 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Anne Diekhoff | |
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