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# taz.de -- Häuslebauen in der Zukunft: Wände aus Hopfen, Dämmung aus Pilzen
> Wie nachhaltig kann die Baubranche werden? In 100 Jahren werden wir uns
> im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf unsere Wurzeln besinnen.
Bild: Gemütlich und CO2-neutral: Wohnkonzept für das Jahr 2124
Auf meinem Wohnzimmertisch stapeln sich die Unterlagen der letzten Sitzung
des Bauausschusses, dem ich als Stadträtin angehöre. Fast alle Bauanträge
wurden abgelehnt: Beim ersten Haus fehlen die Parkplätze, beim zweiten wird
die Kleinkläranlage nicht genehmigt, und das dritte, mit perfekt
nachhaltigem Konzept, passt dem Bauamt leider nicht, weil es sich wegen der
solarpunkigen Architektur „nicht einfügt“.
Ich bin frustriert. Bauen ist teuer und kompliziert, und das Recycling von
Baustoffen ist wahnsinnig aufwendig. [1][Die Baubranche verursacht 50
Prozent des Mülls], und die Beton- und Stahlproduktion emittiert CO₂, dass
es kracht. Wie soll so nachhaltiger Wohnraum für die Zukunft entstehen?
Also lade ich meinen zeitreisenden Freund Felix ein, damit er mir genau
diese Frage beantwortet. Er kommt aus dem Jahr 2124 zu mir, in dem sie
allerlei Schnickschnack haben, aber offenbar keine guten Buttersemmeln. Die
isst er nämlich immer bei mir.
Als Felix die erste Semmel verdrückt hat, lege ich ihm die abgelehnten
Anträge hin und frage: „Wie hättet ihr das entschieden? Wird bei euch
überhaupt noch gebaut? Leben alle unter der Erde?“
Felix begutachtet die Dokumente. Dann zuckt er mit den Achseln. „Kein
Wunder, die Häuser sind ja auch alle scheiße.“
„Wie bitte?“
„Die würden bei uns auch keine Baugenehmigung kriegen.“
„Wieso?“
„Schau sie dir doch an: Ressourcenverschwendung hier, Energieverbrauch da,
vom CO₂-Ausstoß ganz zu schweigen. Indiskutabel.“
„Alles verursacht CO₂“, sage ich.
„Nö.“
„Was denn nicht?“
„Pflanzen.“
„Ja gut, aber auch ein Holzhaus ist nicht CO2-neutral. Die Verarbeitung,
der Transport …“
„Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass es eine blöde Idee ist, eine
Vase zu zerschlagen, um dann zu versuchen, aus den Scherben eine bessere
Vase zu basteln?“
„Wie bitte?“
„Besser wäre es, die Vase ganz zu lassen – oder in eurem Fall: die Bäume.…
„Wie soll das gehen?“
„Bei uns ist das so: Du darfst gar nichts mehr bauen, das CO₂ verursacht.
Also scheiden neuer Stahl und Beton aus. Wir geben uns nicht mit geringen
Emissionen zufrieden – es kommt darauf an, so viel CO2 wie möglich zu
binden! Das funktioniert, indem Architekt*innen Häuser nur noch als
Gerüste planen, die dann mit Baum- und Straucharten bepflanzt werden.
Haselnuss und Bambusartige für die tragenden Teile, Rosengewächse, Efeu
oder Hopfen für die Außenwände. Für die Dämmung und die Innenwände
[2][werden Platten aus Pilzmyzel verwendet]. Unsere Häuser sind keine toten
Steinbunker wie bei euch, sondern lebende Habitate. Wir müssen auch die
Städte nicht extra begrünen – wir leben in Baumhäusern. Stell dir die
Farbenpracht im Frühling vor! Die Außenstämme bieten Lebensraum für
Insekten, Vögel und andere Kleintiere. Und innen haben wir ein
unschlagbares Raumklima.“
„Ich stelle mir das gerade wie eine Mischung aus Hobbit-Haus und
Steinzeithöhle vor.“
„Unsinn. Deine Wohnung ist aus Ziegeln und Stahlbeton gebaut – und merkst
du was davon?“
„Na ja, mein Handyempfang ist immer ziemlich schlecht.“
„Stimmt. Auch das ist in unseren Baumhäusern kein Problem mehr. Und ich
verrate dir noch einen positiven Nebeneffekt: Weil jeder seinen Haushopfen
an die lokalen Brauereien verkauft, ist der Bierpreis seit zwanzig Jahren
nicht gestiegen!“
2 Dec 2024
## LINKS
[1] /Nachhaltigkeit-in-der-Baubranche/!5914328
[2] /Pilze-in-der-Bauwirtschaft/!5908915
## AUTOREN
Theresa Hannig
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